Hallo Dr. Posth!
Vor einiger Zeit habe ich folgenden Beitrag verfasst und eine nette Antwort von Ihnen bekommen:
http://www.rund-ums-baby.de/entwicklung/mebboard.php3?step=5&range=20&action=showMessage&message_id=18813&forum=155
Es ging hier um das intensive Träumen meines Sohnes Nico (2 3/4) und darum, dass er vom seinem Papa nachts nichts wissen will.
Sie schrieben damals:
"D.h. aber, daß Ihr Sohn in der Loslösung noch nicht so weit voran gekommen ist.
Ich kann von hieraus nicht genau sagen, woran das liegt. Sicher ist aber, daß Ihr Mann sich möglichst auch tagsüber durch gemeinsames Spielen und kleine Unternehmungen mit seinem Sohn in zugewandter Weise beschäftigen sollte. Dann kann er wahrscheinlich auch bald in der Nacht einspringen."
Zu Nicos "Vorgeschichte": Ich hab, als Nico 11 Mon. alt war, mein Referendariat beendet, er wurde für diese 10 Monate (also bis ca. 1 3/4) tagsüber für 2-max. 7 Stunden (Ausnahme) von der Oma bei uns zu Hause betreut. Wir haben dafür lange mit ihm "geübt" und er hat die Oma als neue Bezugsperson gut angenommen. Ich hätte den Beginn des Wieder-Arbeitens verschoben, wenn das nicht so gut geklappt hätte.
Sie schreiben jetzt ja aber, dass das Kind sich im 2. Lj normalerweise am Papa orientiert und sich so von der Mama löst. Kann es nun sein, dass diesen Part bei uns die Oma übernommen hat? Klar hat auch mein Mann viel mit ihm gemacht, besonders am WE, da ich mich auf mein Examen vorbereiten musste, aber die Oma hatte immer einen besseren Draht zu Nico.
Seit meinem Examen bin ich nun zu Hause, wurde dann auch wieder schwanger und Nico hat seit 3 Monaten eine kleine Schwester.
Seitdem machen wir nur noch einmal die Woche "Omatag", ansonsten bleibt Nico zu Hause.
Mein Mann macht schon sehr viel mit ihm, so wie sie es geraten haben, aber Nico klammert derzeit doch sehr, vor allem nachts. Ist es so, dass diese Loslösung über den Papa jetzt wieder neu starten muss, da die Oma jetzt quasi "raus" ist aus der Beziehung???
Hmm, schwierig.
Wir sind außerdem aktiv in einer Mutter-Kind-Gruppe integriert, die ab September wechselnde Mütter-Betreuung plant, d.h. dass immer zwei Mütter auf den Rest der Kinder (zw. 2 u. 3 Jahren) aufpassen. Diese Gruppe ergab sich aus einem Spielkreis, ich möchte sie ungern aufgeben, bin aber bereit, Nico dort so lange zu begleiten, bis er mich gehen lässt.
Die anderen Mütter akzeptieren das auch und wissen, dass Nico mich noch sehr braucht.
Sind wir auf dem richtigen Weg, wenn wir so weiter machen: Nico viel mit dem Papa machen lassen (wie es dessen Zeit zulässt) und in der Spielgruppe so lange begleiten, bis er mich freiwillig gehen lässt?
Kann dieses zur Zeit verstärkte Festhalten an mir als Mama auch mit der jüngeren Schwester zusammenhängen? Das ist ja doch immer ein große Einschnitt für das erste Kind.
LG Janet
Mitglied inaktiv - 06.09.2004, 20:46
Antwort auf:
Verzögerte Loslösung?
(Stichwort unsichere Bindung)
Liebe Janet, Fremdbetreuung im ersten Lebensjahr kann durchaus Bindungsverwirrung hervorrufen. Entweder wurde von Ihrem Sohn die Oma als konkurrierende Bindungsperson angenommen, oder in gewissen Momenten sogar Ihnen vorgezogen als primäre Bindung. Das läßt sich im Nachhinein schwer sagen. Die Bindung zu Ihnen wurde dadurch höchstwahrscheinlich unsicher (wahrscheinlich eher "ambivalent-unsicher", s. mein Langtext). Solche Kinder "klammern" im zweiten Lebenjahr bei der Loslösung sehr, weil sie von der Anhänglichkeit zunächst nicht lassen können (Verlustängste?). Also Loslösung von und soziale Rückversicherung bei der Mutter liegen in heftigem Streit miteinander beim Kind (Ambivalenz). Das plötzlich Teilenmüssen der Mutter mit einem Geschwisterchen tut sein Übriges. Schwer für das Kind, unter diesen Voraussetzungen sich mit dem Vater zu "verbünden", um die Loslösung zu gestalten.
Ihre Entscheidung zum Vorgehen in der Spielgruppe ist klug und weitsichtig. Der Ansatz, denn Vater stärker anzusprechen und die "triadische" Loslösung weiter in Gang zu bringen, ist für meine Begriffe der einzige Weg in die richtige Richtung. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 08.09.2004
Antwort auf:
Verzögerte Loslösung?
Hallo Dr. Posth!
Danke für die Antwort. Die Fremdbetreuung durch die Oma begann ja aber erst mit 11 Monate, also ja fast schon im 2.LJ.
Allgemein hab ich eher nicht den Eindruck, dass Nicos Bindung zu mir unsicher ist. Er braucht mich halt nur immer im Hintergrund, aber dann spielt er auch in fremder umgebung, lacht fremde an und erzählt ihnen etwas.
außerdem macht er sehr gern etwas mit dem papa, zieht ihn auch öfter mir vor /tagsüber).
sind das gute zeichen?
lg und danke nochmal,
janet
Mitglied inaktiv - 08.09.2004, 20:49
Antwort auf:
Verzögerte Loslösung?
Ich hab jetzt mal nachgelesen, was Sie genau mit unsicher-ambivalent meinen. Ich kann nicht bestätigen, dass Nico sich nur schwer von mir beruhigen lässt, wenn er weint, wenn ich mal weggehe.
Zu diesem "Fremde-Test": Nico würde auch jetzt noch ganz doll weinen und schluchzen, wenn ich einfach aus dem Raum gehen würde und sich nicht auf die Spielangebote einer Betreuerin einlassen. Käme ich wieder rein, würde er sich aber ganz schnell wieder von mir beruhigen lassen. diesen typ gibt es da nicht...???
was kann das bedeuten?
lg janet
Mitglied inaktiv - 08.09.2004, 21:17
Antwort auf:
Verzögerte Loslösung?
Hallo Dr. Posth!
Nochmal ein Nachtrag: Ich muss mich korrigieren. Ich habe heute in der Spielgruppe für 5 Minuten ca. die Gruppe verlassen ohne Nico. Er hat weder geweint o.ä., hatte kein Problem damit, dass ich rausgegangen bin.
Ich war vor der Tür und hab gehört, wie er mit den anderen Müttern erzählt hat :-). Nach einigen Minuten hat er gefragt, wo ich wäre, da kam dann eine Mutter mit ihm raus. Auch da hat er nicht geweint, sondern ganz normal gefragt. Begrüßt hat er mich völlig normal, also nicht super erleichtert oder völlig aufgelöst o.ä..
Kann ich Sie um eine erneute Einschätzung der Situation bitten?
Vielen Dank,
Janet
Mitglied inaktiv - 09.09.2004, 22:03
Antwort auf:
Verzögerte Loslösung?
Liebe Janet, den Test in der Fremde-Situation können Sie jetzt nicht mehr machen. Er ist auf eine Altersspanne um den ersten Geburtstag herum begrenzt. Im jetztigen Alter Ihres Sohnes läßt sich auch nicht mehr eindeutig sagen, ob die Bindung sicher oder unsicher-ambivalent gewesen ist. Man kann aus seinem Verhalten jetzt nur versuchen, Rückschlüsse zu ziehen, um sich die bestehenden Probleme zu erklären. So war auch meine Antwort abgefaßt.
Ihr Refrendarjahr in der Säuglingszeit Ihres Sohnes mit den Fremdbetreuungszeiten legt schon die Vermutung auf eine unsichere Bindung nahe, was ja keine Kritik an Ihnen ist. Viele Störungsmomente in der Entstehungsphase der primären Bindung waren sicher unvermeidbar. Sie hatten damals keine andere Chance. Aber jetzt können sie verstehen, was Ihren Sohn bewegt. Und jetzt können Sie durch günstige mütterliche (und väterliche!) Verhaltensweisen ganz viel wieder richten. Darum ging es doch auch in Ihrer Frage. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 10.09.2004