Frage: Vorwürfe

Hallo Frau Rex, Ich hoffe,ich bin mit meinem Anliegen hier richtig. Eine kurze Vorgeschichte dazu. Die Geburt meines ersten Kindes war nicht ganz einfach und ich musste geschnitten werden, wurde dann eine Stunde genäht und musste anschließend in den Not OP,weil ich bald das Bewusstsein und zuviel Blut verloren hatte. Nach dem holprigen Start, konnte ich mein Glück kaum fassen,da meine erste Schwangerschaft in einer Fehlgeburt endete. Ich war überglücklich,dann holte mich aber die Realität im Krankenhaus ein und die romantische Vorstellung mit einem Baby,die jeder zu Anfang hat,ist nicht so ganz,wie man sich das vielleicht vorgestellt hat. Ich konnte 2 Tage nicht aufstehen,weil mein Kreislauf so schlecht war und mir immer wieder schwindlig wurde. Die eine Hebamme dort sagte noch,dass meine Wunden doch gar nicht so schlimm waren, dass ich hätte soviel Blut verlieren müssen. Dann rennt man selbst im Krankenhaus von Termin zu Termin und jeder dort will was von dir. War alles ungewohnt und das Schlimmste war,dass mein Sohn nur abgenommen hatte,weil einfach kein Milcheinschuss so richtig kommen wollte. Er wurde dort auch 2mal zugefüttert und man sagte noch so vorwurfsvoll,er hat ganz schön Durst gehabt,die hat er so schnell weggezogen,wie als ob ich das mit Absicht machte... Dann wurde mein Kind vor dem Stillen und nach dem Stillen gewogen,am Entlassungstag. Und dort warf man mir regelrecht vor,dass da viel zu wenig kommt,er hätte schon viel mehr trinken müssen,obwohl ich die Tage mein bestes gegeben hatte... Ich habe so bitterlich geweint,ich konnte mich kaum beruhigen,dann wollten sie mir noch vorschlagen,einen Tag länger dort zu bleiben. Ich wollte sofort heim! Und lehnte ab. 255g hatte er dort abgenommen und mit 3000g sind wir nach Hause. Zu Hause ging das Elend weiter und wir haben natürlich zugefüttert,nach dem Anlegen. Das mein Kind hungern müsste,diesen Gedanken konnte ich einfach nicht ertragen. Mein Milcheinschuss kam tatsächlich erst nach 6Tagen! Nach einer Brustentzündung und viel schreien,nach dem Stillen und 2 Wochen weinen,habe ich abgepumpt und wenn es nicht gereicht hat,zusätzlich Pre gegeben. Mein Kleiner ist heute 5 Monate alt und ein fröhliches Baby,hat wunderbar zugenommen und trinkt auch immer sehr gut und das freut mich sehr. Auch hatten wir nie Probleme mit Koliken und durchgeschlafen,hat er sehr zeitig. Der Kinderarzt war auch immer zufrieden. Ich konnte ihm allerdings nur etwas über 4 Monate Muttermilch geben,da die Milch dann wirklich so wenig wurde gegen Ende,dass es dann keinen Sinn mehr gemacht hat und jetzt bekommt er nur noch Pre und bald auch Brei. Und obwohl ich ein zufriedenes Baby sehe,habe ich immer wieder diesen Gedanken versagt zu haben. Denn Stillen ist ja das Beste für ihr Kind... Wird einem überall vor die Nase gehalten und im Krankenhaus wurde mir das auch ständig gesagt. Ich kenne auch einige,den es so ähnlich ging wie mir und dann denke ich mir,hast ja wenigstens dein bestes gegeben. Wenn ich aber welche höre,die gar keine Probleme zu Anfang hatten und mit dem Stillen alles klappt,dann erwische ich mich immer,wie ich vielleicht etwas neidisch werde und mir denke,warum hat es bei dir nicht geklappt und mache mir große Vorwürfe,dass ich meinem Sohn nicht mehr bieten konnte. Wie kann ich mich von diesem Gedanken befreien? Auch denke ich dann immer,dass nicht nur ich versagt habe,sondern auch mein Körper. Viele Grüße

von Freya123 am 02.08.2021, 11:49



Antwort auf: Vorwürfe

Liebe Freya123, ich kann deine Gedanken absolut verstehen. Vielleicht tröstet es dich ein wenig, dass diese Erfahrung sehr viele Frauen leider machen. Du bist damit leider nicht alleine. Ich kenne fast genau die identische Geschichte nur zu genüge. Ich mache mittlerweile seit 20 Jahren Hausbesuche in der Wochenbettbetreuung und genau diese Gedanken und diese Situation erleben leider viele frischgebackene Mütter. Du wirst aber sicherlich in jedem Moment immer mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben und von daher sind deine Entscheidung in diesem Moment genau richtig gewesen. Zurückblickend siehst du es nun anders und machst dir diese Vorwürfe. Die du dir aber überhaupt nicht machen brauchst. Dein Körper benötigte nach den Strapazen der Geburt einfach Zeit um sich zu erholen. Jeder Körper benötigt diese Zeit. Wenn dann noch zusätzlich eine Operation dazu kommt, steht dem Körper ein paar Tage mehr Zeit zu. Frauen die eine normale und unkomplizierte Geburt haben, haben in der Regel irgendwelche Entschluss zwischen dem dritten und vierten Tag. Frauen die aber einen Kaiserschnitt hatten, eine anstrengende Geburt oder sogar nach der Geburt noch eine Operation hatten, Bei Ihnen benötigt der Körper eher 4-6 Tage. Also, hat dein Körper völlig normal und richtig gehandelt und die Prioritäten deines Körpers lagen erst mal darin sich zu erholen und Kraft für die Milchbildung zu sammeln. Zu dem Gewicht deines Kindes. Ich weiß leider nicht das Geburtsgewicht deines Kindes aber du kannst es im Nachhinein noch selber nachrechnen. Die Kinder dürfen nach Geburt innerhalb ihrer ersten Lebenstage 10 % von ihrem Geburtsgewicht abnehmen. Die meisten Kinder fangen erst an wieder langsam zu zu nehmen, wenn der Milch Einschuss richtig da ist. Das nächste Ziel sollte dann sein, dass das Kind zwischen dem 10. und 14. Lebenstag das Geburtsgewicht erreicht hat oder wenigstens knapp unter dem Geburtsgewicht ist. Vielleicht kannst du die Gewichtskurven deines Sohnes noch ein wenig nachvollziehen und im Nachhinein werden dich die Zahlen etwas beruhigen können. Du hast es übrigens auch völlig richtig gemacht und bist nach Hause gegangen. Dies war eine sehr gute Entscheidung, die du aus deinem Bauch heraus getroffen hast. Mein Tipp ist bei den Frauen die ich begleite auch immer: wenn es mit dem stillen nicht klappt, geh nach Hause. Zu Hause haben die meisten Frauen wesentlich mehr Ruhe, ihr eigenes Essen, ihren eigenen Schlafrhytmus und so weiter. Wie du schon schreibst, du hast vier Monate lang alles gegeben, damit ein Kind Muttermilch bekommt. Dies hätten sicherlich auch nicht alle Mütter gemacht und hätten viel früher schon auf Flaschen Milch umgestellt. Darauf kannst du sehr stolz sein! Hast du eine Hebamme im Wochenbett gehabt? Wenn du magst, kannst du auch noch mal mit ihr darüber sprechen. Dies zahlt dir immer noch die Krankenkasse. Vielleicht hilft es dir auch noch nach dieser Zeit einen Brief an die Wochen Station zu schreiben. Die meisten Krankenhäuser haben Feedbackbögen. Den wirst du wahrscheinlich nach fünf Monaten nicht mehr haben, könntest du ihn dir aber besorgen oder schreibst einfach einen freien Brief. In diesem Brief schreibst du es genau so wie du es empfunden hast. Denn nur wenn sich netter äußern beziehungsweise beschweren, kann sich auf den Stationen auch Etwas ändern. Meistens hilft es, wenn man seine Gedanken nieder schreibt um einfach auch los zu lassen von dem was erlebt worden ist. Und wenn du zehnmal diesen Brief beginnst und wieder abbrichst. Es wird dir helfen dies zu verarbeiten und du wirst sehen dir geht es danach besser! Du bist in jedem Moment auf jeden Fall eine ganz wunderbare Mutter, die sich sehr viele Gedanken um das Wohl eines Kindes macht. Das spricht absolut für dich! Sei stolz auf dich, denn wirst wahrscheinlich auch sehr ausgeglichen sein denn ansonsten wäre dein Sohn nicht genauso. Genieße nun die Zeit mit deinem Sohn, denn ausgeglichene Kinder sind etwas ganz wertvolles! Liebe Grüße Steffi Rex

von Stephanie Rex am 03.08.2021



Antwort auf: Vorwürfe

Hallo, Ich bin zwar nicht Frau Rex und sie wird sicher noch antworten, aber es ist mir ein Bedürfnis dir zu schreiben. Fühl dich erst mal ganz lange gedrückt und nein, du hast nichts falsch gemacht, Sondernummer meinen Augen alles richtig. Ich kenne, das Gefühl, meine erste hat 6 mo jede halbe Stunde/ Stunde getrunken und war ein absolutes Schreibsby und ich war von der stillerei so fertig und hab mir ähnliche Gedanken gemacht, wie du, aber du hast alles richtig gemacht. Dein Sohn hat genug Nahrung bekommen , dass er satt wurde und ob das durch zufüttern passiert oder nicht, ist doch komplett egal, du hast deine Bedürfnisse erkannt und darauf reagiert, eine bessere Mama kannst nicht sein… den nestschutz hast du ihm ja durchs stillen mitgegeben. Und du hast die Situation trotz der schwierigen Geburt und obwohl es dir alles andere als gut ging bravourös gemeistert. Du hast alles andere als versagt….. du Bistum meinen Augen eine vorbildliche Mama, die auf die Bedürfnisse ihres Sohnes eingeht und die alles richtig gemacht hat. Lass dich nicht verunsichern, auch nicht von dir selbst, du machst das prima !!!

von Birgsi am 02.08.2021, 13:05



Antwort auf: Vorwürfe

Vielen Dank, für deine lieben Worte.

von Freya123 am 02.08.2021, 13:58



Antwort auf: Vorwürfe

Ich wollte dir auch ganz liebe Grüße dalassen: du bist eine ganz wunderbare Mama und hast ALLES für dein Baby gegeben und ganz toll 4 Monate den Nestschutz mitgegeben Nur die Leute im Krankenhaus waren total blöd zu dir. War bei mir leider auch so. Habe vor 6 Monaten entbunden und mein Milcheinschuss hat auch ewig gedauert. Mein Kleiner hatte sogar Durst Fieber und ständig kam nur von den Schwestern: ich solle mehr und mehr anlegen, aber es kam einfach nichts. Mein Schatz musste so weinen bis er endlich etwas Pre bekam um das Fieber zu senken. Zuhause kam dann der Milcheinschuss und ich kann seitdem stillen. Aber wird mir nie aus dem Kopf gehen, wie man mir vermeintlich die Schuld gegeben hat, dass mein Kind hungert und sogar fiebert wegen mir. Ich verstehe deine Gefühle, aber sowohl du als auch ich haben von Anfang an alles gegeben, haben aber Unterstützung gebraucht und keine blöden Kommentare. Alles Liebe euch Beiden

von Juji am 02.08.2021, 21:53



Antwort auf: Vorwürfe

Vielen Dank,für deine Antwort. Schön wenn ihr euren Weg gefunden habt Oh je du Arme. Tust mir da auch richtig leid! Ich kann das total nachvollziehen,bei mir waren einfach zu wenig Schwestern,für die ganzen Leute da. Und so wurde man einfach schnell abgespeist. Sie haben sich keine Zeit für einen genommen und konnten auch nicht. Mein Kleiner hat auch vor Hunger geweint und da meinte die Schwester von der Frühschicht,ich darf erst stillen,wenn sie ihn gewickelt hat,weil er noch gewogen werden musste. Ich habe ständig auf den Knopf gedrückt,dass mal jemand kommt zum wickeln,weil er so schrecklich weint. Eine halbe bis dreiviertel Stunde musste ich ihn weinen lassen,bis die Schwester endlich mal Zeit hatte. Ich hab da gleich mitgeweint. Die haben dort richtig Druck auf einen aufgebaut. Deswegen wollte ich auch auf keinen Fall länger bleiben. Zugefüttert wurde ja nicht, außer ausnahmsweise 2 Mal. Was hätte also der eine Tag genützt,außer genervte Schwestern und das mein Kleiner noch mehr abgenommen hätte... Das Krankenhaus war für mich auch eine ganz schreckliche Erinnerung.

von Freya123 am 02.08.2021, 22:19



Antwort auf: Vorwürfe

Du hast das richtige gemacht, dass du nach Hause gegangen bist. Du hast deinen Instinkten vertraut und das Beste für dein Baby und dich gemacht. Das verarbeiten dieses Erlebnisses ist ganz wichtig, ich habe ganz oft mit meinem Mann darüber gesprochen und er hat mir die Last genommen eine vermeintlich schlechte Mutter zu sein, weil anfangs zu wenig Milch da war. Du bist eine ganz tolle Mama und sowieso die beste Mama für dein Baby

von Juji am 03.08.2021, 11:57



Antwort auf: Vorwürfe

@ Frau Rex Vielen Dank für diese liebe und ausführliche Antwort. Mein Kleiner hat zur Geburt 3255g gewogen und hatte damals somit 10% abgenommen,sein Geburtsgewicht hatte er allerdings schnell wieder drauf bekommen und ist auch jetzt eher ein Wonneproppen. Danke für den Tipp,ich kann mich noch an die Bewertungsunterlagen erinnern,aber ich weiß,ich war damals zu fertig mit den Nerven,da hab ich diese einfach liegen lassen. Doch ich werde das nochmal in Angriff nehmen. Ich fühle mich jetzt viel besser, dass hat mir wirklich geholfen,was sie geschrieben haben. Vielen Dank dafür! Auch nochmal Danke an die anderen beiden Muttis,eure Worte haben mich sehr berührt. Alles Gute euch!

von Freya123 am 04.08.2021, 06:20



Antwort auf: Vorwürfe

Verzeihung,er hat ja "nur" 255g verloren,also nicht ganz die 10%. Da mir im Krankenhaus erzählt wurde,es wäre schon grenzwertig gewesen,hatte ich jetzt diesen Denkfehler .

von Freya123 am 04.08.2021, 15:32