Frage: Kann ein Kind von Geburt an 2 Bezugspersonen haben?

Hallo Dr. Posth, unsere Tochter Alessia ist 15 Monate alt, da ich leider nicht stillen konnte haben mein Mann und ich uns die Betreuung, Fütterung, Pflege etc. von Alessia von Anfang an geteilt, meinem Mann war und ist es sehr wichtig, dass unsere Tochter ein genauso gutes Verhältnis zum ihm wie auch zu mir hat. Wenn ich weggehe weint sie nie, wenn mein Mann weggeht ebenso nicht. Also man kann sagen, ihr ist egal wer da ist, wer sie wickelt, ins Bett bringt etc. Hauptsache einer von uns. Gibt es sowas, dass ein Kind 2 Bezugspersonen von Anfang an hat? Wie sieht es dann mit der Loslösung aus? Ist es so wie wir es gemacht haben sinnvoll oder ist es besser wenn 1 Elternteil (wohl immer die Mutter) den meisten Teil der Erziehung und alles drumherum übernimmt? Vielen Dank für Ihre Antwort. Mit freundlichen Grüßen Estefania

Mitglied inaktiv - 05.09.2005, 11:42



Antwort auf: Kann ein Kind von Geburt an 2 Bezugspersonen haben?

Stichwort Bindungsunsicherheit Liebe Estefania, das ist eine gute und wichtige Frage. Es kommt zwar selten, aber doch immer wieder einmal vor, daß sich die Eltern die Betreuungsaufgabe ihres Säuglings, d.h. im ersten Lebensjahr, weitgehend teilen. Das ähnelt der Situation, wenn eine Fremdbetreuerin von Anfang an mit dabei ist. Um einer Bindungsverwirrung zu entgehen, entwickelt der Säugling in der Regel eine Hierarchie unter den Bindungspersonen, was man daran erkennt, daß eine bestimmte Person bevorzugt aufgesucht wird, wenn er unglücklich ist. Das geht natürlich nur, wenn beide Personen anwesend sind und man dem Säugling die Wahl läßt. Als Loslösungsvorbild fungiert dann automatisch der andere Elternteil, der im ersten Lebenjahr nachrangig gewesen ist. Kleinkinder erzwingen es dabei manchmal, daß sie die Eltern nicht zu nahe kommen dürfen, wenn sie dabei sind. Allerdings gelingt das nicht immer so reibungslos, wie hier theoretisch besprochen. Unbewußt greifen oft die Eltern in das Geschehen ein, weil sie das Kind gerne auf ihrer Seite hätten. Sie müßten also einmal genau beobachten, wie Ihre Tochter die Aufgaben an sie verteilt hat. Vielleicht haben Sie auch schon herausgespürt. Daß die Mutter unbedingt die primäre Bindungsperson sein muß und der Vater das Loslösungsvorbild, ist nicht gesagt. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 08.09.2005