Lieber Dr. Posth,
mein Sohn (2 Jahre) hängt seit Anfang des Jahres sehr an mir. Es begann, so glaube ich, mit einem Magen-Darm-Infekt, den er um Weihnachten rum hatte. Ich dachte, nach seiner Gesundung wird er wieder "normal", das war aber nicht so. Mein Mann ist ein sehr bemühter und interessierter Vater, der durch seinen Schichtdienst auch die Möglichkeit hat viel Zeit mit ihm zu verbringen. Früher (bis unser Sohn ca. 1,5 Jahre alt war) hat er ihn immer ins Bett gebracht, das abendliche Fläschchen gegeben etc. Jetzt muss das alles die Mami machen. Jetzt darf er mit ihm spielen, auch mal auf den Spielplatz gehen, aber schon bald ist Mami wieder Thema und er will zu mir.
Eigentlich, so habe ich Sie verstanden, sollte die Loslösung bei so einem engagierten, lieben Vater recht einfach sein, warum hängt er denn jetzt seit über einem halben Jahr so an mir?
Vielen Dank und liebe Grüße
Dominique
Mitglied inaktiv - 04.08.2008, 12:46
Antwort auf:
Loslösung??
Stichwort: Bindungsverwirrung
Liebe Dominique, Sie haben Recht, was die klassische Rollenverteilung in unsrer Gesellschaft angeht (wobei Mutter und Vater natürlich auch in umgekehrter Weise auftreten können). Ein Problem wird es dann, wenn beide Eltern ziemlich gleichwertig ihr(e) Kind(er) großziehen. Bei Eltern oder dem Vater im Schichtdienst ist das aus organisatorischen Gründen häufiger so. Da ist dann oft nicht genau klar, wer von beiden als Bindungsperson und wer als Loslösungsvorbild fungiert.
Das Kind schützt sich vor einer Bindungsverwirrung durch "Vergabe" von festen Rollen an die Eltern und durch eine Bindungshierarchie. Bei veränderten Familienkonditionen oder auch bei eigenen Konflikten scheint das Kind aber auch "springen" zu können. D.h. es sucht sich dann den Elternteil genau für das aus, was es gerade meint zu brauchen. Diese Verläufe zu analysieren ist schwer, und ich habe den Eindruck, dass es hierzu kaum oder gar keine speziellen Studein gibt (einige Beobachtungen schon z.B. von dem Ehepaar Prof. Grossmann von der Universität Regensburg).
Wie Sie sehen, habe ich Ihre Antwort dem überbegrifflich passenden Stichwort zugeordnet. Da können Sie selbst noch ein bisschen stöbern. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 06.08.2008