Frage: Bezugspersonen

Lieber Hr. Dr. Posth, zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Tipps zur "nächtlichen Brustentwöhnung".Wir hatten Geduld und Erfolg:-) Jetzt habe ich ein anderes Anliegen: Mein Sohn(11Mon.)hat an Bezugspersonen "nur" meinen Mann und mich.Wir haben beide keine Familie,so dass er nicht mal stundenweise fremdbetreut ist.( Ich habe damit kein Problem, wir wußten das ja vorher). Das Verhältnis zum Papa ist seht gut, wenn die beiden mal stundenweise zu zweit sind, werde ich scheinbar nicht zu sehr vermisst:-) Ich gehe mit ihm zum PEKIP, Babyschwimmen, Bekannte mit Kindern besuchen etc., was ihm auch alles sehr gefällt. "Bräuchte" er andere Bezugspersonen?Oder ist es vollkommen ok, dass er "nur" Mama und Papa hat? Ich hoffe, Sie verstehen, wie ich das meine. Vielen Dank im Voraus. Maria

Mitglied inaktiv - 05.03.2007, 09:57



Antwort auf: Bezugspersonen

Stichwort: frühe Fremdbetreuung Liebe Maria, das Thema, das Sie hier anschneiden, ist ja brandaktuell. Muß ein Kind frühe Fremdbetreuung bekommen oder muß es das nicht? In der Bindungstheorie ist zunächst einmal immer nur die Rede von der Mutter und dem Vater. Das sind also die beiden Hauptpersonen in den ersten 2 Lebensjahren des Kindes. Diese "Dreiecksbeziehung" ist, wenn man die Zusammenhänge versteht, für sich schon so dynamisch, daß es eigentlich keiner weiteren Person bedarf, damit das Kind zu seinem 2. großen Ziel im Leben gelangt, das eigenständige Selbst. Das 1. große Ziel ist das Gehen und das geschickte Hantieren als Ausdruck seiner motorischer Unabhängigkeit. Das 3. große Ziel ist übrigens meiner Auffassung nach der Erwerb von Gewissen und Vernunft. Auf natürliche Weise flankieren diese zwei Hauptbezugspersonen automatisch eine Reihe weiterer Menschen zunächst im Familienzusammenhang, die dann u.U. sogar den Status einer Ersatzbezugsperson anehmen. Eine fehlende Familie läßt sich heutzutage leicht durch offizielle Angebote an Mütter und Väter mit Kind ersetzen. Da wäre dann der erste gesellschaftliche Rahmen. Von einem dringenden Bedürfnis nach Fremdbetreuung ist da zunächst nicht die Rede. Wenn man aber -wie jetzt aktuell- beide Eltern für den Produktionsprozeß braucht - aus was für Gründen auch immer - und eine Großfamilie nicht zur Vefügung steht, dann kommt die Fremdbetreuung ins Spiel. Und damit die nun auch richtig überzeugend klingt, wird sie als ein für das Kind unbedingt notwendiger Faktor in der Sozialisation bezeichnet. Denn das Kind könnte, wie jüngst von einer Erziehungswissenschaftlerin gelesen, sich mit seinen Eltern langweilen und vereinsamen. Ich hoffe das war nicht ganz ernst gemeint. Wohlgemerkt, das hier ist kein Plädoyer gegen frühe Fremdbetreuung! Es ist nur die konsequente und richtige Fragestellung dazu: Warum brauchen wir frühe Fremdbetreuung, wem dient sie, und wie kann man sie fachkundig und für die Kindern psychisch unschädlich gestalten? Lesen Sie bitte auch die anderen Antworten hierzu im gezielten Suchlauf. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 07.03.2007