Juli 2021 Mamis

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Geschrieben von Kariali, 10. SSW am 06.12.2020, 19:56 Uhr

Papa fühlt sich als Versager

Mein Mann (27) und ich (36) sind seit fast 2 Jahren verheiratet. Für unser gemeinsames Leben kam er aus der Türkei zu mir nach Deutschland. Wir sind sicher ein unkonventionelles Paar, aber im Großen und Ganzen glücklich. Kulturelle Unterschiede stellen wir natürlich absolut fest, sind aber kaum ein Streitpunkt. Er ist auch kein gläubiger Moslem, was das Leben mit mir als emanzipierte Akademikern wahrscheinlich einfacher macht (und umgekehrt). Das Leben hier in Deutschland ist für ihn aber trotzdem schwierig. Kulturell kommt er super klar, aber durch Corona fiel die Sprachschule länger aus, und so ist immer noch eine gewisse Sprachbarriere da. Zuhause sprechen wir Englisch. Und auf einen Türken, der keine formale Ausbildung hat, hat der Arbeitsmarkt hier natürlich auch nicht gewartet.
Seit Anfang des Jahres versuchten wir schwanger zu werden, zumal ich ja auch nicht jünger werde. Jetzt bin ich in der 10. SSW und wir freuen uns eigentlich sehr! Ich stelle aber auch fest, dass er sich mehr zurückzieht, viel nach seiner Sprachschule nur vor dem Computer sitzt, und dass er öfters trinkt und mehr als nur Tabak raucht. Ich sprach ihn heute mal offen darauf an, und da brach er fast in Tränen aus. Er könne sich kaum auf das Kind freuen, weil er arbeitslos sei und damit nicht der „Versorger“ der Familie. Er fühlt sich als Versager. Von mir finanziell abhängig zu sein und jetzt auch noch nicht so wie er sich das vorstellt für das kommende Kind sorgen zu können kratzt extrem an seiner Psyche. Wir versuchen zwar Teilzeitjobs zu finden, aber das ist ohne Ausbildung und zu Zeiten von Corona schwierig. Darum betäubt er seine negativen Gefühlen mit Substanzen und Ablenkung. Nicht gerade das Vorbild, das man sich für das eigene Kind vorstellt.
Für mich wäre die mentale und tatkräftige Unterstützung viel wichtiger als die finanzielle, aber für ihn als junger Mann aus einer patriarchal geprägten Kultur ist letzteres essentiell und setzt voraus, dass er alles andere kann.
Wir bemühen uns jetzt, für ihn für Januar zumindest einen Teilzeit- oder Gelegenheitsjob zu finden. Alleine kann er das wegen der Sprachbarriere nicht. Durch die Abhängigkeit habe ich manchmal das Gefühl, bereits ein Kind zu haben, oder zumindest einen Teenager, wenn der Frust mal wieder abgelassen wird. Aber ich verstehe ihn auch und versuche, ihn zu helfen.
Ich hoffe, wir schaffen das. Musste ich nur mal eben loswerden. Und vielleicht weiß jemand ja einen Rat.

 
7 Antworten:

Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Sunshine_bebe, 11. SSW am 06.12.2020, 20:17 Uhr

Hallo
Ohje, aber da muss ich dir auch direkt sagen, hört gefälligst auf, englisch zu reden. Meine Kollegin aus Brasilien konnte nach 8 Jahren praktisch kein Deutsch, weil ihr Partner nur Portugisisch mit ihr Sprach. Trotzdem haben wir sie bei uns auf der Arbeit aufgenommen. Sie fiel zwar totaaal ins Kalte Wasser, aber es war ihre rettung. Heute kann sie Deutsch, auch wenn nicht Perfekt, reicht es volkommen. Und das nur dank uns. Sie sagt auch, dass das leben so viel besser ist, da sie sich verständigen kann.
Du musst seine Sprachschule sein. Nur so kann es klappen.
Und wegen Arbeit. Evtl. küchenhilfe, er muss halt bereit sein, alles anzunehmen. Klein anfangen schadet nicht....besser als nix...

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Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Mörchen17 am 06.12.2020, 20:35 Uhr

Hallo,

ich kann verstehen, dass es Deinen Mann nervt, dass er beruflich keinen Boden unter die Füße bekommt. Nicht verstehen kann ich, dass er in dieser Situation zu Alkohol und Drogen greift, für mich wäre die Partnerschaft dann wohl zuende (ich bin da aber auch gebranntes Kind im ziemlich wahren Sinne des Wortes, habe als Kind erlebt, was das in einer Familie anrichten kann, und wäre nicht bereit, mich dem als Erwachsene wieder auszusetzen, so gut es ansonsten funktioniert).

Hat er keine Kontakte zu anderen Türken, die vielleicht in ihrem Laden oder in ihrem Betrieb noch einen Mitarbeiter brauchen könnten oder vielleicht jemanden kennen, der für seinen Laden/Betrieb jemanden braucht? Eigentlich, so habe ich den Eindruck, klappt es innerhalb der türkischen "Community" meistens ziemlich gut, jemanden beruflich unterzubringen, und Deutschkenntnisse sind da naturgemäß nicht so wichtig.

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Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Kariali, 10. SSW am 06.12.2020, 21:22 Uhr

Ja, das mit dem Deutsch wurde uns auch schon öfters gesagt. Wir sprechen auch ab und zu nur Deutsch miteinander, halt situativ. Ich fände es halt unfair neben dem Alters- und Einkommensunterschied auch noch eine sprachliche Ungleichheit mit reinzunehmen. Außerdem würden wir das Kind wohl dreisprachig aufziehen (das Eine-Person-eine-Sprache-Prinzip, mit Englisch als Familiensprache). Klappt bei einem anderen Paar (sie Philippina, er Belgier) ganz gut.
Und ja, er würde jede Arbeit machen. Nur auf Putzjobs hat er sich bisher nicht beworben, weil er selber weiß, dass er da ganz schlecht drin ist

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Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Kariali, 10. SSW am 06.12.2020, 21:30 Uhr

Ich bin da auch sehr zwiegespalten. Alkohol scheint bei Männern in seiner Familie so das Mittel der Wahl zu sein. Seine Mutter hat sich gerade auch von seinem Vater scheiden lassen (u.A. deswegen), und ich habe ihm schon oft den Spiegel vorgehalten. Eine Sucht ist es noch nicht, aber ein ungesundes Verhalten! Ist aber schwer, das als Partnerin rauszukriegen... Ihn an die Männer in seiner Familie zu erinnern hilft manchmal.

Kontakt zu Türken hat und will er nicht. Er sagt, dass die meisten Türken hier in Deutschland "anders" sind. Er mag sie schlicht nicht. Die meisten sind auch Kurden, und mit Kurden hat er irgendwie ein persönliches Problem (alte Familienfehde, das zu ändern habe ich schon lange aufgegeben). Und in der Stadt, in der wir wohnen, gibt es kaum Türken, zumindest haben wir noch keine "gefunden". Dönerbuden werden meist von Leuten aus anderen Nationen betrieben.

Wir versuchen es gerade bei Lagern, Inventuren oder zum Regale einräumen, irgendwie sowas. Wobei bei letzterem halt auch Kunden kommen und was fragen könnten. Aber hey, da muss er dann halt mal durch! Ich denke, er kann eigentlich schon ganz gut Deutsch, er benutzt es halt nur (noch) wenig.

Und ja, er ist ein Sturkopf. Ich aber auch

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Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Tante_Erna am 07.12.2020, 13:33 Uhr

In welchem Bereich hat er denn in der Türkei gearbeitet? Ggf kann er eine Ausbildung anfangen? Dann würde er Geld verdienen und einen Abschluss machen, das würde seinem Selbstwertgefühl gut tun und zugleich seine berufliche Zukunft gestalten.

Viele Ausbildungsbetriebe suchen händeringend nach Auszubildenden. Wenn er dann noch Erfahrungen in dem Bereich mitbringt, sollte es bald auch sprachlich klappen. Anderfalls würden mir noch einfallen: Supermarkt sucht immer (u.a. Regale einräumen), Facility Management (hausmeisterdienste, wenn er handwerklich begabt sein sollte), bei der Stadt (da gibt es ganz unterschiedliche Job, vielleicht ist was dabei?).

Sag ihm, wie du fühlst und dass du an ihn glaubst. Sag ihm auch noch mal, dass du es toll findest, dass er für eure Beziehung umgezogen ist. Und dass du Respekt vor ihm und seinem Mut hast. Denn ganz ehrlich: das ist schon eine Menge und ich finde es toll, dass er das für euch macht. Da hat er jede Menge Zuspruch verdient!

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Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Kariali, 10. SSW am 07.12.2020, 15:42 Uhr

Danke für deinen Beitrag. Der momentane Plan ist auch, dass er nach der Sprachschule zum Kraftfahrer macht. In der Türkei ist er auch oft Lastwagen gefahren, und das macht ihm auch Spaß. Und irgendwann muss er eine Ausbildung machen.

Ich versuche ihm oft zu sagen, dass ich ihn verstehe und unterstütze. Und ja, es ist wirklich krass mutig, in ein fremdes, unbekanntes Land zu ziehen. Dafür schlägt er sich echt gut

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Re: Papa fühlt sich als Versager

Antwort von Tante_Erna am 07.12.2020, 16:07 Uhr

Das ist doch ein super Plan!

Nur als Info: die deutsche Bahn sucht auch immer Menschen, die die Ausbildung zum Lokomotivführer machen wollen. Busfahrer und Straßenbahnfahrer sind ebenso gesucht. Vielleicht wäre das ja auch noch eine Alternative. Ich bin mir sicher, dass das klappt!

Oh und die Lieferdienste der Supermärkte und Getränkemärkte, aber auch DHL suchen auch oft Fahrer. Da findet er bestimmt was!

Ich drücke die Daumen!

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