Hallo Dr. Posth,
ich habe eine dringende Frage, bei der Sie mir hoffentlich weiter helfen können:
Mein Mann und ich haben im Moment ziemliche Probleme, er nicht mehr weiß, ob er bei mir bleiben will und sich außerdem in eine andere Frau verliebt hat. Leider ist er im Moment nicht in der Lage, irgendeine Entscheidung (für oder gegen ein Leben mit mir) zu treffen. Wir haben demnächst einen Termin bei einer Eheberatung, wollen uns aber trotzdem zunächst trennen, um klarer zu sehen, was wir eigentlich wollen und dann aus der Ferne an unserem Problem arbeiten. Ich merke, dass unsere Tochter (14 Monate) sehr unter unserem Streit leidet. Wenn wir streiten, weint sie (obwohl es eigentich noch ziemlich human zugeht, aber sie erkennt halt den scharfen Ton, auch wenn nicht geschrien wird). AUch deshalb halte ich einen räumlichen Abstand für sinnvoll. Ich habe aber keine Ahnung, wie ich meiner Kleinen helfen soll, damit klarzukommen, dass Papa nicht mehr da ist. Natürlich soll er die Maus regelmäßig sehen, aber er wohnt halt nicht mehr hier. Merkt sie den Unterschied? Ich habe Angst davor, dass sie ständig nach ihm fragt... Was sag ich ihr denn dann?? Wird sie sich damit zufrieden geben, dass ich sage, er sei arbeiten?? Ich will auf keinen Fall, dass sie irgendwelchen Schaden nimmt.... Haben Sie einen Tipp, wie ich am besten vorgehe, wenn ich demnächst allein mit ihr bin?? Ich hab sie doch so lieb und will sie vor all dem beschützen...
Danke
Tinchen
Mitglied inaktiv - 03.12.2003, 08:42
Antwort auf:
Trennung der Eltern
Hallo, zunächst einmal ist es immer sehr schmerzlich, wenn Eltern auseinandergehen, bevor ihre Kinder einigermaßen flügge sind. Aber gestörte Elternbeziehungen sind sicher nicht immer besser als getrennte Eltern und Alleinerziehung.
Bei der Trennung gäbe es sehr viel zu beachten, aber das meiste läßt sich nicht verwirklichen, weil die Nerven blank liegen. Auf jeden Fall sollte man Kinder aus dem Trennungsgeschehen so gut wie möglich heraus halten. Das Kind ist darauf angewiesen, daß ein Elternteil sich zuverlässig und einfühlsam um es kümmert. Das kann man vielleicht als die "halbe Miete" bezeichnen. Das plötzliche Verschwinden des Vaters oder der Mutter kann man nur ziemlich offen benennen und dafür eine einfache Erklärung erfinden. Auf jeden Fall sollte man im Nachsatz immer betonen, daß man selbst 100% beim Kind bleibt. Die Verarbeitungsarbeit der gescheiterten Ehe oder Beziehung muß man selbst leisten, da kann einem das Kind nicht helfen. Im Gegenteil, man muß als Erwachsener dem Kind helfen und ihm den entstandenen Verlust durch momentane große Zuwendung und Sicherheitsvermittlung einigermaßen erträglich machen. Alles Gute
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 04.12.2003
Antwort auf:
Trennung der Eltern
Hallo Tinchen,
zunächst einmal wünsche ich Dir jede Menge Kraft für die nächste Zeit, die sicherlich Dir einiges abverlangen wird. In puncto Streitereien kann ich aus eigener Erfahrung berichten; was die Trennung angeht, da habe ich in meinem Bekanntenkreis ein paar mitgemacht. Einige waren haarsträubend. Aber ein Pärchen hat es geschafft, sich "vorbildlich zu trennen". Ich weiß, dass deren Kinder keinen Schaden genommen haben.
Grundsätzlich solltet Ihr Eure Auseinandersetzungen unter vier Augen und Ohren! durchführen, da Eure Tochter natürlich dadurch Angst bekommt. Dabei versteht sie ja nicht die Bedeutung Eurer Worte, aber Kinder sind so feinfühlig für die Gefühle, die bei so einem Streit im Raum sind. Kinder sollten lernen, dass sich auch Eltern streiten, allerdings nur!, wenn sie auch die Versöhnung miterleben dürfen. Solange Ihr Eure zukünftige Situation aber nicht geklärt habt, wird ja wohl auch die Versöhnung noch auf sich warten lassen. Deshalb rate ich Dir, Deine Tochter vor diesen Auseinandersetzungen zu schützen.
Zu der Frage mit der räumlichen Trennung: ich habe beobachtet, dass die Kinder nicht unter der räumlichen Trennung selber leiden, sondern deutlich mehr unter den Begleitumständen. Das heißt im Klartext: Deine Tochter wird mit Eurer Trennung genau so gut klarkommen wie Du damit klarkommst, bzw. Dein Mann, wenn sie bei ihm ist.
Deshalb solltest Du nach Möglichkeit mit Deinem Mann genau besprechen, was Ihr Eurer Tochter zu der Trennung sagt, denn Antworten werdet Ihr finden müssen. Und da Deine Tochter noch so klein ist, sollten die Antworten klar und deutlich zu verstehen sein und weitestgehend für die Kleine unbelastend. Das heißt, Du mußt Deine Trauer über die Trennung von ihr weitestmöglich fernhalten, weil sie noch zu klein ist, um sie mit Dir gemeinsam zu durchleben. Wenn Du verzweifelst, wird es auch für die Kleine schwer. Aber ich würde trotzdem ehrlich sagen, was die Tatsachen sind. Wenn sie z.B. nach ihrem Papa fragt, könntest Du also antworten: Der Papa kommt am Samstag wieder. Dafür mußt Du noch soundso oft schlafen.
Manchmal ist es sinnvoll, dass die Eltern gemeinsam zu einem Familientherapeuten zu gehen. Die können nicht nur helfen, eine Beziehung wieder zu mobilisieren, sondern eben auch, wie man die gemeinsame Verantwortung für das Kind weiter trägt, wenn die Trennung endgültig ist.
Wenn Eure Tochter das gut überstehen soll, müßt Ihr ein Leben lang ein Team für sie bleiben. Ich meine damit, dass Ihr in grundlegenden Erziehungsfragen übereinstimmen solltet und den jeweils anderen nicht schlecht macht dürft. Das fängt meiner Meinung nach eben schon bei den negativen Gefühlen an.
Es gibt zu diesem Thema auch gute Literatur!
Ich hoffe, ich konnte ein bisschen helfen.
Alles Gute für Euch!
Mitglied inaktiv - 04.12.2003, 09:42