Unsere Tochter ist 2 1/2 Jahre alt, ein aufgestelltes, sehr sensibles Mädchen, wächst in liebevollem Zuhause auf, wird von mir ganztags zu Hause betreut. Auch zu ihrem Papi hat sie ein ganz enges, schönes Verhältnis. Was mir jedoch immer wieder auffällt, sie lässt sich von vielen Kindern alles wegnehmen, setzt sich kaum zur Wehr, und wenn, dann fehlt ihr die nötige Konsequenz, sodass sie schlussendlich nur heulend dasteht. Auch weicht sie sofort zurück, wenn es etwas stürmisch her und zugeht, oder Kinder auf sie zukommen. Wir haben sie bewusst immer stark aufgebaut, immer bestärkt, nie negative Aeusserungen, und bei Tränen liebevoller Trost. Trotzdem scheint dies alles nichts zu nützen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Ich frage mich dann immer wieder, warum haben denn die anderen Kinder, welche von ihren Eltern oftmals nicht so stark aufgebaut werden, viel mehr Kraft und Biss und setzen sich zur Wehr? Habe ich sie vielleicht zu fest "versanftet"?
Mitglied inaktiv - 22.05.2006, 10:34
Antwort auf:
Selbstbewusstsein
Stichwort Veranlagung von Sozialverhaltensweisen
Hallo, neben allem erzieherischen Einfluß und den tatsächlichen Lebensbedingungen, die miterziehend wirken, gibt es natürlich auch noch die Veranlagung eines Menschen. Ganz grob kann man dabei in die offensiven extrovertierten und die defensiven introvertierten Menschen unterscheiden. Ihre Tochter zählt offenbar zu der letzteren Gruppe.
Es stellt sich jetzt immer die Frage, wie "hart" läßt sich ein solches Kind für das Leben machen, bzw. ist es überhaupt wichtig und richtig, es "hart" zu machen. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Als erstes sollte man sich fragen, wie man eigentlich selbst "gestickt" ist, und welche Strategie man selbst in seinem Leben verwirklicht hat, denn nur das kann man seinem Kind auch richtig vermitteln.
Generell läßt sich sagen, daß es keinen Sinn macht, sein Kind zu starker Gegenwehr aufzufordern, die es dann nicht fertig bringt und schließlich versagen läßt. Auch gezielte Einflußnahmen, ein Kind stark zu machen, sind fast immer zum Scheitern verurteilt. Sie erhöhen nur das Versagensmaß und bewirken das Gegenteil von dem, was man damit erreichen will.
Bestimmt ist es aber richtig, seinem Kind nur begrenzt in den Situaionen, in den seine Gegenwehr herausgefordert ist , zu helfen. Also eine gewisse Aufmunterung zum Widerstand und zum Sich-nicht-alles-gefallen-lassen ist für ein solches Kind wichtig und sollte im Erfolgsfall gelobt werden, im Versagensfall aber nicht kritisiert. Auch eigenes Vormachen im Falle von Herausforderungen ist wichtig. Die Imitation der Eltern spielt immer eine gewichtige Rolle.
Insgesamt kommt es aber meines Erachtens darauf an, sein Kind so zu belassen wie es von Natur aus geartet ist und auch so anzunehmen. Dabei verläßt man sich dann darauf, daß auch das Leben selbst erzieht und daß der Anpassungsdruck dem Kind Kraft und Flügel verleiht, die es bisher noch nicht besitzt. Im Übrigen ist 2 1/2 Jahre noch zu früh, um endgültige Beurteilungen abzugeben. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 23.05.2006