Lieber Dr. Posth,mich würde interessieren,inwieweit man ein Kind (in meinem Fall ein 12 Wochen alter Säugling) auch mal sich selbst überlassen sollte.Nachdem natürlich all seine Bedürfnisse gestillt sind.Eine Freundin mit einem fast dreijährigen Sohn meinte vor kurzem zu mir,dass sie ihm im Grunde immer die volle Aufmerksamkeit geschenkt und ihn immer bespielt und beschäftigt hätte.Nun kann er sich heute gar nicht mehr selbst beschäftigen und auch nicht akzeptieren,dass sie ihre Aufmerksamkeit mal auf einen anderen Menschen lenkt (bsp. im Gespräch).Er übertönt dann einfach das Gespräch oder fasst der Mutter sogar ins Gesicht,um es in seine Richtung zu lenken.Das gab mir etwas zu denken,da ich mich in ihrem Verhalten wiedererkenne.Ich bin das erste Mal Mutter geworden und möchte natürlich,dass es meinem Kleinen an nichts fehlt, auch nicht an Aufmerksamkeit.Aber ist es zu viel?Sollte ich ihn auch mal (unter Aufsicht und ohne schlechtes Gewissen) sich selbst überlassen?Lieben Dank! Angel
Mitglied inaktiv - 01.12.2008, 04:19
Antwort auf:
Sich selbst überlassen?
Hallo, das kommt darauf an, was Sie unter "sich selbst überlassen" verstehen. Zunächst benötigt Ihr Kind als Säugling Ihre Aufsicht rund um die Uhr. Sie können diese Aufsicht an zuverlässige Personen delegieren, wobei neben dem Vater Personen aus der Familie infrage kommen. Dabei ist zu beachten, dass je älter der Säugling wird und je besser er die Personen auseinanderhalten kann, er Vertrauen zu dieser Person hat und nicht fremdelt. Es ist für Sie und alle "ersten Mütter" eine völlig neue Erfahrung einen kleinen Menschen den ganzen Tag um sich herum zu haben und für ihn voll verantwortlich zu sein. Das wird einem ja erst so richtig klar, wenn das Kind da ist. Aber in kürzester Zeit stellt sich heraus, dass die damit verbunden Einschränkung eine unglaubliche Bereicherung im Leben ist.
Die Bindung an den kleinen Säugling bedeutet aber nicht, dass man ununterbrochen auf das Kind einwirken muss und ihm ständig irgendetwas vorspielen. Es gibt einige wichtige Signale beim Säugling, die der Mutter oder dem Vater zeigen, dass er auch einmal sein Ruhe haben möchte und einfach nur da sein will und sich mit sich selbst beschäftigen. Das ist wichtig für die Organisation seiner Lebensrhythmen und ersten Lernprozesse. Wenn man das beachtet, kommt im Normalfall nie ein Kind dabei heraus, so wie Sie das von dem Kind Ihrer Freundin schildern. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 01.12.2008
