Hallo, Dr. Posth!
Vielen Dank für Ihre Antwort, das mit der Ursprungsangst sehe ich auch so, es bleiben aber zwei Fragen für mich:
Ist Ihnen bekannt, ob an der These was dran ist, dass in den sogenannten Naturvölkern (schrecklicher Begriff, aber ich hab grad keinen anderen) die Babies tatsächlich weniger schreien?
Wie ist es zu erklären, dass meine Tochter das Schreien/Weinen zwar immer seltener aber manchmal doch noch braucht (wie ich es beschrieben habe)? Ist es so zu verstehen, dass sie etwas verarbeiten muss und ihren Umnut oder ihr Unglücklichsein eben noch nicht verbal ausdrücken kann? Ich versuche immer, ihrem Weinen Worte zu geben, das tut ihr sichtlich gut, aber es ändert nichts am Weinen.
Sie haben völlig Recht, die Selbstregulationstheorie wird oft zu einem "Die brauchen das, am Besten man lässt sie in Ruhe" missbraucht. Interessant auch, dass es dafür keine Untermauerung gibt. Kann man das irgendwo nachlesen?
Ich hoffe doch sehr, dass Ihr Buch noch einen Abnehmer findet. Es braucht so dringend eine Art alternativen Buchmarkt zu "Jedes Kind..." & Co.
Liebe Grüsse,
Christiane
Mitglied inaktiv - 16.09.2002, 21:07
Antwort auf:
Danke für Ihre Antwort und eine Nachfrage zum Schreien
Liebe Christiane, was die Naturvölker angeht und die Gelassenheit ihrer Säuglinge, so muß ich die Behauptungen der jeweiligen Autoren einfach glauben; ich war nicht dort und habe es selbst erlebt. Vermutlich gibt es zuweilen große Augen, wenn man alles nachprüft. Die Beobachtungen von I. Eibl-Eibesfeld klingen absolut überzeugend, zu lesen in: Die Biologie des menschlichen Verhaltens, erschienen im Sehamer-Verlag. J. Liedloff besitzt über ihre Beobachtungen hinaus eine philosophische Weltvorstellung (Kontinuum-Konzept), die sie bei dem von ihr beschriebenen Indianerstamm verwirklicht sieht. Auch hier liegen die Dinge also etwas anders. Prinzipiell ist aber Vorsicht angesagt bei Aussagen über das Verhalten der Naturvölker. Ich möchte mich nicht auf sie berufen.
Noch einmal zu Ihnen selbst. Ich glaube, es ist eine Verblendung, zu behaupten, ein Säugling brauche sein Schreien, um etwas zu verarbeiten. Hier werden psychoanalytische Denkmodelle (Verarbeitung) einfach mit soziopsychologischen Konstrukten zusammengeworfen. Ergebnis: man hat einen praktischen Mix, seine potentielle Unzulänglichkeit, einen Säugling zu trösten, wie wissenschaftlich zu erklären. Der Säugling hat nichts davon, der Erwachsene das beruhigende Klopfen auf der Schulter. Diese Problematik spüren sie ja selbst, wenn Sie schreiben, man sei eben zu nah dran an seinem Kind. Wenn sie sanft mit ihrer Tochter sprechen und sie damit beruhigen, dann ist das der nötige Trost, den sie braucht, und der trägt dazu bei, daß aus ihrer Unfähigkeit zur Verarbeitung von Unglück nicht eine womöglich lebenslange seelische Störung wird. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 17.09.2002
Antwort auf:
Danke für Ihre Antwort und eine Nachfrage zum Schreien
Hab meinen Beitrag grade nochmal gelesen und muss mich korrigieren: wenn ich mich wirklich gut in sie einfühlen und ihrem Weinen die richtigen Worte geben kann, dann verändert es sich und sie wird ruhiger. Leider schaff ich das nicht immer gleich gut, ist wohl so, wenn man so nah an einem Menschen dran ist.
Nochmals Grüsse,
Christiane
Mitglied inaktiv - 16.09.2002, 21:09