Lieber Dr Posth,
meine Tochter (3 3/4J.) geht seit Januar in den Kiga. Sie ist von Anfang an gern gegangen und sich gut in die Gruppe eingelebt. Im März wurde ihr Bruder still geboren. Sie hatte kurz danach eine Phase, in der sie extrem an mir klammerte und sich sehr mit dem Tod beschäftigt hat. Ich habe ihr dann immer die Sicherheit gegeben, dass ich für sie da bin. Nach ca. drei Wochen hat das starke Klammern nachgelassen. Seit ca. 1 Woche hängt sie wieder ganz extrem an mir, läuft mir wie ein Schatten überall hin nach, will nicht allein mit ihrem Papa daheim bleiben, weint hysterisch, wenn ich z.B. nur mal zum Einkaufen gehe ohne sie. Am Freitag und heute morgen hat sie im Kiga bitterlich geweint, wollte wieder mit mir nach Hause gehen, war total aufgelöst. Die Erzieherin hat mich weggeschickt und gemeint, wir sollen das Verabschieden möglichst kurz halten und wenn ich weg bin, würde sie sich nach kurzer Zeit beruhigen. Ich habe aber bei er Vorgehensweise ein ungutes Gefühl.
Mitglied inaktiv - 18.09.2006, 10:35
Antwort auf:
Kindergarten
Hallo, bei diesem Vorgehen hätte ich auch ich ein ungutes Gefühl. Diese Form von unpsychologischer Hauruckpädagogik scheint unausrottbar zu sein. Was würde passieren, wenn sich ein Kind morgens vor der Schule vor Bauchschmerzen krümmt und die Lehrerin sagt, lassen Sie es hier, es will sich nur vor dem Diktat drücken. Nachmittags liegt das Kind mit einem "Blinddarmdurchbruch" im Krankehaus. In diesem Fall würde jeder sagen, unmöglich, diese Lehrerin! Sie hat das Leben des Kindes gefährdet! Warum ist das so klar? Weil das Organproblem Appendizitis glücklicherweise sofort feststellbar geworden ist.
Im ersten Fall, dem Ihrer Tochter, "schluckt" das Organ Gehirn an der Mißachtung seines seelischen Problems durch die Erzieherin, vermeidet und verdrängt die richtigen Gefühle, und die Störungen kommen dann sehr viel später. Aber die Leute sagen, die Kindergärtnerin hätte Recht. Und sie selbst glaubt das auch. Wie das? Ist das Gehirn weniger wert als der Blinddarm?
Nehmen Sie ihre Tochter an solchen Tagen gegen den Rat der Erzieherin wieder mit nach Hause und klären Sie mit ihr, warum sie plötzlich nicht in den Ki-ga wollte. Da gibt es mit Sicherheit ein aktuelles und für sie wichtiges Problem. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 20.09.2006