Lieber Dr. Posth,
mein Sohn ist fast 16 Monate alt, er war schon immer ein sehr anhängliches Kind.
In letzter Zeit ist es so, dass er, ist der Papa da, nur dessen Aufmerksamkeit haben will, mich kaum beachtet. Dann ist er meist recht unkompliziert und zufrieden und möchte dem Papa gefallen. Wenn er traurig ist oder sich wehtut, kommt er jedoch weiterhin zu mir. Wenn ich mit ihm alleine bin, ist er so anhänglich, dass ich nicht einmal allein zur Toilette gehen kann. Dabei ist er den ganzen Tag furchtbar schlecht gelaunt-bis der Papa kommt, lässt mich aber auch nicht los. Wie sind diese unterschiedlichen Verhaltensweisen zu erklären?
Mitglied inaktiv - 06.11.2006, 07:55
Antwort auf:
Klammern
Stichwort: Loslösung
Hallo, Ihr Sohn befindet sich mit knapp 1 1/2 Jahren in den Anfängen der Loslösungphase. Das bedeutet, daß das Kind aus der sehr engen primären Bindung herauskommen will, denn ohne diesen "Befreiungsschritt" kann es nicht zu seinem Selbst (oder einfacher gesagt zur Selbständigkeit) finden. Für diesen entscheidenden Schritt braucht das Kind aber ein positiv besetztes Vorbild, das in der Regel der Vater abgibt. Für große Kümmernisse bleibt die Mutter aber immer noch als primäre Bezugsperson zuständig. Der Vater ist also die Orientierungsperson für alle "explorativen" (die Welt erforschenden) Schritte, die Mutter die "sicher Basis" für den Rückzug. Das bleibt so, bis das Selbst endgültig im Kind feststeht, was bis zum 2. Geburtstag dauern kann. Die damit verbundene große Anhänglichkeit an die Mutter läßt im Zuge der Entwicklung automatisch nach, es sei denn, der Loslösungsprozeß käme nicht richtig in Gang oder die entstandene, primäre Bindung wäre unsicher. Ihr Sohn verhält sich also ganz normal. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 07.11.2006