Hallo Dr. Posth,
Sie haben schon oft zum Thema Angst/Furcht Fragen beantwortet und mit Hilfe der Suchfunktion habe ich dazu auch einiges gefunden. Dennoch möchte ich meine Frage an Sie direkt richten.
Mein Sohn Paul ist 2,5 Jahre alt und prinzipiell ein selbstbewusster und aufgeschlossener Junge. Er hat Fremden gegenüber bisher einen, wie ich finde, gesunden Respekt gewahrt und sich Zeit genommen, mit ihnen "warm" zu werden. Neuerdings jedoch fremdelt er verstärkt und das nicht nur bei gänzlich fremden Menschen, sondern auch bei denen, die wir recht selten sehen. Er ist sehr scheu, weicht mir nicht von der Seite, spielt nicht etc. Im Kindergarten, den er seit seinem 15. Lebensmonat besucht, ist er in der Gruppe sehr selbstbewusst und zielstrebig und auch zu Hause weiß er sich zu behaupten. Zu diesem erneuten Fremdeln, was ich aus entwicklungpsychologischer Sicht in seinem Alter recht natürlich finde, kommt seit Kurzem eine fast panische Angst vor Tieren. Dazu gehören Hunde, vor denen er mächtig Respekt hat und neuerdings auch Insekten. Er fängt fürchterlich an zu weinen und klammert sich sofort an mein Bein sobald sich ihm nur eine Fliege/Schmetterling/Hummel/Marienkäfer etc. nähert. Mir ist kein unangenehmes Erlebnis mit einem Insekt in Erinnerung, so dass ich nicht glaube, dass er in irgendeiner Weise schlechte Erfahung gemacht hat. Wie kann es zu einer solchen Angst kommen?
Ich würde mich über ein paar Tipps bzw. Erklärungsansätze zum erneuten Fremdeln und der plötzlichen Angst vor Tieren freuen.
Herzliche Grüße und herzlichen Dank für Ihre i9mmer sehr kompetenten und gut verständlichen Antworten!!!
Henriette
Mitglied inaktiv - 23.04.2003, 13:18
Antwort auf:
plötzliche Scheu
Liebe Henriette, wenn ein Zweieinhalbjähriger plötzlich wieder Fremdelerscheinungen zeigt, liegt eigentlich immer ein äußerer Anlaß vor, der das Kind in den "seelischen Rückzug", die Regression führt. Der Anlaß kann für Sie als Mutter so unbedeutend erscheinen, daß Sie ihn nicht wahrnehmen oder wahrgenommen haben. Insofern erscheint das Verhalten dann unverständlich. Offenbar gleichzeitig tauchen jetzt aber auch die kleinkindtypischen Realängste auf, die wir als Furcht bezeichnen. Insofern mischen sich zwei Dinge.
Die Furcht, resp. Realangst löst man am besten "verhaltenstherapeutisch" auf, indem man mit dem Kind zusammen oder zunächst als Erwachsener allein sich dem Tier, etc. nähert und demonstriert, daß man gar keine Angst vor ihm zu haben braucht. Schrittweise, bzw. Sitzung für Sitzung geht man dann mit dem Kind auf den angstbesetzten Gegenstand zu, bis man ihn ohne Abwehrreaktion seitens des Kindes erreichen kann. Das kann an einem Tag gelingen, das kann auch mehrere Tage dauern. Man geht immer nur so weit, wie es das Kind gerade noch aushalten kann. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 25.04.2003
Antwort auf:
plötzliche Scheu
Hallo Dr. Posth,
vielen Dank für Ihre Antwort, die ich nachvollziehen kann, bezüglich des erneuten Fremdelns aber doch irgendwie besorgniserregend finde. Muss ich mir nun um die seelische Gesundheit meines Sohnes Sorgen machen, bzw. was kann ich tun, damit er diesen seelischen Rückzug überwindet?
Nochmals herzlichen Dank sagt
Henriette
Mitglied inaktiv - 25.04.2003, 21:06
Antwort auf:
plötzliche Scheu
Liebe Henriette, es ist bei Unkenntnis der tatsächlichen Dinge und Geschehnisse für mich unmöglich konkrete Ratschläge zu geben. Ich kann nur aufs Geratewohl dazu etwas sagen. Wie Sie mit den aufkommenden Realängsten umgehen können, habe ich Ihnen ja bereits geschrieben. Es macht auch Sinn, das zu tun, denn das in solchen Fällen ja ängstlich veranlagte Kind erlebt dabei, daß seine Empfindungen ernst genommen werden und es nicht damit allein ist und daß es Möglichkeiten gibt, solche Ängste zu überwinden.
Mit dem regressiven Fremdeln ist es etwas anderes. Da müssen Sie versuchen herauszufinden, was diesen seelischen Rückzug veranlassen könnte. Das kann natürlich sehr schwierig sein, da er es selbst nicht benennen kann. Aber eine solche regressive Phase kann auch die natürliche Form einer Verarbeitung sein, und wenn Sie hierbei sich zuwendungsintensiv und einfühlsam verhalten, dann wird die Verarbeitung auch erfolgreich sein. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 26.04.2003