Frage: Sensibles Kind?

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, unsere Tochter Mailin (16 Mon.) ist ein sehr sensibles Kind. Sobald ein anderes Kind weint, weint sie mit. Vor kurzem hat während unserer Mu-Ki-Gruppe eine Mutter mit ihrem Sohn laut geschimpft und sie hat mitgeweint. Auf der Geb.feier meines Neffen (2) hat dieser mit seiner Kusine im Wechsel ausgelassen geschrien und das war ihr dann auch zuviel und sie musste weinen. Bei allen Situationen, die ich jetzt beschrieben habe, verzieht sie ihre Unterlippe zu einer „Schippe“ und fängt dann an herzzereißend zu weinen. Sie muß dann heftig schluchzen, klammert sich ganz doll an mich und wird dann ganz „schwer“. Wenn sie sich wehtut, weint sie ganz anders. Jetzt meine Frage: wie kann ich ihr bei diesen Situationen am besten „helfen“? Ich hab sie bis jetzt immer in meinen Armen „ausweinen“ lassen, aber mehrere Bekannte haben mir geraten, ich solle lieber versuchen, sie abzulenken.

Mitglied inaktiv - 16.01.2006, 14:33



Antwort auf: Sensibles Kind?

Hallo, was Ihre Tochter im Verhalten zeigt, ist eine starke Form der Affektansteckung. Affektansteckung bedeutet, daß ein Säugling oder Kleinkind bis etwas eineinhalb Jahre Emotionen anderer Menschen, hauptsächlich anderer Kinder als ein Überspringen plötzlich bei sich selber fühlt und dann genauso reagiert, obwohl er oder es gar nicht betroffen ist. Das gibt es nicht nur beim Weinen, sondern ebenso auch beim Lachen. Die Affektansteckung ersetzt in der Anfangsphase des Lebens die fehlende Fähigkeit zur Empathie oder Mitleidsfähigkeit. Aber so etwas ähnliches gibt es auch noch im Erwachsenealter z.B. beim Ausbruch von Panik oder bei tranceähnlichen Zuständen. Es fällt nur auf, daß die Fähigkeit zur Affektansteckung bei Ihrer Tochter ziemlich stark ausgeprägt ist, was sie als ein sensibles Geschöpf charakterisiert. Es ist schon richtig so, wie Sie reagieren, wobei der Ablenkung je nach Anlaß nichts entgegensteht. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 20.01.2006