Entwicklungsverzögerung- motorische und sprachliche Blockaden finden?

Dr. med. Rüdiger Posth Frage an Dr. med. Rüdiger Posth Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Frage: Entwicklungsverzögerung- motorische und sprachliche Blockaden finden?

Sehr geehter Posth! Wir haben in einem hoffentlich nicht zu lang geratenen Bericht die Probleme, die wir mit unserem Jakob haben, zusammengefasst. Ganz konkret möchten wir Sie fragen, ob Sie Ideen haben, wie wir beim Jakob mögliche Blockaden im motorischen und sprachlichen Bereich finden können und ob Sie uns Ansätze, Fachrichtungen, Ärzte oder Therapeuten nennen können, die uns bzw. unserem Jakob helfen können. Was halten sie von der Osteopatie? Von einem Besuch beim Heilpraktiker? Christel u. Alexander 2003-09-14 Warum wir Hilfe suchen Unser Sohn ist jetzt 2 ¼ Jahre alt. Zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag wurde uns allmählich deutlich, dass er sich nicht nur im normalen Rahmen langsam entwickelt („Jungen sind halt etwas später...“) sondern, dass es über dieses Maß hinausgeht. Tests besagen, dass er ca. 6-7 Monate zurückliegt und zwar in allen Bereichen, nur die Sprache ist noch weniger entwickelt. Was allerdings unter dieser „Entwicklungsverzögerung“ zu verstehen ist und welches Ausmaß sie betrifft, ob es eine Ursache gibt und ob ihm Therapien helfen können, dass sind Fragen, die uns im Moment sehr beschäftigen. Inzwischen ist uns auch klar geworden, dass wir als Eltern allein das Ruder in die Hand nehmen müssen, was Entscheidungen über Untersuchungen, Therapien usw. betrifft und dass man sich keinesfalls darauf verlassen darf, dass Kinderarzt oder Therapeuten alle nötigen und möglichen Ideen liefern. Außerdem sind wir bei der Lebenshilfe, wo Jakob einige Therapien bekommt, nicht ganz glücklich, weil man sich dort direkt so einsortiert und abgestempelt vorkommt. Was uns bei Jakob auffällt Jakob ist sehr aktiv und ständig in Bewegung, jedoch ist seine Motorik noch sehr ungeschickt und wenig flüssig. Besonders auffällig ist im Moment sein Gang. Seit fast 5 Monaten will er überall, auch draußen alleine laufen. Jetzt fällt erst richtig auf, dass er sich asymmetrisch bewegt, vor allem die Arme, aber auch die Beine. Er hat Mühe, das Gleichgewicht zu halten, stolpert oft und fällt hin. Beim Ballspielen z.B. schafft er es noch nicht im gehen die Richtung zu ändern, sondern muss dazu erst stoppen. Im Bereich der Wahrnehmung scheint er auch beeinträchtigt zu sein, wobei es für uns schwer ist, dieses nachzuvollziehen. Uns fällt besonders auf, dass er sich starke Reize verschafft, z.B. durch Werfen von Spielsachen, Besteck usw., auch durch festes Zupacken. Am Tisch z.B. will er ständig mit den Lebensmitteln matschen. Der Teller wird während der Mahlzeit permanent umgekippt, Brotstücke im Becher versenkt ... Wenn ein anderes Kind weint, weint er immer mit. Das Schmerzempfinden scheint herabgesetzt. Es hat lange gedauert, bis er angefangen hat, feste Speisen zu kauen. Worte, die Jakob mit Bedeutung einsetzt, sind bisher „ei“ und „da“, auch nicht „Papa“ und „Mama“. Ansonsten brabbelt oder quiekt der häufig vor sich hin und will uns etwas sagen oder zeigen, leider aber nichts Reproduzierbares. Es gibt Wochen, da benutzt er „mamam“, „bobobo“, „a“ oder „ägä“, dann aber auch wieder nicht. Verstehen tut er eine ganze Menge mehr. Man kann ihm kleine Aufgaben auftragen, die er ausführt, ihn zeigen lassen, was er essen möchte, Bilder in Bilderbüchern zeigen lassen usw. Große Probleme haben wir mit dem Einhalten von Verboten. Er kann sich an „nein“ nur schwer bis gar nicht halten. Man muss einfach alles wegnehmen oder hochstellen, sonst kippt er es um, räumt es aus oder wirft es. Auf energisches „nein“ reagiert er mit Weinen, aber nicht aus Trotz, sonder man hat das Gefühl, dass er es einfach nicht versteht und tief verletzt ist. Das ist uns schon aufgefallen, als er noch sehr klein war Jakob hat in den ersten beiden Monaten viel geschrien. Er hörte sich nicht wie ein „normales“ Baby an, sondern gab ein tiefes langgezogenes durch Pausen unterbrochenes „hä“ – „hä“ von sich. In der weiteren Sprachentwicklung benutzte er die Silbenverdopplung erstmals mit etwa einen Jahr. Dananch ist bis jetzt von den Lauten her nicht viel Neues dazugekommen. Getrunken hat er relativ schlecht. Zu Anfang war es ein Kampf, bis er überhaupt die Brust genommen hat, später hat er beim Stillen immer zwischendruch gebrüllt und wollte nicht weitertrinken. Später hat er ziemlich lange nur Brei gegessen und bei allen festen Speisen gewürgt. Etwa ab dem zweiten Geburtstag isst er normal vom Tisch mit. Sein Muskeltonus war von Anfang an sehr schlaff. Mit 10 Monaten bekam er Krankengymnastik, da er Probleme mit dem Krabbeln und Sitzen hatte (Hypotonie der Rumpfmuskulatur). Hier wurde eine Fixation im unteren Rückenbereich festgestellt. Er hat dann aber intensiv gekrabbelt. Das erste freie Gehen folgte mit 19 Monaten. Jakob hat einen relativ kleinen Kopf (aber im Rahmen der Kurve), der sich irgendwann im ersten halben Jahr am Hinterkopf einseitig abgeflacht hat. Jakob wurde übrigens mit der Saugglocke geboren. Die Entbindung dauerte relativ lang, die Apgarwerte (10, 10) und der ph-Wert (7,40) waren in Ordung. Bisherige Untersuchungen EEG (13M.) Hirnultraschall (13M.) Hörtests (12 M., 22M.) div. Stoffwechseluntersuchungen Schilddrüse MR (25M.) Bei allen Untersuchungen ergaben sich keine nennenswerten Auffälligkeiten. Besuch bei einer Osteopathin (27 M.): Bei der Unternsuchung der Wirbelsäule stellte sie muskuläre Verhärtungen im Lenden- und oberen Halswirbelbereich fest. Am Kopf stellte sie eine Verhärtung der eigentlich elastischen Schädelnähte fest und eine besondere Empfindlichkeit an der abgeflachten Stelle am Hinterkopf. Sie empfiehlt uns eine Kraniosakraltherapie. Therapien Krankengymnasik (Bobath) (10-15M.) Kontakt zur Lebenshilfe: Ergotherapie (ab 19M.) Psychomotorik (ab 25 M.) Logopädische Beratung (26 M.)

Mitglied inaktiv - 16.09.2003, 10:24



Antwort auf: Entwicklungsverzögerung- motorische und sprachliche Blockaden finden?

Liebe Christel-Anne, das ist natürlich die komplette Anamnese eines entwicklungsverzögerten Kindes, wie es in ein neuropädiatrisches oder sozialpädiatrisches Zentrum gehört. Es ist ja schon einiges gemacht worden, so daß man davon ausgehen darf, daß grobe Störungen der Hirntextur ausgeschlossen sind (MRT, EEG), vorausgesetzt, es ist nichts übersehen worden. Ist auch ein Schlafentzugs-EEG gemacht worden (z.B. Landau-Kleffner-Syndrom)? Man würde jetzt weiter suchen in Richtung Stoffwechselstörungen durch Aminosäuren-Screening und Bestimmung der organischen Säuren im Urin. Untersuchungen der Sinne sind wichtig, geben wahrscheinlich aber keinen Aufschluß. Ein Teil der geschilderten Symtome sind psycho-emotionaler Natur und eher Folgen des ganzen als deren Ursache. Die therapeutischen Schritte sind eigentlich adäquat und mehr ist im Moment auch nicht drin. Die Ostepathie findet immer etwas und immer dasselbe, nämlich Verhärtungen im Weichteilbereich der WS und "Blockaden". Kraniosakraltherapie ist dann dafür der therapeutische Standard. Man muß das alles selbst bezahlen, denn Osteopathie ist hierzulande kein anerkanntes Heilverfahren. Am besten sind Sie mit Ihrem Sohn in einem guten sozial-neuropädiatrischen Zentrum aufgehoben. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 17.09.2003