Frage: Interessehalber

Hallo Dr. Posth, Habe zwar absolut kein Problem, aber unstillbare Neugier. Es geht um eines der aktuellen Themen der Pressenews dieser Seite. Dass Babies kuriose Situationen lieben würden. Ich habe mich gleich auf den Artikel gestürzt, weil ich diese Entdeckung jetzt auch schon häufiger gemacht habe. Aber leider steht ja mehr über das dass, als über das warum drinnen. Es gab vor Kurzem die Situation, dass ich ein Päckchen für ihn geöffnet habe, darin u. A. ein Babysommermützchen, welches ich mir auf den Kopf gesetzt habe. Er hat sich vor Lachen gar nicht mehr halten können. Aber woher weiß er, dass ein Babymützchen bei Mama egtl. etwas Kurioses darstellt? Gewöhnung kann es nicht sein, sonst würde er sich ja bei jedem neuen Kleidungsstück, bei jedem neuen Gegenstand den ich trage so freuen. Tut er aber nicht. Außerdem kennt er schon seit seiner Geburt (fast sieben Monate her) den Handtuchturban auf meinem, wie auf Papas Kopf, trotzdem immer wieder ein Brüller für ihn. Er dreht sich auf den Bauch, kann prinzipiell auch wieder auf den Rücken, ist nur zu faul und meckert dann. War heute wieder der Fall. Da habe ich mir den Spaß gemacht, und mich vor seinen Augen auf den Bauch und wieder zurück gedreht. Die Freude war riesig. Auf dem Boden liege ich doch aber ständig mit ihm, bewege mich dazu auch reichlich. Warum ist es gerade das Drehen, das ihn so amüsieren kann? Es wärenn auch noch viele andere Beispiele zu nennen, aber da Letzteres heute erst passierte, belasse ich es mal dabei. Auch wenn es kein "Notfall" ist, würde es mich freuen, wenn Sie mir dieses Mysterium etwas näherbringen könnten. Danke und liebe Grüße, Lisa Schmidt

Mitglied inaktiv - 28.06.2004, 01:41



Antwort auf: Interessehalber

Liebe Lisa Schmidt, die Beispiele, die Sie geben, erlauben mir zu erkennen, worum es geht. Die Pressenews habe ich allerdings nicht gelesen. Die Frage ist, warum lacht ein Säugling bei kuriosen Erscheinungen? Also, was in der Meldung wahrscheinlich nicht drin steht, ist daß keineswegs alle Säuglinge bei so etwas lachen, ja im Gegenteil, einige Säuglinge fangen auch bitterlich an zu weinen. Und nun wird die ganze Geschichte richtig schwierig. Ich will einen Versuch starten: Der Säugling nimmt Dinge und Erscheinungen in seiner Umwelt wahr und bildet sie in seinem Gehirn als sogenannte Repräsentation in neuronalen Netzen ab. Also immer wenn er auf der Wickelkommode liegt, hängt, sagen wir, das Mobile rechts oben an der Decke, ist das helle Fenster links und die Bord mit den Pflegeutensilien über ihm. Mamma beugt sich über ihn und sieht so und so aus. Dabei empfindet er ein wohliges, angenehmes Gefühl. Alle diese Bilder werden in seinem Kopf nun zu einem komplexen Bild zusammengefügt, dem ein bestimmtes Gefühl zugeordnet ist. An solchen Elementen werden nun beständig Erweiterungen vorgenommen, so daß immer komplexere Gefüge entstehen. Dabei entwickeln sich nun Erwartungen auf einfachster Ebene. Und ich vermute, genau darum geht es nun. Ein Handtuch oder ein Mützchen erwartet der Säugling nicht auf dem Kopf, sein "Weltbild" stimmt plötzlich nicht mehr. Nun hat er zwei Möglichkeiten zu reagieren: a) er fürchtet sich, weil etwas Ungewohntes eintrifft, b) erfühlt sich belustigt, weil die ungewohnte Konstellation der Erscheinungen seine Neugier und seinen Vergnügungsimpuls auslöst. Wie der Säugling reagiert, hat etwas mit seinen Anlagen, bzw. seinem Temperament zu tun und mit seinen Vorerfahrungen. Letztere sind wieder durch die Elternreaktionen mitbestimmt. Also reagiert die Mutter erschrocken und betroffen, tut es der Säugling auch, lacht aber die Mutter herzlich und ohne ihn zu erschrecken, dann lacht auch der Säugling. Wahrscheinlich sind Sie humorvoll und "feixen" gerne mit Ihrem Sohn. Ich hoffe, ich konnte Ihre Neugier ein wenig befriedigen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 28.06.2004