Frage: "Tischmanieren"

Hallo, Dr. Posth, auch wenn ich hier die Gegenfrage "Sonst noch irgendwelche Probleme?" riskiere: Mir wäre es einigermaßen wichtig, dass meine Tochter (15 Monate) halbwegs "gutes Benehmen" bei Tisch lernt. Selbstverständlich erwarte ich das jetzt noch nicht - sie darf (fast) alles in die Hand nehmen und soll ja auch wissen, wie sich das anfühlt und riecht... Die meisten Kinder in meiner Umgebung zappeln enorm viel 'rum, springen vom Tisch auf, wann es ihnen passt, essen nur die Wurst vom Brot und lassen alles andere liegen - manche setzen sich noch nicht mal an einen Tisch, sondern futtern eben die Milchschnitte oder die Tüte Pommes aus der Hand - in diesen Fällen wird's wohl leider nicht besser vorgelebt. Ich habe aber auch schon beobachtet, dass manche Eltern einfach aufgegeben haben und froh sind, wenn sie selbst in Ruhe essen können. Meine Frage: kann ich u.U jetzt schon irgendwelche "Weichen" stellen und von meiner Tochter erwarten, dass sie beim Essen nicht ständig versucht, aus dem Stuhl herauszuklettern oder sonst irgendwelche Faxen zu machen? Oder kann ich ihr jetzt ihren Willen lassen und später damit anfangen, "erzieherische Massnahmen" einzuführen? Hmm - ich merke selbst, dass ich da eine ziemlich schwammige Wischiwaschi-Frage stelle, aber vielleicht gibt's ja andere Mütter, die da mehr Erfahrung und einen Tipp für mich haben... Vielen Dank!

Mitglied inaktiv - 22.07.2003, 15:12



Antwort auf: "Tischmanieren"

Liebe Regina, Essen hat am Anfang für das Kind viel mit Spiel zu tun, da die Kinder durch Spiel auch lernen. Also wird man am Anfang möglichst wenig reglementieren. Etwa mit 2 Jahren wird Essen dann mehr und mehr zu einem gesellschaftlichen Ereignis, bei dem gleichzeitig eine wichtige Kommunikation stattfindet. Wie oft sieht sich die Familie sonst am Tag? Also sollte man jetzt langsam anfangen, gewisse Regeln am Tisch durchzusetzen. Das beinhaltet aber am wenigsten die gebräuchlichste Regel, nämlich unbedingt aufzuessen. Kinder überschätzen Ihren Appetit noch völlig. außerdem richten sie sich erst einmal nach den Portionen der Eltern! Daß die Mengen nicht stimmen können leuchtet wohl ein, oder? Die zweite zunächst entbehrliche Grundregel ist das Sitzenbleiben, bis alle aufgegessen haben. Dadurch wird das Essen seiner Funktion entkleidet und zu einer Zwangsveranstaltung degradiert. Höflichkeitsformen verstehen aber Kleinkinder noch überhaupt nicht. Was Sie erreichen, ist Unlust auf gemeinsame Mahlzeiten. Sie erreichen letztlich also das Gegenteil vom dem, was Sie wollen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 24.07.2003



Antwort auf: "Tischmanieren"

Ich finde Deine Frage sehr berechtigt, wir hatten sie uns auch gestellt und machen es nun so: Essen ist bei uns ein "ritueller Vorgang" , wir essen immer zu den gleichen Zeiten am "Familientisch". Unser Sohn ist seit er 12 Monate alt ist mit dabei, hat seinen Platz, bekommt das gleiche Geschirr wie wir, die gleichen Becher... Das mag sich jetzt lächerlich anhören, aber das finde ich wichtig, daß er sogar an den äußeren Umstände sehen kann, daß er "voll dazu gehört". Vorher sage ich ihm z.B. "Mama hat leckere Nudeln gekocht, schau mal" oder "Gleich geht´s los mit Essen" o.ä. So ist das etw., worauf er sich freuen kann; das zeigt er mittlerweile auch deutlich... Wenn er dann nach einiger Zeit am Tisch anfängt, mit dem Essen zu spielen (=kein Hunger mehr), räume ich seinen Teller einfach mit dem Kommentar weg: "Ok, dann bist Du fertig mit Essen!" Meist steht er dann auch schon auf, d.h. zum Herausklettern u.ä. kommt es dann nicht mehr. Da wir das immer so machen, akzeptiert er das auch. Es gibt auch kein Geschrei,wenn wir noch in Ruhe zuende essen, denn er kennt den Ablauf ja. Ich denke, man sollte eine Regelmäßigkeit und "Tischkultur" einfach vorleben. Die Kleinen ahmen ja alles nach, d.h. wenn Du selbst schnell im Stehen etw. ißt, haben sie ja kein Vorbild. Besteck liegt immer für ihn dabei, manchmal nimmt er es, manchmal auch nicht. Ich habe auch schon mal selbst einen Löffel (statt Messer und Gabel) genommen, um ihm zu zeigen, wie das funktioniert. Ich meine, man kann einfach abwarten, eine entspannte Atmosphäre schaffen und abwarten, daß es irgendwann abfärbt. Unser Sohn ist nun 21 Mon.. Ich kann zwar nicht sagen, daß er tolle "Tischmanieren" hat, aber er kennt die Regeln und imitiert immer mehr. Ich hoffe, das geht auf, denn bes. Großeltern können es ja so gar nicht verstehen, daß wir "nichts" unternehmen, um ihm "Einhalt zu gebieten". Aber ich meine, durch Rumerziehen zerstört man den Spaß am Essen. LG Hanna

Mitglied inaktiv - 22.07.2003, 20:28



Antwort auf: "Tischmanieren"

Hallo Hanna, mir hat Dein Text sehr gefallen. Ich frage mich auch, wie wir die Essenszeit am angenehmsten für alle Beteiligten gestalten können, zumal das Benehmen meiner Tochter (16 Mo) am Tisch schwer zu ertragen ist. Ich wollte Dich noch fragen, ob Du Dein Sohn noch überhaupt fütterst und ob er ein guter Esser ist. Gruß, Nicole

Mitglied inaktiv - 22.07.2003, 23:05



Antwort auf: "Tischmanieren"

Hallo Nicole, nee, leider wollte er sich ab 11 Mon. nicht mehr füttern lassen, und so mußten wir uns mit Fingerfood über die Runden bringen. Je nach Entwicklungsphase (neue Fähigkeiten =weniger Appetit, Längenwachstumsschub = größerer Appetit) ißt er eigentlich ganz gut. Wenn´s ihm gut schmeckt, kann er richtig zuschlagen (gestern einen ganzen Blaubeerpfannkuchen *fg*), aber genausogut hat er mal weniger Appetit (wie wir Großen ja auch) LG Hanna

Mitglied inaktiv - 22.07.2003, 23:41



Antwort auf: "Tischmanieren"

Hallo Regina ! Deine Fragestellung interessierte mich auch, ist also überhaupt kein "Wischiwaschi" ! :-) Unsere Tochter ist 16 Monate und ein meist lieber Wildfang ! ;-) Mittlerweile ist sie soweit, dass sie auch aus ihrem Hochstuhl in die Höhe geht und wir sie schnell herausnehmen, bevor sie es selbst versucht, wenn sie satt ist ! Immerhin funktioniert es, dass sie während des Essens dort sitzt, wenn auch manchmal nicht lang. Wir versuchen auch ihr kein Essen mehr zu geben, wenn sie nicht mehr im Stuhl sitzt, damit sie es immer mehr und besser verstehen lernt. Unser Kinderarzt meinte selbst schon bei der U6, dass man da konsequent sein kann und ihr gewisse "Tischmanieren" schon geben darf und sollte ! Dass sie vielleicht an einem Tag nur Appetit auf die Wurst hat und das Brot verschmäht o.ä. passiert. Dafür hat sie noch kein Verständnis, sich da korrekter zu verhalten ! Aber wenn man "GENERELL seine Ruhe haben möchte", ist das keine bsp.hafte Erziehung, von der am allerwenigsten die Kinder etwas haben ! Gruss, Heike :-)

Mitglied inaktiv - 25.07.2003, 21:16