Sehr geehrter Dr. Posth, es geht um meine Tochter (14 Mon). Sie ist schon immer sehr unruhig und leicht reizbar. Sie wirkte oft unzufrieden und weint viel. In letzter Zeit macht sie recht lautstark deutlich, wenn sie etwas nicht will oder wenn was nich schnell genug geht. Ich habe ihr Buch gelesen und weiß dass das erste Willensäußerungen sind. Nun ist es in den letzten Tagen sehr extrem geworden. Sie schreit bei jeder Kleinigkeit, teilweise extrem, macht sich steif. Wir versuchen ihre Bedürfnisse immer gleich zu erfüllen, sind uns aber unsicher ob und wie wir so langsam mit ersten Erziehungsschritten beginnen sollten. Ich mach mir auch Sorgen um ihre Bindung zu uns. Heißt dass, das sie nicht sicher gebunden ist? Sie hat zur Zeit tagsüber auch fast die ganze Zeit den Schnuller im Mund und will ihn auch nicht hergeben. Ist das in ihrem Alter noch ok? Wenn man den Schnuller abgewöhnen will, ist es dann besser ihn schrittweise abzugewöhnen oder ihn gleich gar nicht mehr zu geben?
von
didi29
am 11.04.2011, 08:20
Antwort auf:
Schnuller Ja/ Nein
Stichworet: erster Wille
Hallo, das mit der ersten Willensäußerungen stimmt und diese Willensäußerungen sind inhaltlich noch nicht so ausgestaltet, wie bei uns Erwachsenen. Es handelt sich um den erste klaren Ich-bezogenen Willen bei einer noch nicht eindeutigen Ich-haftigkeit. Außerdem hat das Kind praktisch noch keinen Plan. Das bedeutet, dass das Kind besonders von der Hauptbezugperson in deren Dyade es noch lebt (Vorstellung von einer untrennbar gemeinsamen Existenz) sofortiges Verständnis erwartet. Daher die Wutanfälle, wenn sich diese Erwartung nicht bewahrheitet.
Aber deswegen muss man seinem Kind nicht jeden Wunsch gleich von den Augen ablesen. Das geht ja gar nicht und der Frust, der dann beim Kind entsteht, muss sich abreagieren können. Nur, und das ist das Entscheidende, es wäre ein großer Fehler, hierin schon eine Chance einer Erziehung zur Vernunft zu sehen. Das ginge weit an der Wirklichkeit vorbei, ist aber gebräuchliches Denken.
Also die Dynamik, die auf diese Weise entsteht, und die weder durch Folgsamkeit des Kindes noch durch Folgsamkeit der Eltern aus der Welt zu schaffen ist, braucht die Natur, um das Ergebnis auszuformen, das am Ende steht, der beherrschte "freie" Wille (der nie ganz frei ist). Denn ein gewisser Drang bleibt immer im Willen drin und kann nur durch energische Verneinung unterdrückt werden.
Der Schnuller hilft dem Kind, den unausweichlichen Frust besser auszuhalten. Es ist erlaubt, dass ein Kind dieses besondere Übergangsobjekt -später mit Regeln- bis zum 4. Geburtstag behalten darf. Sie haben also noch Zeit. Viele Grüße
PS. s.a. Stichwort "erste Erziehungsschritte" im gezielten Suchlauf
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 13.04.2011