Frage: laute Willensäußerung

Lieber Herr Dr. Posth, unsere entzückende Tochter ist 11 Monate und pflegt - wie auch schon ihr Bruder in ihrem Alter und später - einen ziemlichen Willensüberschuss, leider einen ziemlich lauten. Sie hat sich ein nachdrückliches, ohrenbetäubendes - geradezu "proliges" - Schreien angewöhnt, wenn sie etwas haben will (z.B. alles, was bei uns auf dem Tisch steht oder wovon sie meint, dass wir es essen). Das kann ich ja verstehen, aber nun kann sie halt trotzdem nicht alles bekommen (z.B. nicht unaufgetauten Fisch!) oder geräuchterten Schinken (mit anderthalb Zähnen). Oder sie möchte ins NAchbartzimmer getragen werden anstatt zu krabbeln. Oder sie möchte um 2.00 Uhr nachts gestillt werden. Was soll man da tun? Auf Durchzug stellen und die restliche FAmilienkommunikation einstellen? Sie mit Spielzeug ins Nachbarzimmer setzen, wenn sie so schreit? Wir versuchen ja ruhig und ungenervt zu bleiben, das ist aber schwer (zumal ihr Bruder (4 J.) meist gleichzeitig redet). Danke! Frieda

Mitglied inaktiv - 17.01.2005, 11:54



Antwort auf: laute Willensäußerung

Stichwort erster Wille Liebe Frieda, Sie schildern da ein sehr alltägliches Problem, dahingehend kann ich Sie also beruhigen. Warum sich jetzt die ersten echten Willensäußerungen bemerkbar machen, erkläre ich in meinem Langtext über das emotionale Bewußtsein, link oben links. Der Wille muß sein, denn sonst ist die Entwicklung zum Ich erschwert. Je nach Temperament und Charakteranlage, ist er am Anfang sehr drangvoll und impulsiv. Man sollte also den Äußerungen in aller Gelassenheit entgegentreten. Den Willen "zu brechen", wie leider immer noch von vordergründiger Pädagogik empfohlen, hieße die Entwicklung zu Ich erschweren. Eine in der Ausübung hoch brisante Angelegenheit. Nein, lassen Sie Ihrer Tochter den Willen, und setzen Sie ab dem zweiten Lebensjahr langsam und überlegt Regeln dagegen. Regeln entwicklen sich aus den Ritualen, an die ein Säugling ja schon gewöhnt ist, und die seinem angeborenen Bedürfnis nach Gewohnheiten entgegen kommen. Gelernt hat der Säugling diese ja auch nicht, und er wird erst jetzt ganz langsam anfangen, etwas zu lernen. Zur Kennlichmachung solcher erster Regeln gehört es dann, daß ein säugling hautsächlich von allein ins nächste Zimmer krabbelt und eben nicht alles vom tisch bekommt, was drauf steht, usw. Protestiert er dann maßlos, besänftigt man ihn und lenkt ihn geschickt ab, was in diesem Alter beinahe problemlos geht. Bestimmte Dinge finden auch einfach nicht statt, damit erst gar kein Kampf mit dem kindlichen Willen aufkommt. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 18.01.2005