lieber dr posth!
unser sohn, 2,5 jahre, wird im august in den kindergarten kommen! er ist eher defensiv, trotzt aber sehr stark, LL aber sehr gut über papa. daran kann es meiner meinung nach nicht liegen. geschwistercher vor 8 monaten bekommen. beobachtet gerne andere kinder, aber wenig interesse mit ihnen zu spielen. bei der eingewöhnung ist man 4 tage immer dabei, dann wird ein trennungsversuch gestartet. lässt sich das kind von erzieherin trösten, gilt es als eigewöhnt. was meinen Sie dazu? soll man trotzdem gehen, wenn kind weint sich aber trösten lässt? oder bleibt man so lange beim kind bis es beim abschied überhaupt KEINE träne gibt? die erzieherin meinte damals, man kann bis zu 6 wochen dabei bleiben. kann es auch hinderlich sein, wenn man zulange dabei bleibt? ich möchte den kita start so gut als möglich machen. mein sohn soll sich wohlfühlen. ansonsten würde ich ihn nicht da lassen und noch zuhause betreuen! ich bitte um ihre geschätzte meinung! danke
von
sterne1
am 03.06.2013, 12:17
Antwort auf:
kita eingewöhnung
Hallo, das sog. Berliner Modell, das ist das, was man Ihnen zur Ablösung in den Ki-ga angeboten hat, ist eine Art "weichgespülte" Form der sanften Ablösung. Bei der sanfte Ablösung bestimt das Kind, wann es seine Mutter oder seinen Vater nach Hause schickt. Denn nur das Kind selbst kann spüren, wann es bereit ist, in der neuen Umgebung alleine bleiben zu wollen. Und da ist ja jedes Kindes etwas unterschiedlich in seinem Reife- und Entwicklungsstand. Den Zeitraum der Ablösung zu normieren und ihn gleichzeitg auch noch sehr kurz zu halten, deckt sich nicht mit diesen Grundprinzip. Aber das entspricht den Vorstellungen der Erzieherinnen, die die Mütter gerne schnell aus dem Ki-ga heraus haben wollen.
So kurze Zeiträume taugen aber nicht dafür, dass ein Kleinkind eine vertrauensvolle Beziehung zu einer zunächst noch fremden Person aufbaut. Also geht man hin und sagt, das Kind darf ein bisschen weinen, denn zur Trennung gehören Abschied und Trauer. Das Problem bei Kleinkindern ist aber, dass sie sich verlassen und ausgeliefert fühlen und noch gar keine konstruktive Trauer entwickeln können. Was zurückbleibt sind Angst, Selbstentwertung (das Kleinkind hält sich für den Verursacher des Geschehens und Verlassenwerdens) und Verzweiflung. Geschieht das zu oft, und wird die Mutter nicht rechtzeitig benachrichtigt, die Situation zu beenden, dann stellt sich eine chronische Traumatisierung ein. Die wiederum führt zu Regression (s. gezielter Suchlauf) und Aggression (massiv verstärkter Trotz) zu Hause sowie zu psychosomatischen Auffälligkeiten und im schlimmsten Fall zu Dissoziationen (Abspaltungen). Angstträume machen die Nächte zur Qual. Das erkläre ich noch einmal allgemein mit dem Hinweis darauf, die Trennung von Mutter und Kind in diesem Alter wenigstens so sanft wie möglich stattfinden muss. Wenn also ein Bezugserzieherin also schon das Vertrauen des Kind es genießt, dann lässt sich das Kind von ihr auch in Gegenwart der Mutter und/oder bei ihrer Noch-erreichbarkeit trösten. Das muss erst einmal getestet werden. Es ist nicht so, was immer behauptet wird, die Anwesenheit der Mutter verhindere den Übergang. Wartet man die Reifung des Kindes geduldig ab, dann w i l l das Kind auch zur Bezugserzieherin. Nur wenn das die Mutter vereitelt, dann ist sie das Hindernis und darüber muss dann gesprochen werden (Erziehungspartnerschaft!). Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 07.06.2013