Sehr geehrter Herr Dr. Posth,
unsere Tochter (18 M) schläft im FZ im größeren Beistellbett. Sie schläft immer noch nur mit Körperkontakt ein, da wir aus Platzgründen das Seitenteil ihres Bettes zum Elternbett hin nicht montieren können, und sie würde ohne den Körperkontakt das Bett verlassen. Ist sie einmal eingeschlafen, schläft sie i. d. R. 11 Stunden durch.
Sie schreiben, dass ein Kind im 2. Jahr mit Sicht- oder Hörkontakt einschlafen können sollte, daher würde ich gerne wissen, warum genau? Um die Gewohnheitsfalle zu vermeiden (was wäre die „schlimmste“ Entwicklung daraus)? Als reine Erleichterung für die Eltern? Oder ist es für die Kindesentwicklung selbst wichtig?
Die körperliche Einschlafbegleitung macht mir nichts aus, aber wir wollen im Sinne des Kindes handeln. Sollten wir daher unbedingt nach einer Lösung suchen, wie wir sie sanft an den Hörkontakt gewöhnen können?
Viele Grüße und herzlichen Dank!
von
Ellie
am 08.09.2014, 07:34
Antwort auf:
Hintergrund für das Abgewöhnen des Körperkontakts beim Einschlafen
Hallo, man sollte sich immer vor Augen halten, dass das eigentliche Entwicklungsziel eines Kindes die Unabhängigkeit von der emotionalen Regulation durch die Eltern ist und die Selbstständigkeit in der Lebensbewältigung. Alles, was daran hinderlich ist, ist vom Kind genau genommen nicht gewollt, aber die Bindung ist ein so starkes Band, dass ihre Angebote beim Kind immer wirken und dass Kinder richtig Mühe haben, sich daraus zu lösen (Stichwort Loslösung). Bei diesem „Befreiungsprozess“ sollten aber die Eltern helfen. Das zu erreichende Ziel ist das ausgewogene autonome Selbst.
Die Schritte in diese Unabhängigkeit und Selbstständigkeit sind klein, vorsichtig und immer mit einem "Sicherheitsnetz" unterzogen. Es gibt sogar Rückschritte, wenn zu viel verlangt wurde oder Misserfolge aufgetreten sind. Starre Gewohnheiten, die das Kind an der Bindungsperson festhalten, stellen eine Art Rückschritt dar. Ebenso ist Rückbindung (s. gezielter Suchlauf) auf Dauer ein Problem für das Kind. selbst wenn sie erst einmal hilfreich erscheint. Da muss man dann aufpassen, dass man den Zeitpunkt für die wiedereinsetzende Selbstständigkeitsentwicklung nicht verpasst.
Das selbstständige Einschlafen und Wiedereinschlafen ist ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit, denn gerade in diesem Zusammenhang macht sich große Abhängigkeit auf lange Sicht bemerkbar. Daher halte ich die langsamen Schritte der Distanzierung beim Einschlafprozess für einen bedeutsamen Entwicklungsprozess. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 09.09.2014