Sehr geehrter Dr. Posth,
mit Interesse habe ich Ihre Beiträge zum Fremdeln und Bindungsverhalten von Säuglingen gelesen, nur bin ich aufgrund dessen auch etwas verunsichert.
Sie schreiben sinngemäß, dass Fremdeln bei näheren Bezugspersonen wie dem Vater oder den Großeltern insbesondere dann auftritt, wenn der Säugling ein ängstlicher Charakter sei oder aber eine unsichere Bindung zur Mutter bestünde.
Ist das eine Tatsache?
Was, wenn ein Kind ausschließlich beim Vater in Abwesenheit der Mutter panische Angst hat, ansonsten aber nur sehr geringe Fremdelmerkmale aufweist, sofern die Mutter dabei ist - das Baby dann also ganz und gar nicht ängstlich oder schüchtern wirkt? Spräche das im Umkehrschluss für eine unsichere Bindung zur Mutter?
Und wie kann damit umgegangen werden, wenn aufgrund von Arztbesuchen nicht sichergestellt werden kann, dass die Mutter anwesend ist?
Welche Auswirkungen hat es, wenn der Säugling also etwa einmal/Woche allein beim Vater bleiben muss, dort aber schreit?
Mitglied inaktiv - 10.06.2010, 11:30
Antwort auf:
Fremdeln & Merkmale der sicheren Bindung
Bitte gedulden, Antwort kommt morgen.
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 12.06.2010
Antwort auf:
Fremdeln & Merkmale der sicheren Bindung
Hallo, für mich und meine Erfahrungen im kontinuierlichen Umgang mit Säuglingen (seit 1979 privat und seit 1980 professionell) ist das eine Tatsache. Die von Ihnen als Beispiel genannte Situation, dass Mutter und Vater gleichzeitig anwesend sind und sich mit ihrem Säugling beschäftigen, ist die Voraussetzung dafür, dass sich der Säugling einer Ersatzbezugsperson zuwendet. Dabei benutzt er die Mutter als beständigen Schutz. Auf diese Weise wird ein engagierter Vater automatisch erste Ersatzbezugsperson. Ist der Vater aber noch nicht so weit in seiner Vertrauenswürdigkeit bei seinem Kind und ist die Mutter nicht anwesend, schreit der Säugling und fremdelt ihn an. Im Schutz der Mutter zeigt dasselbe Kind wieder weitgehende Angstfreiheit. Das ist natürlich ein Zeichen für sichere Bindung zur Mutter.
Arztbesuche ohne Mutter sind ein mehrfaches Risiko. Der Säugling steht unter größerem Stress, wenn die Begleitperson keine sichere Ersatzbezugsperson ist. Darüberhinaus kennt sie die Gewohnheiten des Kindes oft nicht genau und kann dem Arzt nicht immer die benötigten Auskünfte geben. Ich persönliche schätze solche Vorstellungen nicht so sehr. Sei kommen aber auch höchst selten vor.
Wenn der Säugling beim Vater dauernd schreit, muss die Mutter ihn abholen. Daran kann auch kein Deutsches Recht etwas ändern. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 13.06.2010