Frage: "Meins!!!" und Wutgeheul mit 18 Monaten

Hallo Herr Posth, heute brauche auch ich Ihren Rat... Meine Tochter, 18 Monate, hat jetzt "meins" und "mehr haben" entdeckt, das heisst, alles, was sie so sieht (egal ob meine Socken ;), ein Auto auf der Straße oder das Sandspielzeug von anderen Kindern) ist derzeit "MEINS!" und sie will von vielem "mehr haben!", schon fast reflexartig... (Wenn ich Ihre Texte also richtig verstanden habe, dann ist sie in der Phase der Loslösung angekommen.) Je nach Tagesform wird es dann insbesondere mit etwa gleichaltrigen anderen Kindern auf dem Spielplatz oft sehr ungemütlich. Sie nimmt sich z.B. die Sachen anderer Kinder, wenn diese die aber dann zurück haben wollen, will sie sie nicht hergeben und hält mit aller Kraft fest, dann fängt sie vehement an zu heulen (Rotz und Wasser), ruft "meins!!!" und schaut mich fragend und hilfesuchend an. Wenn ich ihr dann versuche zu sagen, dass das dem anderen Kind gehört, wird sie noch wütender (und kann in diesem Affekt offenbar schon nicht mehr zuhören), sie nimmt dann auch nicht ein angebotenes Ersatzspielzeug, sondern es muss genau das sein, was das andere Kind gerade hat oder haben will. Ablenken hilft dann auch nicht mehr. Manchmal steigert sie sich so rein, dass es selbst dann nicht gut ist, wenn sie das Spielzeug schliesslich hat!!! Ich musste nun schon ein paarmal den Schauplatz des Geschehens verlassen, weil sie einfach nicht mehr "runter" kam und auch dann beruhigt sie sich nur sehr schwer und heult und schluchzt noch eine Weile danach. (Und ich fürchte, sie hat das Weggehen vom Spielplatz dann auch noch als eine Art Strafe empfunden... :( ) Immerhin schlägt sie (noch?) nicht in solchen Situationen und ist auch, wenn sie mal geschubst wird, eher defensiv. Dennoch scheint sie einen sehr starken Willen zu haben und ich habe den Eindruck, dass sie unter diesen Situationen auch leidet und das wegnehmen von Spielzeug als Niederlage empfindet (ebenso, wenn ich versuche, ihr einen Tausch anzubieten). Ist das so? Stärkt "Besitz" in diesem Alter das Selbstvertrauen? Im Übrigen ist es egal, ob es tatsächlich ihr Spielzeug ist oder das eines anderen Kindes. Ich bin mir sehr unsicher, wie ich damit umgehen soll, manchmal heisst es ja, die Kids sollen das unter sich ausmachen, man solle nicht eingreifen (können das Kinder mit 18 Monaten schon?), dann heisst es, der Unterschied zwischen meins und deins könne noch gar nicht begriffen werden, aber man solle dennoch tauschen und geben und nehmen üben oder Ersatzspielzeug anbieten. Das widerspricht sich doch, oder? Schliesslich heisst es manchmal, die Eltern sollen auf jeden Fall das eigene Kind verteidigen, damit dieses nicht das Gefühl entwickelt, die Eltern fielen ihm in den Rücken. (...aber wie soll man das, wenn die Schaufel eben nun wirklich dem anderen Kind gehört?) Tauschen und geben und nehmen üben habe ich schon oft mit ihr gemacht, nur das hilft bei uns alles nix, MIR gibt sie durchaus öfter, nur anderen Kindern nicht, auch Ersatzspielzeug ist dann uninteressant... auch wenn ich sage, jeder kommt mal dran (bei der Schaukel z.B.) hat das nur wenig bis keinen Effekt und der Zorn ist groß, wenn das andere Kind schaukelt (auch wenn sie gerade noch fröhlich beim Rutschen war. Sobald sie sieht, dass ein anderes Kind auf der Schaukel ist, will sie auch rauf..). Ich habe den Eindruck, dass meine Tochter da ausgesprochen heftig reagiert, ich hab sowas bei anderen Kindern in meinem Umfeld jedenfalls noch nicht erlebt. Ist das auch eine Charakterfrage oder habe ich mich bisher vielleicht falsch verhalten? Ich bin derzeit fast soweit, solche Spielplatzsituationen zu vermeiden (was eigentlich fast nicht geht, denn wir haben keinen Garten)... :( (Ach ja, sie ist andere Kinder durchaus gewöhnt, sie geht in die Kita, seit sie sieben Monate alt ist. Vielleicht ist es auch noch wichtig, dass ich alleinerziehend bin... der Vater ist hin und wieder da, aber eben nicht immer.) Ist jetzt leider etwas lang geworden, sorry! Aber diese Frage beschäftigt mich sehr und ich bin sehr dankbar für Ihren Rat! Viele Grüße Friederike

Mitglied inaktiv - 06.09.2004, 22:25



Antwort auf: "Meins!!!" und Wutgeheul mit 18 Monaten

(Stichwort erschwerte Loslösung) Liebe Friederike, prinzipiell haben Sie mit allem Recht, was Sie schreiben, nur funktioniert das bei Ihrer Tochter nicht gut, weil sie a) noch ein bißchen klein ist und ihr Wille ohnehin noch sehr beharrlich, b) sie sicher eine erschwerte Loslösung durchmacht, da ihr der Vater als beständiges und verfügbares Vorbild fehlt. Solche Kinder haben Probleme, leicht positive Selbstanteile oder -attibute zu erwerben und müssen sich "alles" erkämpfen. Da sie tatsächlich noch keine Eigentumvorstellungen kennen, sondern nur das Nützlichkeitsprinzip, maßen sie sich bei Bedarf dann eben an, alles gehöre Ihnen. Ihr Selbst stärken sie also über "äußere", gegenständliche Attribute. Besser wäre es, im Inneren durch positive Loslösungserlebnisse ihr Selbst zu bestärken. Da solche Kinder in der Regel auch der Mutter hohen Widerstand entgegensetzen (müssen) und oft heftigst trotzen, kann auch die Mutter nicht leicht diese positiven Attribute spenden. Dafür brauchten Sie dann doch eine "dritte" Person als Ersatz für den Vater. Die müßte ihrer Tochter sehr sympathisch sein und absolut zuverlässig. Mit der Zeit würden das beharrliche "meins" und "ich zuerst" usw. abnehmen und der Wille Ihrer Tochter genügsamer und gelöster. Lassen Sie sich bitte nicht einreden, mit Ihrer Tochter strenger verfahren zu müssen, um ihr "Grenzen zu setzen". Solche vordergründigen Tips mißachten die seelische "Notlage" Ihrer Tochter und machen auf Dauer alles nur noch schlimmer. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 08.09.2004