Frage: Vernünftig sein...

Sehr geehrter Dr. Posth, ich bin alleinerziehend und meine Tochter ist 4,5 Jahre alt. Papa ist präsent und kümmert sich gut. Ich arbeite in Teilzeit. Sie ist ein sehr vernünftiges und verantwortungsbewußtes Mädchen, das gerne alles richtig machen möchte und immer ein bißchen Angst vorm Versagen hat - dann möchte sie oft erst gar nicht versuchen. Sie meinte neulich zur Oma, sie müsse immer so vernünftig sein - das tut mir sehr leid. Ich selbst bin das 4.Kind & Nachzügler...wollte meinen Eltern nie Kummer bereiten und war vernünftig...fühlte mich aber immer so in der Pflicht - das will ich für mein Kind in der Form nicht! Eienrseits freue ich mich, wenn sie mitdenkt, aber ich will nicht, daß sie das Pflicht / Erwartung von mir ansieht. Deshalb war ich auch schon zur Beratung vor gut 1 Jahr - dort sagte man mir, das wäre völlig normal, daß sie Erwachsene nachahmen möchte. Sehe ich das zu kritisch und ist es normal? Woran würde ich erkennen, daß es nicht mehr normal ist? lg heike

Mitglied inaktiv - 11.08.2008, 09:12



Antwort auf: Vernünftig sein...

Stichwort: Parentifizierung Liebe Heike, es stimmt, dass mit 4 1/2 die Kinder sich schon Gedanken machen über die Stuation und die Gefühle anderer Menschen. Dabei stehen die eigenen Bezugspersonen natürlich ganz oben an. Die sind dann auch zugleich Vorbild für das, was ein Kind an Ressourcen für sein eigenes Sozialverhalten benutzen kann, denn eine eigenmächtige Konstruktion dessen kann noch nicht gelingen. Auf diese Weise sind Kleinkinder immer auch ein bisschen der Spiegel ihrer Eltern, insbesondere in der Ein-Eltern-Familie (so findig ist die Sprache, wenn es darum geht einen Notstand "salonfähig" zu machen). Die Gefahr für das Kind besteht aber darin, das es zunehmend "die Seite wechselt" und sich immer mehr den Verhlatensweisen siner Eltern anzugleichen versucht, um diese zu entlasten und zu stabiliseren. So können Söhne zum Partnerersatz für fehlende Väter werden oder im umgekehrter Geschlechterverhätlnis die Mädchen Mutterersatz. Man nennt das Parentfizierung (s. gezieltes Stichwort). Den Kindern geht damit ein wesentlicher Teil der an sich unbeschwerten Kindheit verloren. Soweit sollte man es auf keine Fall kommen lassen.. Es natürlich nicht leicht, sein eigenes Verhalten so zu hinterfragen und zu bereinigen, dass das Kind keinen Grund mehr sehen kann, diese Rolle für seine Eltern zu spielen. Aber das ist der entscheidende Ansatz. Vielleicht finden Sie noch einmal eine bessere kinderpsychologische Beratung vorort. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 13.08.2008