Frage: Fremdbetreuung, schreien lassen

Sehr geehrter Herr dr. Posth, gibt es eigentlich konkrete Untersuchungen darüber, ob in Ländern in denen eine sehr frühe Fremdbetreuung üblich ist und wo die Mutter sehr früh wieder arbeiten geht (Frankreich, ehemalige DDR), später bei Erwachsenen mehr psychische Probleme auftreten. Oder wie sich die Fremdbetreuung insgesamt auf die weitere Entwicklung auswirkt. Habe dazu mal ein Posting von Ihnen gelesen, in dem sie bemerkten, daß durch frühe Abgabe des Kindes bzw. nicht ausreichende Gewöhnung an eine neue Bezugsperson psychische Schäden entstehen. Gibt es hierzu irgendwelche Studien (die ehemelige DDR, wäre doch ein interessantes Untersuchungsobjekt!?..). Kann ihr Posting leider nicht mehr wiederfinden. Vielen DAnk für ihre Mühe und viele Grüße

Mitglied inaktiv - 06.02.2003, 23:03



Antwort auf: Fremdbetreuung, schreien lassen

Liebe Susi, ja es gibt solche Studien und Untersuchungen. Z.B. wurden in Isreal Kinder in ihrer Entwicklung beobachtet und verglichen, die im Kibbutz groß wurden und solchen bei ihren eigenen Müttern. Das ging "pro eigene Mütter" aus. In der DDR wurden, glaube ich, keine Studien hierzu gemacht. Warum auch, im real existierenden Sozialismus wurde die Psycholgie einem Diktat des Kollektivismus unterworfen. Individualpsychologie war eine bürgerliches Relikt. Ich besitze ein interessantes Buch vom Autorenkollektiv Wissenschaftspsychologie, erschienen im Pahl-Rugenstein-Verlag Köln, 1975. Titel: Materialistische Wissenscahft und Psychologie. Schon sehr interessant, was dort zusammengetragen wurde, nur Bindungstheorie kommt dort nicht vor. Wie aber will man etwas studieren und untersuchen, dessen Existenz man anzweifelt oder gar nicht zur Kenntnis nimmt. Das ist das Problem, auch in Frankreich oder von mir aus in China. Wenden Sie einmal die Begriffe der Bindungstheorie auf die Kleinkinder im Tibet an, oder in Papua Neuginea. Um sinnvolle und aussagefähige Studien hierzu in den Ländern der Welt zu machen, muß man sich erst einmal auf gemeinsame Grundbegrifflichkeiten verständigen. Z.B. gibt es offenbar in nicht allen Sprachen der Welt solche Begriffe wie Fremdeln oder Trotz. Werden solchen Verhaltensweisen in diesen Ländern überhaupt wahrgenommen und zugeordnet? Aber das hat überhaupt nichts mit deutscher Überheblichkeit zutun. Auch in unserem Land werden solche entscheidenden Verhaltensweisen in der frühkindlichen Entwicklung erst seit wenigen Jahren einigermaßen ernst genommen und beachtet! Ein gutes Buch zu solchen Fragen ist das neue Buch von Martin Dornes im Fischer Taschenbuch Verlag mit dem Titel: "Die emotionale Welt des Kindes". Nur Vorsicht, dort wimmelt es geradezu von Zitaten und Hinweisen auf Studien. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 07.02.2003



Antwort auf: Fremdbetreuung, schreien lassen

Hallo Susi, das ist wirklich interessant, da bin ich gespannt drauf. Kann mich erinnern, daß eine Mutti damals im 6.00 Uhr Bus mit ihrer 1jährigen sass und die Kleine total müde war. Das war vielleicht ein kinderfreundliches Land, die DDR - bloß gut das auch dieser Spuk vorbei ist und die Mütter jetzt wirklich die Möglichkeit haben, ihre Kinder in den ersten drei Jahren optimal zu betreuen. Muß man ja auch mal sagen, oder?

Mitglied inaktiv - 06.02.2003, 23:10



Antwort auf: Fremdbetreuung, schreien lassen

Nicht gleich jede Fremdbetreuung bedeutet, dass die Kleinen einen seelischen Schaden davontragen. Und auch heute (an Pips) gibt es genug Mütter, die arbeiten gehen müssen oder vielleicht auch wollen, ohne Rabenmütter zu sein oder ihren Kindern zu schaden. Meine Tochter (jetzt 6 Monate) geht seit sechs Wochen zu ihrer Tagesmutti und es funktioniert wunderbar, man merkt, dass es Linnéa dort gefällt und sie sich wohlfühlt! Sie ist ein sehr ausgeglichenes ruhiges Kind, allerdings schläft sie nachts manchmal bei mir im Bett, aber das hat sie vorher auch schon getan und wir genießen es beide. Es kommt eben drauf an, wo man sein Kind unterbringt und auch wie lange. In eine Krippe mit vielen Kindern hätte ich meine Tochter niemals getan, aber so ist es, wie wenn sie bei der Oma ist. Nachmittags kümmere ich mich sehr intensiv um sie und der Haushalt muss eben warten! Nicht jede berufstätige Mutter ist eine schlechte Mutter und nicht jede Hausfrau ist eine gute Mutter! Liebe Grüße

Mitglied inaktiv - 07.02.2003, 13:58



Antwort auf: Fremdbetreuung, schreien lassen

Da hast Du sicher recht, Andrea. Meiner Meinung nach zahlt nur die Mutter einen sehr hohen Preis (naja, je nach persönl. Prioritäten), nämlich nicht mehr die Hauptbezugsperson zu sein. Und dann leidet das Kind schon, wenn es die Bindung zur Tagesmutter oder welchem Ersatz auch immer eines Tages wieder aufgeben muß. Aber meine Devise ist eh: das muß jede Familie für sich entscheiden! Ob die Ossis mit ihrer ach-so-gerühmten Fremdbetreuung und ihren (daraus resultierenden??!) sozialen Kompetenzen ein gutes Beispiel FÜR Fremdbetreeung sind, sei dahin gestellt... (´tschuldigung, soll ein Witz von einer arroganten Kölnerin sein) LG Petra

Mitglied inaktiv - 07.02.2003, 14:28



Antwort auf: Fremdbetreuung, schreien lassen

Hallo, jetzt muss ich mich doch mal einmischen. Ich lebe in Frankreich, wo sehr sehr viele Mütter nach drei Monaten wieder ins Berufsleben zurückkehren, und ich kann versichern das wir hier nicht ein Land von Psychokranken sind! Meine Tochter, jetzt fast Drei, ist mit fünf Monaten zu Ihrer Tagesmutter gekommen, und ist ein ausgeglichenes und glückliches Kind. Sie weiss auch sehr wohl wer wer ist und verwechselt nicht zwischen Mutter und Tagesmutter. Ich bin Hauptbezugsperson und nicht die Tagesmutter, die sie heiss liebt, aber nicht verwechselt. Ich bin eine eifrige Leserin diese Forums hier, und finde es anreichernd und sehr hilfreich. Aber diese deutsche Überheblichkeit ist schon schlimm, Deutsche Mütter scheinen die Einzigsten auf der Welt zu sein, die sich anständig um ihre Kinder kümmern können.... (und sich praktisch selbst aufgeben müssen um in reurer Gesellschaft annerkannt zu werden). Und wer meint gleichzeitig Mutter und Karrierefrau sein zu können, der wird über den Daumen weg verurteilt, eine schlechte Mutter, eine Rabenmutter.... (Ich kann Euch versichern, es geht auch, ich machs sogar Alleinerziehend. Und ich bin glücklich und Lea ist es auch) Und es gibt auf dieser Welt noch viele viele andere Wege als meiner und Eurer. Schaut doch mal ein bisschen über Eure Nasenspitze hinaus, und gebt nicht einfach so unausgegorene Pauschalurteile ab. Sorry aber das musste einfach mal raus. Schönes Wochenende Katharina mit Lea

Mitglied inaktiv - 07.02.2003, 15:50



Antwort auf: Fremdbetreuung, schreien lassen

hallo katharina, ich hab mich ehrlich gesagt während meines versuchs wieder zu arbeiten aufgegeben. da bin ich nur rumgestreßt und bin weder kind noch meinem mann und schon gar nicht mir gerecht geworden. seitdem ich meinem bedürfnis mein kindn zu betreuen nachgegeben habe gings mir deutlich besser. und ich hatte endlich auch mal wieder etwas zeit für mich und meinen mann. nö ich gönn mir gern die elternzeit und empfinde das weder als aufgabe meiner selbst noch als unemanzipert sondern als privileg denn es klappt glücklicherweise auch finanziell. wobei ich wirklich nichts gegen mütter hab die erwerbstätig sind und im gegensatz zu dr. posth denke ich, es kommt drauf an, wie die fremdbetreuung ist. aber wir haben früher auch in frankreich gelebt. und ehrlich gesagt, zumindest bei uns im dorf hat mir weder die krippe noch der kindergarten vom konzept her zugesagt. z.b. in der krippe keine vernünftige eingewöhnung, kind gleich abgeben und gehen. nö, das war nix für mich. natürlich ist tagesmutter da was anderes. aber auch was den kindergarten betrifft bin ich sehr froh wieder nach deutschland gezogen zu sein. hier hab ich gefunden was ich für unseren sohn gesucht hab. in frankreich hatte ich schon bauchschmerzen wenn ich dran gedacht hab. allerdings gab es wenigstens plätze was hier nicht selbstverständlich ist. übrigens denke ich doch, daß in frankreich einiges anders ist as in deutschland und das könnte auch an der frühen fremdbetreuung liegen. zumindest hat sie sicher einen einfluß auf manche gesellschaftlichen phänomene. das ist übrigens keine wertung nur eine feststellung. liebe grüße susanne

Mitglied inaktiv - 08.02.2003, 00:46



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