Frage: Kopfhalteschwäche

Guten Tag Dr. Posth, mein Sohn kam mit einer sehr ausgeprägten Kopfhalteschwäche zur Welt. Mit KG nach Vojta und Bobath wurde es zusehens besser. Mit sechs Monaten konnte er den Kopf allmählich etwas selber halten, wenn er aus der Rückenlage an den Armen hochgezogen wurde. Heute kann er laufen und macht einen motorisch normal entwickelten Eindruck. Als Therapie gehen wir derzeit nur noch zum Schwimmen. Von der Kopfhalteschwäche merkt man nur noch etwas, wenn man ihn an den Armen aus der Rückenlage hochzieht, dann lässt er den Kopf hinten baumeln und muss sich sehr anstrengen, ihn nach vorne zu bringen. Nun zu meiner Frage: Er hat im ersten Lebensjahr kaum Blickkontakt aufgenommen, gelächelt hat er das erste Mal mit drei Monaten. Es ist in den letzten drei Monaten mit dem Blickkontakt stetig besser geworden, Lachen tut er reichlich und herzlich. Im ersten Lebensjahr habe ich mir die größten Sorgen gemacht, dass er Autist sein könnte. Er war wirklich absolut stur und unzugänglich. Da es nun besser ist, könnte ich ja eigentlich mit dem Thema abschließen, aber es lässt mich (LEIDER) nicht los. Meine größte Frage kreist um die Ursache seines Verhaltens im ersten Lebensjahr. Auch heute guckt er einem noch nicht besonders viel und lange in die Augen, im Vergleich kann ich aber nur zufrieden sein. Nun habe ich in einem Buch über die kindliche Entwicklung folgendes gelesen (Zitat):"Achter Monat:...Fehlender Blickkontakt bis hin zu autistischen Zügen werden in diesem Alter bei Kindern beobachtet, die nicht über die altersentsprechende Kopfkontrolle verfügen....." Das klingt ja fast so, als würde der Autor meinen Sohn kennen. Leider wurde ich auf so etwas bei unseren zahlreichen Untersuchungen (u.a. SPZ, Augenarzt) nie hingewiesen. Auch habe ich trotz intensiver Suche keine weitere Literatur darüber gefunden. Dies ist der einzige Satz, der eine Antwort auf meine Frage darstellen könnte. Mehr stand in dem Buch nicht geschrieben, nur dieser eine Satz. Vielleicht kennen Sie dieses Phänomen ja auch und können mir eventuelle Tipps bezüglich weiterer sinnvoller Therapiemaßnahmen geben. Ich wäre unendlich froh, wenn ich eine Erklärung für sein Verhalten bekäme und endlich die Angst Autismus ablegen könnte. Ich hoffe sehr, dass Sie mir weiterhelfen können. Für eine Antwort bin ich Ihnen sehr dankbar. Liebe Grüße Marina

Mitglied inaktiv - 14.05.2003, 23:38



Antwort auf: Kopfhalteschwäche

Liebe Marina und die anderen Mütter, hier werden verschiedene und recht komplizierte Dinge durcheinander geworden. Ich kann das nur kurz aufschlüsseln. Als erstes lernt der Säugling, seine beiden Augen zu koordinieren und einen Gegenstand, v.a. natürlich ein Gesicht zu fixieren. Dazu braucht er Nervenzellen im Gehirn, die das bewerkstelligen. Diese Zellen liegen in einem bestimmten Bezirk im Frontalhirn (Augenkoordinationszentrum) und müssen durch Anreize von außen aktiviert werden. Damit der fixierte Gegenstand über das Gesichtsfeld hinaus weiter verfolgt werden kann, muß der Säugling lernen, seinen Kopf mit zu drehen (Kopfhalte- und Nackenmuskulkatur!). Soweit so gut im Liegen auf dem Rücken. In Bauchlage oder im Sitzen muß nun der Kopf auch nach oben und unten gerichtet werden können, um den Gegenstand im Blick zu behalten. Jetzt wird klar, wie wichtig die Nackenstrecker und Kopfbeuger für den Menschen sind. Alle diese Bewegungsvorgänge incl. der muskelgeführten Augäpfel werden im Gehirn abgespeichert und verlaufen mit der Zeit automatisch. Die Schritte hierbei müssen in der Säuglingszeit vom KiA/KiÄ in den jeweiligen Vorsorgen geprüft werden. Ein Säugling, der einen gestörten Muskeltonus besitzt, hat natürlich Schwierigkeiten bei dem Erlernen dieser koordinierten Bewegungen zwischen Auge und Kopf. Deshalb "reiten Neuropädiater ja auch ständig auch diesen Prüfungen und Therapien herum", damit das Kind nämlich alle Chancen hat, sich adäquat zu entwickeln. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 16.05.2003



Antwort auf: Kopfhalteschwäche

ot

Mitglied inaktiv - 14.05.2003, 23:40



Antwort auf: Kopfhalteschwäche

Hallo Marina, ich bin keine Fachfrau, aber meine Tochter (mittlerweile 11 Monate) hat am Anfang sogar oft die Augen nach oben weggedreht und ich habe auch schon an Autismus gedacht. Ehrlich gesagt habe ich auch alles andere befürchtet. Aber als die Hals- und Brustmuskulatur stetig besser wurde, rollten die Augen nicht mehr weg und jetzt ist ihr Blickkontakt ganz normal. Viele Grüße Sabine

Mitglied inaktiv - 15.05.2003, 21:08



Antwort auf: Kopfhalteschwäche

Hallo Sabine, hatte Deine Tochter auch eine Kopfhalteschwäche? Bei meinem Sohn hatte ich immer das Gefühl, dass es nicht nur am Nicht-können, sondern halt auch am Nicht-wollen liegt. Er hat einem demonstrativ nicht in die Augen geguckt. Er schien es zu vermeiden. Jetzt mit 14 Monaten guckt er einem in die Augen, vorallem, wenn er etwas von einem will. Er wird aber auch von jedem Tag an zugänglicher und jeden Tag lacht er mehr, als noch am Tag zuvor. Aus einem "sturen Bock" ist ein Sonnenschein geworden. Liebe Grüße Marina

Mitglied inaktiv - 15.05.2003, 21:15



Antwort auf: Kopfhalteschwäche

Hallo Marina, meine Tochter ist mit einer Hypotonie und einer Schluckstörung auf die Welt gekommen. Obwohl sie von oben bis unten auf den Kopf gestellt worden ist, hat man nichts gefunden. Auch die Schwangerschaft war vollkommen unauffällig. Jetzt ist sie grobmotorisch noch vier Monate zurück, aber ich denke, dass bekommen wir noch hin. Am meisten hatte ich Angst davor, dass sie nie lacht. Aber das tut sie mittlerweile sehr ausgiebig. Ich glaube, sie hatte vorher einfach keinen Grund zum Lachen. Sie lag zwei Monate auf Intensiv und hat ständig mit der Koordination zwischen Atmen und Spucke schlucken gekämpft. Dieser Traktionsversuch (also das Ding, bei dem Du das Kind aus der Bauchlage an den Armen nach oben ziehst) funktioniert bei uns seit 2 Monaten. Was ich damit sagen will, ist, dass es wohl eine sehr enge Beziehung zwischen Brust-, Bauchmuskeln (die schrägen) und der Kopf- und Nackenmuskulatur gibt. Und die Nackenmuskulatur hängt wohl auch mit der Augenstellung zusammen. So wurde mir das von einem Krankengymnasten erklärt. Das war, nachdem sie zahlreiche unangenehme Augenuntersuchungen hinter sich gebracht hatte und die Leute von der Sehbehindertenschule sie besucht hatten. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich ihr vielleicht einige Sachen ersparen können. Habt Ihr eigentlich eine Ursache für diese Muskelschwäche? Weiterhin alles Gute Sabine

Mitglied inaktiv - 16.05.2003, 10:24



Antwort auf: Kopfhalteschwäche

Hallo, ich hoffe Du liest meinen Beitrag hier noch, ich wollte nur nicht hier in dem Forum schreiben, ohne dabei eine Frage an Dr. Posth zu haben. Die Ursache für die Muskelhypotonie liegt bei meinem Sohn wohl daran, dass er im Uterus die letzten drei Schwangerschaftsmonate mit dem Kopf in meinem viel zu engen Becken festgesteckt hat. Durch diese Zwangslage konnte er sich kaum bewegen. Mir ging es nicht anders, ich konnte mich nicht mehr setzen, nur liegen und vorsichtig laufen, unbeschreibliche Schmerzen. Dadurch ist wohl die Hypotonie entstanden, von der man heute nur noch bei speziellen Tests was merkt. Das mit dem Lachen kenne ich nur zu gut. Ich hatte auch wahnsinnige Angst, er würde niemals anfangen zu lachen. Mir hat der behandelnde Arzt gesagt, dass er nichts zu Lachen hätte. Heute glaubt mir das kein Mensch mehr, er ist bekannt für seine sog. "Lach-Flashs". Die Antwort von Dr. Posth hat mich beruhigt, über den Zusammenhang hat mit mir leider noch niemand vorher gesprochen, obwohl ich bei den Ärzten oft über seinen fehlenden Blickkontakt berichtet habe. Seit gestern weiß ich, dass er einen Reflux hat, so wird es nie langweilig. Aber das schaffen wir jetzt auch noch! Liebe Grüße und alles Gute weiterhin für Dich und Deine Tochter!!! Marina

Mitglied inaktiv - 16.05.2003, 21:32