Sehr geehrter Herr Dr.Posth,
meine Tochter ist 4 1/2 und fürchtet sich vor vielen Lektüre-Figuren, vor Wölfen, Hexen, dem Kasperletheaterräuber usw. Wohl deshalb hat ihr mein Mann immer versichert, diese Gestalten gäbe es alle in Wirklichkeit nicht. Nun stehe ich also vor dem Dilemma, was ich ihr auf ihre Fragen "gibt es Hexen in echt" usw. antworten soll, denn die Welt der Phantasie und der Märchen zusperren mit lapidaren "gibt es eh alles nicht" will ich auch nicht. Würden wir das Ihrer Meinung nach tun, wenn wir die Existenz der Fabelwesen abstreiten? Was halten Sie für besser?
Übrigens, das Christkind & Co, sprich die Guten gibt es auch bei meinem Mann.
Danke für Ihren Rat
Cornelia
Mitglied inaktiv - 27.10.2008, 08:53
Antwort auf:
"Mama, gibt's in echt Hexen?"
Stichwort: Märchen
Hallo, es gibt einen langen Diskurs in der Psychologie darüber, ob Märchen, Fabeln und die Schwarzweißwelt aus Gut und Böse eher nützlich oder her schädlich für die Kinder sind. Grundsätzlich ist es so, dass Kleinkinder ab 3-4 Jahre anfangen, sich Gedanken darüber zu machen, welche moralischen Kategorien existieren. Aber zunächst einmal findet das auf ganz einfachem Niveau (z.B. im Spiel mit den altersgleichen Kindern) statt und die Eltern geben die Richtung der inneren Haltung vor. Mit 4-5 Jahren fangen die Kinder dann an, Normen und Werte in der Gesellschaft zu begreifen und auch zu verinnerlichen.
Ob Märchen mit ihren sehr einfach strukturierten Geschichten über das Gute und Böse im Menschen hilfreich sind, bleibt sicher zweischneidig. Aber das Märchen hat den Vorteil, dass es erzählt wird. Und beim Erzählen können Kinder ihre Eltern oder Großeltern fragen, was das alles bedeutet. Und im Reden miteinander kann man dann klären, was auch in Wirklichkeit so oder so ähnlich vorkommt und was reine Dichtung ist. Immerhin können Kinder über 4 Jahre schon erkennen, was eine Fiktion ist und was Wirklichkeit. Wichtig ist aber, dass die Kinder diese Märchen nicht nur aus der Retorte hören und vor allem nicht über visuelle Medien erfahren. Die Wahrheitsmanipulation der visuellen Medien ist extrem stark, weil der Mensch sehr viel über das "Sehen mit eigenen Augen" definiert.
Bei solchen Gesprächen mit den Kindern sollten aber immer beide Seiten des Menschen zur Sprache kommen, also nicht nur das Gute. Und es sollte auch immer besprochen werden, wie man sich vor dem Bösen (einigermaßen) schützen kann. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 30.10.2008