Sehr geehrter Herr Dr. Posth,
wenn ein Kind mehrsprachig aufwaechst, muss es die mehrfache Menge an Information zur Sprache aufnehmen die ein Kind, das zunaechst einmal nur eine Sprache lernt, hat, und das nicht nur in puncto Vokabeln, Satzbau, Grammatik, sondern auch was Kinderlieder, Buecher oder aehnliche angewandte Sprache angeht.
Wie wird so etwas im Gehirn verarbeitet? Laesst das Kind andere Entwicklungsschritte langsamer angehen oder lernt es einfach im gleichen Zeitraum mehr? Fuehrt das nicht zur Ueberforderung?
Mein Sohn (2 1/2) waechst der Umstaende halber dreisprachig auf, und ich mache mir Sorgen, dass er ueberfordert werden koenne, auch wenn er zur Zeit keinen ueberforderten Eindruck macht. Aber wie wird das, wenn die verschiedenen Kulturen (Buecher, Lieder etc.) intensiver auf ihn einstroemen?
Koennen Sie mir einen Rat geben?
Mit vielem Dank im voraus,
Ihre FM
Mitglied inaktiv - 12.09.2005, 10:24
Antwort auf:
Mehrsprachigkeit - was geht da im Gehirn vor?
Hallo, nach neuesten Forschungsergebnissen scheint es so zu sein, daß ein Kleinkind wenigstens theoretisch mehrere Sprachen gleichzeitig lernen kann und diese auch nebeneinander im primären Sprachzentrum (Broca) abbildet. Ein solches Kind besitzt dann mehrere Muttersprachen. Praktisch scheint das aber doch nicht so einfach zu gehen. Auch das zugehörigen Hörzentrum (Wernicke) muß ja mehrsprachig sein, und wie Sie richtig sagen alle Satzbaukonstruktionen und alle der Sprache zugeordnete Wahrnehmungsobjekte. Letztere sind zwar als Objekte identisch, benötigen aber mehrere Verbindungen zu den einzelnen Sprachrepräsentationen. Das mit der jeweiligen Grammatik ist sicher noch komplizierter. Alle weitergehenden kulturellen Inhalte sind bei all dem noch gar nicht erfaßt. Ich plädiere dafür, in dem Moment, in dem klar wird, daß ein Kind nicht besonders sprachbegabt ist, sich im Elternhaus auf eine oder höchstens zwei Sprachen zu konzentrieren, um kein Überforderungssymptome zu erzeugen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 14.09.2005