Lieber Herr Dr. Posth,
zu zwei Verhaltensweisen meines Sohnes (19 Mon.) würde ich sehr gerne die entwicklungspsycholog. Hintergründe verstehen:
1. wenn er irgendetw. umwirft/ kaputt macht etc. halte ich nichts davon, das mit lautem Schimpfen o.ä. zu quittieren. Vielmehr räume ich die Sachen dann weg, denke mir: selbst schuld, wenn Du ihn damit spielen läßt und sage aber schon ganz ruhig "Das ist aber schade, daß das jetzt kaputt ist". Mein Sohn beugt sich dann wie ein "Büßer" nach vorne, schaut betroffen, sagt "Mama weint" (ich weine natürlich überhaupt nicht!) und macht "ei", lacht aber schon wieder schelmisch dabei. Meist lachen wir dann beide und er kommt in meine Arme.
Mache ich ihm am Ende ein schlechtes Gewissen, hat er überhaupt schon ein Gewissen?? Ist mein Verhalten vielleicht zu korrigieren?
2. wie weit kann er sich mit 19 Mon. zurückerinnern? An seinen Äußerungen
(2-3 Wort-Sätzen, einzelne Wörter) sehe ich, daß er soviel behält, teilweise "erzählt" er Begebenheiten erst heute, wo er dafür Worte hat, die können aber schon 2-3 Mon. zurückliegen...
Vielen Dank und Grüße
Hanna
Mitglied inaktiv - 19.05.2003, 20:32
Antwort auf:
Gewissen und Erinnerung mit 19 Mon.
Liebe Hanna, die Ausbildung des Gewissens (s.a. Suchlauf!) beginnt jetzt, wenn das Selbst im Ich verankert ist, d.h. wenn das Kind sich bewußtseinsmäßig ganz von der Mutter (pr. Bezugsperson) gelöst hat (Ergebnis der Loslösung). Die Erlebnisse mit ihrem Sohn, die Sie hier schildern, gehören schon dazu. Ihren Unmut dürfen sie aber zeigen! Dazu gehört auch ein bißchen Schimpfen, wenn es angebracht ist. Ein Kind muß auch seiner "Fehler", bzw. seine "Mißgriffe" sozial richtig einordnen können und in sein Selbstkonzept (emotional wie pro-/antisozial) integrieren. Sie dürfen nur nicht das Kind schmähen oder bestrafen. Sie wollen ja sein zartes Selbst nicht beschädigen und Sie wissen ja, daß ein Kind zunächst gar kein eigentliches Unrechtsbewußtsein kennt. Woher auch? Das Kind muß jetzt langsam lernen/erfahren, was in unserer Gesellschaft Recht und was Unrecht ist. Das wird Jahre dauern! Aber Sie als Mutter/Vater geben die Richtschnur dafür ab. Ein große Verantwortung, eine der größten im Leben überhaupt!
Das Langzeitgedächtnis für Ereignisse baut sich jetzt auf. Passend zur beginnenden Selbständigkeit. Das Langzeitgedächtnis für Gefühle baute sich schon unmittelbar nach der Geburt auf, passend zur emotionalen und primärsozialen Entwicklung (pr. Bindung). Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 21.05.2003