Frage: Schwierigkeiten mit Teilen, Zurückgeben (3J.)

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, mein Sohn Lukas (Einzelkind, im März 3 geworden) hat enorme Probleme mit dem Teilen bzw. anderen auch nur kurz und leihweise etwas zu überlassen oder zurückzugeben. Sorry, muss etwas ausholen, damit Sie sich ein Bild machen können; Beispiel: Lukas bekommt Besuch von einem Freund. Noch bevor der Junge da ist, erklärt er mir, dass dieser nicht mit seinen (Lukas’) Sachen spielen darf! Und da wir gerade beim Frühstück sitzen fügt er noch an, dass der Freund auch nichts von seinem Essen abhaben darf (obwohl dieser noch nicht zugegen ist). Andere Situation: Im Sandkasten vereinnahmt Lukas fremde Spielsachen, die er dann nur unter Druck wieder hergeben mag, seine eigenen Sachen sind uninteressant, bis sich ein anderes Kind dafür interessiert. Sind wir zu Besuch bei anderen, möchte Lukas am liebsten alle Sachen an sich reißen, besonders die Dinge, mit denen das andere Kind in dem Augenblick spielt. Was er ergattert, versucht er eisern zu verteidigen, manchmal mit Wegschubsen, selten mit Hauen. Einige seiner Freunde haben sogar schon Angst vor Lukas. Anfangs hieß es von Bekannten „das ist nur eine Phase, das geht vorüber“ doch diese Phase hält nun schon über 1 ½ Jahre an. Ich möchte meinem Sohn helfen, damit er Freunde gewinnt und nicht vergrault. Ich habe es wiederholt mit guten Worten, Erklärungen, Lob bei positiven Anzeichen, Schimpfen, Auszeiten versucht. Bisher hat nichts wirklich geholfen. Dann zog ich die Möglichkeit eines Aufmerksamkeits-Defizits (bei Besuchen von und bei anderen) in Betracht. Aber auch eine Änderung hier brachte keinen Erfolg. Das einzige, was mir noch einfiel, als o. g. Besuch kam, Lukas alleine in sein Zimmer zu schicken, mit der Versicherung, er bräuchte nichts abzugeben, er solle am besten die Türe zumachen – allerdings müsse er dann alleine spielen. Das Endergebnis war, dass die Mutter des anderen Kindes versuchte, zwischen den Kindern zu vermitteln. Das Nebeneinander-Spielen klappte dann so na-ja, solange wir mit im Zimmer waren. Noch zur Person Lukas: Er ist einerseits sehr dickköpfig andererseits ein Sensibelchen (auch Neurodermitiker). Momentan ist er wieder sehr auf mich fixiert. Er kann sich seinem Alter gemäß kurze Zeit selbst beschäftigen, sein Lieblingsspielpartner bin leider ich – obwohl ich mich hier sehr zurückhalte. Die Aussicht im September in einen Kindergarten zu gehen, weckt nicht gerade Freude bei ihm. Er ist (lt. Kinderärztin) besonders sprachlich seinem Alter voraus. Er spricht in ganzen Sätzen, auch schwere Worte sind kein Problem. Seine Denk- und Sprechweise bringt uns oft zum Staunen, so dass wir uns in anderen Situationen immer wieder vor Augen halten müssen, dass er doch gerade erst 3 Jahre alt ist (nicht zu viel erwarten). Auf der anderen Seite z.B. weigert er sich strikt, von seiner Windel abzulassen und auf Toilette zu gehen. Auf die Frage warum? erklärt er, dass er eben nicht will. Mittlerweile bin ich mit meinem ABC am Ende und ich mache mir allmählich ernsthafte Sorgen. Für eine Erklärung oder einen hilfreichen Vorschlag wäre ich Ihnen sehr dankbar. Gruß Ute H.

Mitglied inaktiv - 11.04.2003, 01:18



Antwort auf: Schwierigkeiten mit Teilen, Zurückgeben (3J.)

Liebe Ute, Teilen können, also altruistisches Gedankengut ist Kindern dieses Alters ziemlich fremd. Nur wir Erwachsenen besitzen solche Ideale. Für das Kleinkind ist der Gegenstand, den er sein eigen nennen darf, Teil seines Selbst, sein "Attribut". Das jedenfalls ist meine Auffassung. Die Selbstattributierung verstärkt das Selbstgefühl und Selbstbewußtsein. Daher dieses enorme Beharren auf allem, was "meins ist". Dabei muß man verstehen, daß fremd und eigen noch nicht sicher differenziert werden. D.h. jeder Gegenstand, der ein anderes Kind zu attributieren scheint, ist auch sofort von eigenem Interesse. Umgekehrt ist der achtlos liegengelassene, eigene Gegenstand sofort wieder von Interesse, wenn ein anderes Kind sich seiner bemächtigen will. Folglich muß ein Kind "seinen" Gegenstand als sein Attribut nämlich verteidigen dürfen. Eingreifen sollte man dann, wenn sich der Machtanspruch auch auf fremdes Eigentum ausdehnt. Dann muß man korrigierend eingreifen, und wenn das eigene Kind dann wütend ist, muß es damit umgehen lernen. Man kann ihm ja die Verhältnisse erklären und es trösten. In diesem Alter werden also schon ganz wesentliche Dinge des Lebens eingeübt. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 13.04.2003



Antwort auf: Schwierigkeiten mit Teilen, Zurückgeben (3J.)

Hallo Ute! Also vermutlich kann ich dir nicht wirklich helfen, aber ich schilder dir mal wie es bei uns gelaufen ist: Also meine Zwillis (14 Monate) sind relativ unkompliziert, wenn ihnen was weggenommen wird (tun sie ja auch untereinander) wird sich einfach was anderes gesucht bzw. kurz drum gekämpft. Der Sohn von meiner Nachbarin (2 Jahre) ist mit seinem Spielzeug auch immer sehr "eigen". Er versucht alles in Sicherheit zu bringen und zu "retten". Meine Nachbarin und ich haben da auch kein großes Aufsehen draus gemacht, woher sollte der Junge auch schon wissen, dass die anderen auch nur spielen wollen und sich nicht seine Sachen "einstecken"? Also gut, nach 2-3 Nachmittagen war der Junge völlig fertig, weil es natürlich extrem anstrengend ist, beide Kinder unter Kontrolle zu halten und aufzupassen, dass sie nicht zu viel Spass haben. Irgendwann hat er einfach "aufgegeben" und mittlerweile klappt es wirklich ohne Probleme. Was ich dir damit eigentlich sagen will, vielleicht hilft es euch ja auch, wenn ihr möglichst 2-3 "tolerantere" Kinder zur Verfügung habt, die dann öfter mal vorbei kommen und er merkt, dass Teilen nichts Schlimmes ist? Oder ihr versucht mal möglichst was ohne Spielzeug zu unternehmen, wie Zoobesuche oder Schwimmen gehen mit anderen Kindern? Es klingt fast so als wenn einfach nur die Übung im Umgang mit anderen fehlt? Und macht euch nicht verrückt, die Kinder müssen auch mal was untereinander klären (so lang es nicht zu "Handgreiflichkeiten" kommt). LG Nina

Mitglied inaktiv - 13.04.2003, 08:54



Antwort auf: Schwierigkeiten mit Teilen, Zurückgeben (3J.)

Hallo, bei uns (meine Süsse ist 2) hat geholfen, dass ich vorher mit ihr gesprochen habe. Sie freut sich immer sehr auf Besuch und ich hab mit ihr besprochen, dass es den anderen Kindern natürlich nicht so viel Spass macht, wenn sie mit nix spielen dürfen. dann hab ich ihr mehrfach erklärt, dass die Kinder ihre Sachen nur borgen wollen, dass ALLES hierbleibt und dass ich ganz genau aufpasse, dass niemand was mitnimmt (das hat sie sichtlich entspannt). Ausserdem haben wir es in der schlimmsten Phase so gehandhabt, dass die Kinder ein bisschen Spielzeug zum Tauschen mitgebracht haben, möglichst attraktive Sachen, die sie selber nicht hat. Das hat sehr geholfen! Aber die anderen Mütter und ich halten es auch so, dass es in Ordnung ist, wenn das Kind sein absolutes Lieblingsspielzeug nicht teilen möchte. Meistens suche ich dann etwas zum Tauschen, ich habe nämlcih die Erfahrung gemacht, dass die Kinder damit oft überfordert sind und es mehr uns zuliebe machen, was ja auch nicht Sinn der Sache ist. Bei uns ist es dadurch viel besser geworden. Unsere Tochter spricht und versteht auch sehr gut, ich finde das macht es viel leichter in solchen Situationen. Viel Glück Chr.

Mitglied inaktiv - 13.04.2003, 09:57



Antwort auf: Schwierigkeiten mit Teilen, Zurückgeben (3J.)

... das ist ja sicher sachlich völlig richtig - aber ein bisschen praxisfern, finde ich. Da bliebe ja nur, die Kinder zu isolieren, bis sie das können. Das wäre meiner Tochter aber auch nicht recht gewesen, dafür ist sie viel zu gerne mit anderen Kindern zusammen. Ich denke, dass es wichtig ist, nicht mit den Kindern zu schimpfen, möglichst keinen Druck auszuüben und sich vor allem besusst zu machen, dass es völlig normal ist. Ich erlebe zum Beispiel immer wieder, dass Mütter total mit ihren Kindern meckern, wenn sie nicht teilen wollen - das finde ich blöd und wenig hilfreich für die Kinder. Ich glaube, man kann aber schon Wege versuchen, um ihnen zu ermöglichen, diese Phase zu durchstehen und nicht dabei völlig einsam zu sein. Liebe Grüsse, Lotta

Mitglied inaktiv - 14.04.2003, 20:27



Antwort auf: Schwierigkeiten mit Teilen, Zurückgeben (3J.)

Hallo Lotta, Ich habe es nicht so verstanden, daß er empfiehlt, die Kinder für die Dauer dieser Phase zu isolieren! Der Sinn dieses Forums ist doch zudem, die entwicklungspsycholog. Hintergründe kennenzulernen. Bei der Erziehung kannst Du Dich ja an den entwicklungspsycholog. Aspekten orientieren, dann verstehst Du die Psyche Deines Kindes in den unterschiedlichen Entwicklungsstufen, stellst Dich auf diese ein und hilfst Deinem Kind, zu Selbständigkeit etc. zu gelangen. Oder aber Du orientierst Dich lieber an der Pädagogik, dann bekommst Du konkrete Antworten auf konkrete Situationen wie z.B. im Forum von Frau Schuster. Das letztere soll aber hier, wie Du kritisiert hast, gar nicht geleistet werden. Liebe Grüße Regina

Mitglied inaktiv - 14.04.2003, 23:00



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