Lieber Dr. Posth!
Unser Sohn(32 Mo)hat einen sehr starken Willen und macht oft das Gegenteil von dem was wir sagen. ZB wirft er seine Haube beim Spazierengehen weg. Nach Endlosdiskussionen warum eine Haube wichtig ist, holt sie sein Bruder oder sonstwer (die Liste ist lang).
Er wurde nie fremdbetreut, nie weinen gelassen, Familienbett, engagierter Vater, sehr liberales Elternhaus.
Eine befreundete Kindertherapeutin riet uns mehr Grenzen zu setzen und zu schauen, dass diese eingehalten werden, auch gegen den Willen des Kindes. Bei Nichteinhalten sollten wir "passiven Widerstand" (wie in Gandhi vorlebte)ausüben: warten bis er seine Haube geholt hat, auch wenn es eine Stunde dauert und erst loben, wenn er die Haube tatsächlich geholt hat etc. Sonst hätten wir in einigen Jahren ein Kind, dass macht was es will und wo wir kaum mehr Handhabe haben (zB Schulverweigerung).
Was sollen wir tun und wie sollen wir uns verhalten?
von
eileen1982
am 09.06.2014, 10:08
Antwort auf:
starker Wille
Hallo, das klingt ein bisschen unrealistisch, was die Kindertherapeutin da empfielt, und Ghandi dafür zu bemühen halte ich auch sehr weit hergeholt. Es geht hier primär um Kindererziehung und nicht um Menschenerziehung. Denn was wir für erstere wissen müssen, speist sich aus der Psychologie des Kindes und nicht aus wirtschaftspolitischen und sozialen Lebenbedingungen. Grenzen setzen ist ein modisches Schlagwort, das dem autoritären Erziehungsstil ein neues Image verpassen möchte.
Was aber auch im Bindungskonzept vorgesehen ist, ist die Erstellung von Regeln. Regeln dienen dazu, dem Kind die Orientierung in der unüberschaubaren Welt mit all ihren Gefahren und Fallstricken zu ermöglichen. Grundsätzlich lieben also Kinder Regeln wie sie ja auch Gewohnheiten und Rituale gerne angenommen haben. Nun sind sie aber ein Stück älter geworden und haben schon ihren eigenen Kopf entwickelt. Und diesen Kopf möchten sie gerne durchsetzen, auch gegen die Anweisungen ihrer Eltern. Hierbei geht es um Bestimmungsmacht und der Zugewinn dieser Macht bei sich stärk das Selbstbewusstsein. Daher sind die Kinder so um diese Macht bemüht.
Regeln heißt das gemeinsame Erarbeiten von dem, was erlaubt ist und was nicht. In diesem kindgerechten Gespräch werden den Regeln Konsequenzen an die Seite gestellt, wenn die Regel durchbrochen wird. Diese sollten sich möglichst logisch aus der Übertretung ergeben. Will das Kind also beim Spaziergang an einem heißen Sonnentag nicht seine Mütze aufsetzen oder reißt sie sich immer vom Kopf, muss man leider nach Hause gehen. Der Ausflug ist beendet. Ein "passiver Widerstand" der Eltern würde vom Kind nicht verstanden und führte zu nichts. Auf die Schulverweigerung als böse Konsequenz nicht überzeugenden Elternverhaltens zu verweisen, ist unnütz, denn unter gesunden Entwicklungsbedingungen verweigert kein Kind die Schule. Eigentlich möchte ein Kind seine Eltern folgen und sich deren Meinung zueigen machen. Aber das geht nur, wenn diese Eltern positiv bei sich selbst vertreten werden können, also das Elternbild positiv besetzt ist. Und das funktioniert nur, wenn diese Eltern überzeugend sind und dabei gerecht. Dann werden die Eltern als Vorbild akzeptiert, dass sie dann im guten Sinne auch sein müssen. Viele Grüße PS. s. gezielter Suchlauf Regelkonzept und Grenzsetzung
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 11.06.2014