Hallo Herr Dr. Posth,
mein Sohn, 15 Monate, hat einen sehr starken Willen, den er auch gerne lautstark demonstriert. Wenn er etwas möchte, es aber nicht darf, oder etwas nicht so klappt wie er will, dann brüllt, schreit, kreischt er und wirft den Kopf wie wild hin und her. Er ist dann kaum zu beruhigen. Ich versuche ihm dann zu erklären, was und warum er es nicht darf und biete ihm eine Alternative, bzw. zeige ihm wie er eine Lösung finden kann. Dann wird er etwas ruhiger.
Woher kommt diese Wut und starke Frustration? Ist das Charaktersache oder haben wir zu Beginn etwas falsch gemacht? Er war 6 Monate ein Schreibaby und wir haben ihn viel getragen etc. Auch heute machen wir das (oder Einschlafstillen) noch zum Einschlafen, da er sich im Liegen nicht selbst beruhigen kann. Er ist also allgemein ein sehr lebhaftes und teilweise unruhiges Kind. Erst recht wenn er müde wird. Wie kann ich ihm helfen mit Frustration umzugehen, was kann ich ändern und wie verhalte ich mich richtig?
Danke
Mitglied inaktiv - 01.02.2010, 10:13
Antwort auf:
Starker Wille
Stichwort: emotionale Integration/Selbstkonzept
Hallo, zunächst einmal erkläre ich immer, dass dieser "starke" Wille kein starker Wille ist, sondern ein noch starker Drang. Das klingt paradox, ist aber leicht zu verstehen, wenn man die emotionale Entwicklung versteht. Der Säugling erfährt über Zuwendung und prompte Bedürfnisbefriedigung eine deutliche Minimierung seiner Urangst. Das Schwinden dieser Angst macht aber den Weg frei zur Entfaltung seines persönlichen Willens. Angst lähmt bekanntlich den Willen. Angstfreiheit macht den Menschen stark.
Aber der Wille muss reifen und zwar auf seinen Grundlagen als dem unbezwingbaren Drang. So hat es die Natur im Menschen eingerichtet. Je weniger Urangst im Kind bestehen bleibt, desto stärker wird sein "freier Wille". Und je willenstärker das Kleinkind dann geworden ist, desto besser kann es seinen Drang unter Kontrolle bekommen. Besonders "halsstarrige" Kind sind also Kinder mit schwachem Willen und starkem Drang. Besonders umgängliche und verständige Kinder sind Kinder mit strakem Willen und schwachem Drang.
Schreibabys haben schlechte Voraussetzungen zur Minimierung von Urangst und verbleiben praktisch immer sehr im Stadium des Drangs. Das passiert auch, wenn die Eltern sich viel Mühe gegeben haben, ihren Schreier zu beruhigen. Das schwierige Tempermanet dieser Kinder legt immer wieder Steine in den Weg zur emotionalen Integration (der Vorgang, denn ich gerade beschrieben habe). Aber es lohnt sich trotzdem ganz stark, diesen Kinder mit einem hohen Zuwendungsangebot zu helfen. Ihre Gefahr zu späterem gestörten Sozialverhalten nimmt eindeutig ab. So hilft es ihnen auch, wenn sie im Stadium des Widerstands, in das jetzt Ihr Sohn kommt, mit liebevoller Konsequenz bei ihren Eltern vertraut gemacht werden. Strenges Grenzen setzen ist für diese Kinder (entgegen vordergründiger Psychologie) kontraindiziert. Nur frühzeitige sinnvolle und verständliche Regeln helfen diesen Kindern, sich aus ihren innneren Unruhezuständen und von ihren impulsiven Entladungen zu befreien. Viele Grüße und danke für Ihr Lob
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 05.02.2010