Hanna ist 4 Jahre alt und völlig normal entwickelt. Sie sagt gern Danke und grüsst Leute freundlich usw., kann sich aber nicht entschuldigen. Nach einem Streit oder Ärger mit ihrer Freundin ist sie ja auch mal Schuld. Ich bespreche dann mit ihr, dass und warum man das nicht macht und und versuche, sie zur Einsicht zu bewegen... Klappt nicht! Sie will nicht und trotzt. Einmal sagte sie, dass sie sich nicht traut. Es steckt also mehr dahinter... Ich habe dann auch keinen Wert auf das Wort "Entschuldigung" gelegt, sondern es irgendwie so gedreht, dass sich die Freundin gerecht behandelt fühlte. Aber Hanna muss doch auch lernen, dass man andere nicht verletzen soll und wenn es "aus Versehen" mal vorkommt muss man sich entschuldigen...
Ist das alterbedingt normal, dass sie sich nicht entschuldigen kann/ will/ mag oder mache ich was falsch?
Danke, Kary
Mitglied inaktiv - 23.05.2005, 23:54
Antwort auf:
Kann sich nicht entschuldigen
Stichwort Gewissensentwicklung
Liebe Kary, ein 4jähriges kennt noch nicht die Voraussetzungen dafür, Schuld zu empfinden und ein schlechtes Gewissen zu haben. Allenfalls kann ein Kind dieses Alters einen Fehler oder einen Schaden direkt wiedergutmachen. Auch dabei müssen die Eltern natürlich noch helfen und ein gutes Vorbild sein ("Induktion" als Stichwort). Erst wenn zwischen 4 und 5 das Kind anfängt, allgemein gesellschaftliche Werte zu verstehen und zunehmend über sein Eigenwohl zu stellen, kann es auch "theoretisch" eigene Fehlhandlungen als "schlecht" ansehen. Gerade hierfür ist ein gutes Selbstbewußtsein mit vielen positiven Attributen und innerem Stolz wichtig! Überwiegt die Scham im Selbstbewußtsein, verweigert sich das Kind noch auf lange Sicht. Gefühlshafte Einsicht in fehlerhaftes Handeln bezeichnet man als Reue. Die Empfindung von Reue ist quasi der Grundstein der Gewissensentwicklung. (siehe Fortsetzung)
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 25.05.2005
Antwort auf:
Kann sich nicht entschuldigen
Reue und Wiedergutmachung, sowie Handlungsverzicht für die Zukunft (Zeiterleben! s.a. Doris Bischof-Köhler, Kinder auf Zeitreise, Huber-Verlag) sind die Grundlagen für die Umkehr des schlechten Gewissens in ein gutes. Erst wenn diese Grundlagen im Kind verankert sind, kann es verstehen, warum es nötig ist, einen Fehler oder Schaden überhaupt aus der Welt zu schaffen.
Der Schritt zur rein verbalen Entschuldigung ist noch einmal ein weiterer, der eigentlich erst im Grundschulalter richtig vollzogen wird. Denn dazu muß ein fortgeschrittenes Logikverständnis vorhanden sein, wie auch ein Anerkennen gesellschaftlicher Normen und Regeln im menschlichen Verhalten. Als das muß innerlich von Vorbilder getragen sein! Die unmittelbare Wiedergutmachung wird also als dingliche Leistung zurückgestellt und macht zunächst einmal der Macht reiner Worte Platz. Das ist sehr schwer für ein Kind zu verstehen, warum das so ist. Sie sehen, Sie haben diese Entwicklung bei Ihrer Tochter noch vor sich. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 25.05.2005