Frage: Nochmal: Früher Fremdbetreuung - Forschung

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Nach Lektüre von "Die dunkle Seite der Kindheit" in der FAz, (ähnliche Richtung) und einer daraus entbrannten heftigen Diskussion in einem sonst kinderorientierten Forum drängen sich mir noch Fragen auf: 1. Es gibt sie ja, diese wenigen kritischen Stimmen zur Fremdbetreuung- aber warum sind sie wenn die Fakten so sind so leise? Und weshalb sind es so wenige? Es müsste doch genügend unabhängige Entwicklungspsychologen o.Ä. geben? 2. Die Ergebnisse d. NHICD-Studie werden regelm. von Befürwortern und Kritikern früher Krippenbetreuung angeführt - was sagen sie denn nun faktisch wirklich aus? Ist die Situation mit der in D. vergleichbar? 3. Viele Eltern sagen ihre Kinder würden gerne in die Krippe gehen, wollten dort nicht weg, hätten Spass - Ausnahmen? So gute Anpassung? Danke! Ich finde es absolut lobenswert, wie sehr Sie sich uneigennützig für die "Seite der Kinder" stark machen!

von Kunderella am 23.04.2012, 08:27



Antwort auf: Nochmal: Früher Fremdbetreuung - Forschung

Hallo, es gibt eine starke politische Meinungsmache, die jede Kritik an der frühen Fremdbetreuung im Moment mundtot machen will. Interessanterweise beteligen sich an dieser Meinungsmache ganz viele Menschen, die überhaupt nichts von Kindern und insbesondere von früher Kindheit verstehen. Sie sehen nur das sozialpolitische Ziel unserer spätkapitalistischen Marktwirtschaft und ordnen die Kinder dem unter. Psychologische Kriterien sind ihnen fremd, oder sie wollen nichts davon wissen, und Risiken werden leichthin ausgeblendet. Die einstigen Errungenschaften von der Entdeckung der Kindheit sind dahin und werden, falls jemand davon wieder anfängt, unter den Tisch geredet. Sich in diesem politischen Klima mit den Politikern und ihren Zuträgern aus der anpassungswilligen Wissenschaft auseinanderzusetzen, ist unerfreulich. Daher melden sich so wenige Stimmen aus der Kinderpsychologie zu Wort. Das jedenfalls ist meine Meinung dazu. Denken Sie nur an die Wortschöpfung "Herdprämie". Diffamierender geht es doch kaum. Hier wird die FB-kritische und emotional prokindliche Haltung mit der ungerechtfertigen Vorteilsnahme einer selbstnützigen und damit unsozialen Gesellschaftschicht gleichgesetzt (was ja auch nur eine Unterstellung ist). Weil einige Eltern vielleicht mehr am Geld als an der guten Betreuung und Förderung ihrer Kinder interessiert sind und mit dem Geld klassische Rollenideale aufrecht erhalten wollen, wird ein Prinzip, das zum Vorteil des Kindes gereichen könnte, diskreditiert. Mit Studien hierzu lässt sich viel beweisen und entkräften. Die NICHD.Studie aus den USA zeigt aber eines eindeutig auf: je schlechter die frühe Fremdbetreuung, desto aggressiver später die Kinder. Was im Umkehrschluss nicht heißt, dass eine schlechte Familie bessere Ergebnisse zeitigt. Das wurde so nämlich gar nicht untersucht. Selbstverständlich gibt es gut geführte und psychosozial anspruchsvolle Krippen oder Ki-tas, wo sich die Erzieherinnen nach dem heutigen Wissensstand über die emotionalen Bedürfnisse der Kleinkinder richten. Und solche Ki-tas sind sicherlich besser als desolate Familien. Aber jede gute Familie mit ausreichendem Sozialkontakt nach außen ist bis zu einem Alter von etwa 3 oder im Einzelfall 4 Jahren wiederum besser als eine Gruppenbetreuung, in der das sozial noch unreife Kind nicht bestehen kann. Wenn man überhaupt gegeneinander abwägen möchte, dann muss man immer die einzelnen Umstände mit dazu nehmen. Insofern bildet keine Studie die wahren Verhältnisse ab. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Aussagen helfen, etwas Licht in den Dschungel der verschiedenen Aussagen zu bringen. Viele Grüße und danke für Ihre Anerkennung meiner Arbeit PS. Teil 5 meines "Emotionalen Bewusstseins" oben auf meiner Seite bespricht die Angelegenheit noch ausführlicher.

von Dr. med. Rüdiger Posth am 25.04.2012



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