Frage: freiraum

sehr geehrter dr. posth, ich habe immer gedacht, es wäre gut, meinen sohn (knapp 2) vieles in kleinem rahmen entscheiden zu lassen. was er essen möchte, was er trinken möchte, was er unternehmen möchte, die kleinen dinge halt. er darf schon sehr viel bestimmen und wir geben nur den groben rahmen vor und bewahren vor gefahren. allerdings habe ich in letzter zeit den eindruck, dass er damit ein wenig überfordert ist und dass das nicht so gut für ihn ist. wenn ich varianten vorgebe, will er grundsätzlich direkt zu beginn immer etwas anderes. was es allerdings nicht gibt. ist es vielleicht doch zu früh, ihm soviel entscheidungsfreiraum zu geben? schadet es am ende, weil es ihm scheinbar schwerfällt zu akzeptieren, wenn wir dann mal wirklich etwas vorgeben oder ihm etwas verweigern müssen? oder ist das bei allen kleinkindern so?;-) danke für ihre hilfe, bufly vg bufla

Mitglied inaktiv - 03.05.2010, 08:33



Antwort auf: freiraum

Stichwort: erster Wille Hallo, das Problem mit dem Entscheidungsspielraum bei Kleinkindern ist nicht so sehr der Faktor, dass sie nicht entscheiden wollen, sondern dass (sich) nicht entscheiden können. Zu einem abgeschlossenen Willensakt gehören immer vier Schritte, erstens der spürbare Wunsch, zweitens die Verwandlung des Wunsches in den tatsächlichen Willen, drittens die Entscheidung, ob der Wille Wirklichkeit werden soll oder nicht und viertens der Entschluss, ihn auch Wirklichkeit werden zu lassen. Schritt 1 und 2 nimmt der Mensch ziemlich gleichzeitig wahr, auch wenn er im Nachhinein überlegen kann, ob er das wriklich will oder nicht. Schritt 3 und 4 nimmt der Mensch wiederum ziemlich gleichzeitg wahr, wobei er den Entschluss zu tatsächlichen Ausführung unterdrücken kann. Aber zwischen Schritt 2 und 3 ist eine Zäsur. Diesen "Sprung" kann das Kind noch schwer ausführen. Es will etwas und kann sich dann nicht entscheiden. In solchen Situationen werden manche Kinder richtig "bockig" und reagieren verzweifelt. Und das ist der Augenblick, da tut es den Kindern gut, wenn die Eltern für sie entscheiden. Zwar gibt es noch einen kurzen Widerstand, aber dann sind die Kinder zufrieden, dass ihnen "die Entscheidung abgenommen" worden ist. Sie haben also recht mit Ihrer Feststellung, dass es manchmal besser für Ihren Sohn ist, wenn Sie entscheiden, ihm aber dabei ausreichend Bestimmungsmacht überlassen, damit er sich positiv bewerten kann (attributieren) und selbstständig wird. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 04.05.2010