Guten Tag
Danke für ihre Antwort von vergangener Woche. Das Thema schlafen und zu Bett gehen lässt uns immer noch keine Ruhe(wortwörtlich) Wie sollte ein 11 Monate altes Kind idealer Weise zu Bett gehn? Unser Sohn wird um 19.30 Uhr vom Papa mit einer Gutenachtgeschichte hingelegt und er bleibt solange dabei bis er schläft. Zuvor wurde er von mir immer in den Schlaf gestillt. Seit einer Woche ist er nun abgestillt und bekommt wenn er nachts Weint als Brustersatz die Teeflasche (ca 3-4 mal pro Nacht) Er hat also noch nie gelernt alleine einzuschlafe oder sich zu beruhigen. Ist es noch nomal das ein Kind in diesem Alter so oft aufwacht und so verzweifelt weint? (Beistellbett, nie weinen lassen) Bremsen wir so seine Selbstständigkeitsentwicklung? Wie lange können wir unser derzeitiges zu Bettgeh Ritual noch weitermachen und wie dann verändern?
Danke für ihre Antwort und tolle Arbeit hier im Forum.
von
Fiou
am 20.06.2011, 13:31
Antwort auf:
Wann sollte ein 11 Monte altes Kind idealer Weise zu Bett gehen?
Stichwort: Selbstvertrauen
Hallo, die irrige Meinung der meistens Leute geht dahin, dass ein Kleinkind, das noch zum Einschlafen begleitet wird, in seiner Selbstständigkeitsentwicklung behindert wird. Paradoxerweise ist das Gegenteil richtig. Die Verfestigung der sicheren Bindung auch noch im 2. Lebensjahr verbessert die Selbstständigkeitsentwicklung und führt zu einer Reifungsbeschleunigung. Denn sichere Bindung bedeutet Verstärkung des Urvertrauens und Urvertrauen zahlt sich aus in höherem Selbstvertrauen. Dieses Denken ist in gewisser Weise neu, denn die alltagsgebräuchliche Psychologie ging oder geht rein vom verhaltensbiologischen Ansatz aus, in dem Reiz und Reaktion die entscheidende Rolle spielen und nicht emotionale Integration.
Reiz und Reaktion hießen in diesem Fall, Kind ist gewohnt, dass die Eltern es in den Schlafbegleiten und wird von diesem angenehmen Reiz nicht mehr loslassen. Alleine einschlafen wäre ein zu negativer Reiz.. Erzwingt man jetzt das Einschlafen ohne Eltern, wird die Gewohnheit gebrochen und der angenehme Reiz gelöscht. An seine Stelle tritt ein anderer Reiz, der zwar unangenehm ist und auf negativen Gefühlen basiert, aber zu einer neuen Erfahrung führt, dass man nämlich auch ohne die Anwesenheit der Eltern einschlafen kann. Über kurz oder lang siegt diese neue Gewohnheit über die alte und die Eltern haben das erreicht, was sie wollten. In der moralischen Zwickmühle steckend begründen sie dann die Richtigkeit ihres Handelns damit, dass das Kind so besser auf das spätere Leben vorbereitet wird. Das verstärke die Selbstständigkeit.
Die Kehrseite ist die: das Urvertrauen schwindet, weil sich das allein gelassenen Kind grämt und ausgestoßen fühlt. Wut, Trauer und später Scham und Verzweiflung nehmen zu. Die Selbstentwicklung leidet , die scheinbare Stärkung ist nur ein äußerliches Anpassungsgeschehen. Darunter bröckelt die emotionale Stabilität. Beziehungsstörungen können sich anbahnen, die frühe Bindungsstörung ist nicht mehr ausgeschlossen. Je nach charakterlicher Veranlagung des Kindes und weiterer Geschehensabläufe in seiner Lebensumwelt kommt es zu aggressiven Erscheinungen, die sich in ständiger Opposition zeigen, oder zu regressiven, die sich in diesem Alter hauptsächlich in Angstsymptomen äußern (z.b. Trennungsangst). Viele Grüße und danke für Ihr Lob
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 23.06.2011