Frage: Mutter-Instinkt

Hallo Herr Dr. Posth, Danke für die beantwortung der letzten Frage (Geschwister zusammen schlafen lassen)! Ich hab all ihre Texte oben gelesen und Stimme ihnen in alledem zu. Folgendes soll kein Infrage-stellen sein, nicht falsch verstehen.Für ihr Wissen mussten sie lange studieren, ihr Wissen ist wirklich super und ich teile auch wirklich ihre Meinung. Dennoch handel ich in manchen Situationen einfach anders. Nicht im affekt sondern rein instinktiv denke ich das meine Reaktionen nicht falsch sind. Ich liebe meine Kinder würde Ihnen nie etwas böses wollen. Aber scheinbar mach ich so viel falsch... Und so viele andere wohl auch, die ihre Kinder doch auch lieben. Ganz allgemein: Warum ist scheinbar der Mensch nicht in der Lage seine Nachkommen vernünftig zu erziehen? Ist "instinkt" so falsch?Oft les ich hier und fühl mich dann echt schlecht :( Soll keine Kritik sein, ist nur eine "hinterfragung" wie das kommt, das es scheinbar ohne Lektüren und "Studium" "nicht mehr möglich" ist :(

Mitglied inaktiv - 28.12.2009, 10:41



Antwort auf: Mutter-Instinkt

Stichwort: Mutterinstinkt Hallo, Ihre Frage ist vollkommen berechtigt und viele Eltern stellen sie sich wahrscheinlich genauso wie Sie im Geheimen auch. Ich werte sie daher auch überhaupt nicht als Kritik, sondern als Herausforderung, eine schlüssige Erklärung zu geben. Dazu aber eine kleine Vorbemerkung: das Studium war es nicht allein, das mein Wissen über die Entwicklung der Kinder so weit voran gebracht hat. Auch die Erfahrung, selbst Vater von 4 Kindern zu sein, und die Reflexion auf meine eigene Kindheit haben einen ganz großen Anteil daran. Warum Menschen den Instinkt verloren haben, ihre Kinder bedürfnisgerecht und damit menschengerecht großzuziehen, erkläre ich so, wie die Menschen verlernt haben, die Natur zu achten und zu schützen, in der sie leben. Die Menschen lebten ursprünglich und sicher z.T. auch notgedrungen im Einklang mit der Natur und auch im Einklang mit ihrer eigenen Natur. Mit der Entwicklung der Zivilisation gingen diese ursprünglichen Funktionen schrittweise verloren (weil der Abstand wuchs), und der Mensch begann, sich die Natur zu Nutze zu machen. Gleiches tat er mit der menschlichen Natur, wobei in beiden Fällen ein Machtspiel zustande kam. Denn überall da, wo der Mensch sich anschickte, Macht auszuüben und die Natur zu benutzen, sprich auszubeuten, schlug die Natur zurück. Nicht sofort, aber nach angemessener Zeitverzögerung. Natürlich waren es nur die erwachsenen Menschen (ich will nicht behaupten nur die Männer), die so handelten. Dieselbe Macht benutzen die Menschen dann auch untereinander, um sich auszubeuten oder um sich willfährige Nachfolger für ihre Strategie heranzuziehen. Denn das Prinzip musste- einmal auf den Weg gebracht- auch weitergehen, sonst würde sich Macht ganz schnell in Ohnmacht verwandeln. Denken Sie an die Mächtigen im Staat, an die Herrscherhäuser und an die Politiker. Wer Macht hat, will sie behalten, er kann gar nicht mehr zurück. Das ist ein urmenschliches Prinzip, das ich übrigens in meinem neuen Buch "Gefühle regieren den Alltag" (publ. voraussichtl. im Februar 2010) detailliert anspreche. Kinder sind von Natur aus ohnmächtige Wesen, die aber dazu dienen, später die Macht zu übernehmen, die die Erwachsenen schon besitzen. Entsprechend wird die Erziehung ausgerichtet und entsprechend sprechen sie auf diese Erziehung an (nicht alle!). Der natürliche Instinkt, der noch die Emotionen kennt und das Sozialprinzip zu erhalten sucht (der einzelne Mensch ist nichts ohne die Gruppe, hätte keine große Überlebenschance, von Jack London-Helden einmal abgesehen) wird unbewusst geopfert. Später ist er wie vergessen und die Wissenschaften müssen nun her, in wieder auszugraben. Entwicklungspsychologen sind eigentlich Archäologen der Menschlichkeit. Hoffen wir, dass das neue Jahr weitere Entwicklungsschritte in die richtige Richtung ebnet. Das wünschen wir uns für unseren Globus und das wünschen wir der Menschheit. Vielen Dank und Dank auch für Ihre interessante Frage

von Dr. med. Rüdiger Posth am 30.12.2009