Lieber Herr Dr. Posth, vor kurzem hatte ich berichtet, dass wir seit ca. 2 Monaten für unseren Sohn, gerade 2, einen Babysitter haben, den wir ca. alle 8 Tage abends buchen. Der erste Abschied nach der Eingewöhnungsphase war ganz ruhig, an den folgenden (etwa 4) Malen trennte sich Paul mit Weinen von uns. Wir haben den Eindruck, die Situation ist entspannter, wenn wir nicht beide zusammen weggehen, also arrangieren wir den Abschied so, dass nur ich oder mein Mann die Übergabe an den Babysitter machen und der andere schon eine Stunde vorher "vorausgeht". Nun läuft das so ab: Wir erzählen Paul im Laufe des vorigen und auch desselben Tages, dass die Babysitterin abends kommt, weil wir ausgehen. Er nimmt das völlig entspannt auf, wir unterhalten uns darüber, er wiederholt von sich aus immer wieder den Ablauf, wie er ihn verstanden hat, z. B. "Mama Papa abends weg, dann Conni da und Conni und Paul essen und Lego bauen". Abends klingelt dann der Babysitter, und Paul gleitet zusehends in einen inneren Konflikt - er mag sie gerne und freut sich auf sie, läuft z. B. zur Tür, um aufzumachen, aber nun soll Mama/Papa doch nicht weggehen. Das jüngste Mal wollte er seinen Vater nicht einmal die Tür öffnen lassen. Er fängt er an zu weinen, inzwischen auch erbärmlich zu schreien, nicht weggehen oder dass er mit uns mitkommen möchte. Wir haben als Ritual etabliert, dass Babysitter und Sohn ans Fenster gehen und uns beim Gehen nachsehen und winken. Der Sitter berichtet, dass das Weinen, auch das dramatische, nach dem Fensterschauen sofort oder nach 2, 3 Minuten aufhört. Der übrige Abend verläuft dann jedes Mal wohl sehr harmonisch, Paul spielt mit ihr, schläft nach ihrer Aussage ruhig ein und auch ruhig weiter. Am nächsten Tag erzählt er ggf von sich oder wir fragen nach dem Abend und er erzählt wieder völlig entspannt, was beide gespielt haben. Wir sind sehr darauf bedacht, unserem Sohn nichts zuzumuten, schon gar keine Trennung, für die er noch nicht reif genug oder die für ihn mit Angst oder sonstwie negativ behaftet ist. Andererseits habe ich in diesem Falle eine andere Theorie, was Pauls Weinen angeht und frage mich, wie Sie dies sehen: Den ganzen Tag über erleben wir Situationen, in denen er etwas macht, das wir untersagt haben (was wir ohnehin von vornherein so selten wie möglich tun). Er geht ein Stück, wir halten dagegen, irgendwann gipfelt es - wie das eben in diesem Alter so ist. Allerdings erlebt Paul diese Situationen ja immer für sich im Ende positiv, worum wir uns auch bemühen - sei es, dass wir ihn trösten und einen Kompromiß finden, wenn die Sache eskaliert ist, sei es, dass wir nachgeben und er deshalb einen Erfolg spürt. In der Sache des abendlichen Abschieds - so ist meine Theorie - erlebt Paul als einzige Situation seine grenzenlose Ohnmacht, weil er nichts daran ändern kann. Wir sagen, wir gehen fort, und selbst, wenn das Alleinsein mit dem Babysitter ihn im Prinzip nicht überfordert, so verzweifelt er im Moment des Abschieds vielleicht an der Endgültigkeit der Tatsache und seiner Hilflosigkeit, etwas daran zu ändern. Könnte das sein? Sicher ist dieses Erleben dann gepaart mit der altersgemäßen Trennungsangst oder eben der starken Bindung an uns, die einen Abscheid kurzzeitig schwer macht. Für uns bleibt die Frage, wie wir darauf reagieren sollten. Können wir ihm diese Abende weiter "zumuten" oder sollten wir anders reagieren? Mein auf Trennungen unwahrscheinlich sensibilisiertes Gefühl sagt mir, dass die Trennung an sich für Paul nicht das Problem ist, also möchte ich ihn aus dieser Konstallation auch nicht unbedingt wieder herausnehmen und in eine "unsouveränere" Rolle zurückstufen, wenn es nicht sein muß. Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Ihre Einschätzung, da uns das Thema wie gesagt sehr wichtig ist. Ganz herzlichen Dank! Ihre Caraly
Mitglied inaktiv - 21.06.2004, 13:07