Frage: Diagnostik?

Unser Sohn war schon als Baby sehr anstrengend. Er schrie stundenlang und konnte kaum schlafen. Jetzt ist er 19 Monate alt und hat nur Dinge im Kopf, von denen er sich nicht abhalten lässt.So will er ständig Türen öffnen und schließen, Licht an und aus schalten, Fernseher und Radio bedienen und mit dem Bobbycar überall gegen fahren. Ein "nein" ignoriert er einfach.Will ich ihn von seinem Vorhaben abbringen schreit und bockt er und beißt sogar.Das geht nun schon seit Monaten so. Er spricht auch nicht, Kinderbücher mag er nicht, er hat keine Konzentration für Spielzeug.Jetzt bin ich mir unsicher ob ich nicht mal Hilfe suchen soll zwecks Diagnostik, zb. wegen Hyperaktivität, denn es gibt fast keinen Tag, an dem er wegen Übermut nicht irgendwelche Beulen hat.Wir sind sehr erschöpft und hoffen, das es nur ein Prozeß des Loslösens ist. Was sagen sie dazu?

Mitglied inaktiv - 13.09.2004, 13:16



Antwort auf: Diagnostik?

Hallo, mit dem Begriff Hyperaktivität wird heutzutage zu bedenkenlos umgegangen. Mit Hyperaktivität ist in der Kinderheilkunde nicht die reine motorische Unruhe oder Lebhaftigkeit eines Kindes gemeint, sondern die Nervosität, die mit Aufmerksamkeitsdefiziten verbunden ist, und die das Kind daran hindert, sich adäquat mit Gegenständen oder Spielzeug zu beschäftigen. Eine spezielle Diagnostik für Kleinkinder gibt es dafür nicht. Aber die Fragen der gelungenen Bindung bei einem ehemaligen Schreikind und die Frage einer zu harrschen, oft aggressiv aufgeladenen Loslösung bei letztlich doch unsicher gebundenen Kindern müßte in Ihrem Fall diskutiert werden. Unsichere Bindung führt zu stark ertrotzter Loslösung ("kein Nein wird akzeptiert"), oft verbunden mit ersten aggressiven Handlungen ("Beißen"). Wenn man jetzt nicht einsichtig ist als Eltern und versucht, mit Strenge und hartem "Grenzen setzen" sein Kind zu Gehorsam zu zwingen, lehnt sich das Kind nur noch weiter auf, denn es will und muß ja unbedingt sein Selbst durchsetzen. Die Konflikte häufen sich, die Nerven liegen blank. Am besten, Sie wenden sich an eine Beratungsstelle für Erziehungsfragen, die mit dem, eben von mir kurz skizzierten Entwicklungsmodell arbeiten kann. Oder Sie finden eine(n) Psychologi(e)n, der Ihnen bereit ist zu helfen. Es gibt inzwischen niedergelassenene Psychologen, die mit der KK abrechenen können. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 14.09.2004