Frage: Mangelerscheinungen

Hallo Fr. Neumann, auch uns plagt der tägliche Kampf ums Essen und Trinken. Da meine 18Monate alte Tochter sehr einseitig ißt mache ich mir langsam auch Sorgen um eventuelle Mangelerscheinungen. Sie ißt nur sehr wenig verschiedene Lebensmittel und jegliche Versuche ihr Neues schmackhaft zu machen mißlingen. Unser Speiseplan sieht seit ca. 4 Monaten wie folgt aus: morgens 150 ml stark verdünnte Folgemilch 1 (seit Norovirus nur noch so), ca.30 min später 100g Fruchtpause mit Getreidebrei (ab 4.Mon.) etwas verdickt angerührt. Dann ißt sie, wenn ich Glück habe im Laufe des morgens entweder eine halbe Brezel oder ein halbes Butterbrot oder eine halbe Banane. Sie geht gegen 12 Uhr mit 150 ml stark verdünnter Folgemilch 1 ins Bett, hat aber den ganzen Morgen dann nichts mehr getrunken. Nach dem Mittagsschlaf gegen 15Uhr ißt sie ca. 120g Nudeln (meist Fadennudeln) mit einer ganz leichten Hühnerbrühe. Sobald ich irgendetwas anderes probiere unterzumischen wird verweigert. Ich habe es auch schon mit Salzkartoffeln probiert. Die ißt sie aber auch nur "trocken" und verweigert nach spätestens einer kleinen Kartoffel. Trinken will sie nicht, maximal 5 Schluck. Den restlichen Mittag will sie gar nichts. Wenn wir irgendwo zu Besuch sind und es gibt Kaffee u. Kuchen, dann möchte sie entweder Sesamstengel oder Brezel oder einen geschabten Apfel haben. Zum Abendessen versuche ich ihr immer Brot anzubieten. Dann will sie aber nur Wurst und das immer die gleiche: Schwarzwurst mit Senf. Gibt es Wurstsalat will sie am liebsten nur die Soße. Wenn ich Glück habe ißt sie sie statt der Wurst auch mal ein halbes Ei oder zwei Scheiben Käse. Vor dem Schlafengehen trinkt sie dann nochmal 300ml Folgemilch 1, weil sie in der Regel auch mittags und abends kaum etwas trinkt. Ich bin wirklich langsam ratlos wie ich ihr sowohl beibringen kann etwas neues sprich Gemüse zu essen (manchmal will sie Gurke u. spuckt sie sofort wieder aus, auch Kuchen oder Kinderkekse gehen sofort wieder aus dem Mund...) bzw. mehr tagsüber zu trinken. Ich weiß, daß es ein großer Fehler ist, sie alleine zu füttern und nicht beim Mittagessen am Tisch zu haben. Aber zum einen ist sie da so müde, daß sie nur quengelt und keine 5 Minuten sitzen bleibt und zum anderen macht sie mich wahnsinnig, da ich auch bei ihren Nudeln jeden Löffel einzeln in sie hinein bitten muß. Sie spielt beim Essen oder wir lesen ein Buch, daß sie abgelenkt genug ist, daß sie auf ihrem Stuhl sitzen bleibt und den Mund aufmacht. Mit 80cm und 12kg und einem sehr munteren und aktíven Wesen ist sie eigentlich super entwickelt (spricht auch schon unheimlich viel...), aber dennoch weiß ich langsam nicht mehr ob das so auf die Dauer gut gehen kann. Ich lese immer wieder, daß es anderen ähnlich geht, dann beruhige ich mich wieder etwas, aber spätestens am Mittagessen rege ich mich wieder auf... Grüße Susanne

Mitglied inaktiv - 13.08.2008, 08:36



Antwort auf: Mangelerscheinungen

Hallo Susanne dein Kind ist noch klein und lernt das Essen erst kennen. Bisher ist deine Kleine nur einige wenige Speisen gewohnt. Was sie gerne mag, kennt sie und verträgt sie. Das schafft Vertrauen in Situationen, ich vermute, dass du noch zu sehr im Essschema für Babys denkst und handelst: Festgelegte und klar definierte Mahlzeiten gibt es zu bestimmten Tageseiten. Oder dass du dein Kind füttern musst und aufpassen, dass es isst. In diesem Alter kann sich das aber sehr verändern. Die Kinder wachsen nicht mehr so schnell und brauchen insgesamt weniger Nahrung. Aber die Nahrungspalette kann vielseitiger gestaltet werden und dem üblichen Familienessen immer weiter angepasst werden. Die Speisen sollten kindgerecht sein, aber durchaus schmackhaft. So wären auch Pommes oder Würtschen, sowie Pfannkuchen etc durchaus möglich. Gläschen braucht dein Kind nicht mehr. Auch keinen Brei . Auch die Folgemilch solltest du abschaffen. Wenn dein Kind drustig ist, wird es trinken. Bisher hat dein Kind durch die Milchmengen überhaupt keinen Durst und trinkt es deshalb auch kein Wasser. Zur Umstellung könntest du die Folgemilch kontinuierlich immer weiter verdünnen mit dem Ziel: 100% Wasser , das idealerweise aus dem (Trinklern-)Becher oder wenigstens durch den Schnabelaufsatz auf dem Fläschchen getrunken wird. Statt Folgemilch kannst du Kuhmilch geben, die du evtl mit ein bisschen Kakaopulver geschmacklich etwas aufpeppst. Wahlweise auch Naturjoghurt, den du mit Marmelade süßt. Beginne ganz einfach lockerer damit umzugehen. Dein Kind sei gut entwickelt und deshalb musst du dir wegen Mangelerscheinungen keine Sorgen machen. Warum isst du eigentlich nicht mit? Du "fertigst" dein Kind ja in gewisser Weise ab, so als würdest du Windeln wechseln. Da bleibt der Genuss, das gemiensame Esserlebnis völlig auf der Strecke und deine oder Papas Vorbildfunktion fehlt dadurch. Essen wird zur Pflichteinheit typisiert. Dein Kind streikt. Die Zeit des größten Wachstums ist längst vorbei. Die Kinder brauchen nicht mehr so viel Nahrung wie zuvor. Manchen Kindern reichen schon kleinste Mengen aus. Wichtig ist, dass du das akzeptierst, wenn es so ist. Trotzdem ist es wichtig, dass auch mittags gemeinsame Mahlzeiten stattfinden, bei denen dein Kind die Möglichkeit erhält zu essen oder nicht zu essen und dass Auswahlmöglichkeiten gegeben sind. Dass dein Kind die Gelegenheit erhält, Neues zu probieren. Wichtiges Kriterium der Familienkost ist es, dass ein Kind nun als vollwertiges Familienmitglied behandelt wird. Es bekommt einen eigenen Teller und eigenes Besteck. Auch mit den Fingern zu essen, sollte dem Kind erlaubt sein. Und auch das Frühstücksbrot kann morgens hinzukommen. Nicht alle Kinder mögen alle Obst-und Gemüsesorten gerne essen. Manche essen gar nichts und manche haben zwei bis drei Lieblingssorten. Andere Kinder mögen Fleisch nicht so gerne essen und wieder andere verabscheuen Milchprodukte. Als Mutter kann man schon daran verzweifeln, wenn die lieben Kleinen nicht so essen wollen, wie man sich das wünscht. Und vor allem wie es in den allgemeinen Ernährungsempfehlungen geschrieben steht. Kinder wissen nichts von Ernährungsempfehlungen und essen einfach dann, wenn es ihnen schmeckt, oder wenn sie hungrig sind. Und sie essen vor allem das gerne, was sie kennen. Bei manchen Kindern kann das sehr ausgeprägt sein. Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem Neuen. Das betrifft eben das Essen und ist aus Urzeiten eigentlich eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Die Kinder beurteilen das Essen auch nach der Verträglichkeit. Diese Veträglichkeit ist subjektiv und von Aussenstehenden nicht immer direkt nachvollziehbar. Die Vererbung hat nach neuerer Studie einen großen Einfluss auf das Essverhalten und vor allem auf diese sog.Neophobie. Ãœbrigens sind süsse LM u.a. so begehrt, weil sie nahrhaft sind. Sprich, sie liefern auf kleinstem Raum viel Nahrungsenergie. Fett (Pommes) hat viele Kalorien, aber nimmt nur wenig Volumen ein, sodass eine Mahlzeit zwar klein erscheinen mag, weniger Essaufwand erfordert, aber trotzdem gut sättigt. Hier lohnt das Selberzubereiten. Süßes vermittelt ein rasches Sättigungsgefühl, was evolutionär bedingt eine ebensolche Berechtigung hat. Gemüse dagegen hat zwar Vitamine Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, aber bringt null Sättigung. Die sekundären Pflanzenstoffe hingegen sind manchmal schwerer verdaulich. Individuell verschieden. Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde. Mit viel Fett - Rahmspinat. Ketchup: sehr hoher Zuckergehalt. Erbsen: leicht süßlicher Geschmack. Pizza: fettreich Da gibt es einige Beispiele. Fleisch ist schwer zu kauen. Deswegen sind Würstchen meist beliebter. Und Hackfleisch. Das Wichtigste wäre, dass euer Kind neue Speisen probiert. Immer und immer wieder. Ausspucken erlaubt. Manchmal ist so eine Situation nicht der Essenstisch, sondern vielleicht der Spielplatz, bei der Oma, im Urlaub, im Restaurant etc Denn nur über das Probieren können neue Esserfahrungen gesammelt werden. Auf diesen Erfahrungen beruht genussreiches Essen und darauf basiert widerum die Appetisteuerung. Kinder sollten bis zu 10 mal etwas probiert haben, bevor sie es wirklich gut akzeptieren und sich an den Geschmack gewöhnt haben. Auch der Geruchssinn spielt eine große Rolle. Denn noch bis ins Erwachsenenalter (lebenslang) hinein sind solche Erinnerungen mittels Geruchssinn aktiv, und die Bereitschaft später im Erwachsenenalter eine Speise zu probieren, ist dadurch sehr gross. Somit nimmt die Geruchsprägung noch vor der Geschmacksprägung eine wesentliche Rolle ein. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Appetitsteuerung viele Faktoren zusammenspielen. Eine ganz wichtige Rolle spielt auch die individuelle Verdauung der Speisen, die u.a. von der mikrobiologischen Darmbesiedelung abhängt. Jedes Kind hat seine Favoriten. Dieses Herauszufinden, ist schon mal was wert Dazu ist es wichtig, dass ein Kind ein möglichst breitgefächertes Repertoire hat, aus dem schöpfen kann. Das bedeutet, dass möglichst viel probiert werden sollte. Hier noch ein paar ganz allgemeine Infos zum Thema ESSEN: Was du schreibst, beklagen übrigens nicht wenige Mütter: Das Kind möchte nicht das essen, was es sollte und esse zu wenig. Als Mutter kann man schon daran verzweifeln, wenn die lieben Kleinen nicht so essen wollen, wie man sich das wünscht. Und vor allem wie es in den allgemeinen Ernährungsempfehlungen geschrieben steht. Kinder wissen nichts von Ernährungsempfehlungen und essen einfach dann, wenn es ihnen schmeckt, oder wenn sie hungrig sind. Das zu essen, was das Kind kennt und ihm schmeckt, gibt eine gewisse Sicherheit. Essen hat nicht nur Geschmack, Konsistenz, Nährstoffe und Vitalstoffe, sondern auch andere Begleitstoffe. Mittels bestimmter Verarbeuitungstechniken ist es uns gelungen Lebensmittel essbar und geniessbar zu machen. Kinder lehnen vor allem den Geschmackseindruck "bitter" ab. Du würdest selber auch keinen Kaffee trinken, wenn du nicht wüssest, dass er auf eine Art und Weise gut tut. Hätte Kaffee nicht diese Eigenschaft, würdest du Kaffee nicht trinken, weil er bitter schmeckt. Dein Körper bringt das jedoch durch die Erfahrung mit einem bestimmten "Gefühl" in Verbindung und will MEHR und immer wieder. Einseitiges Essen, das aber trotzdem einigermassen ausgewogen ist und das Kind sättigt - kein Problem. Langsam und unmerklich lässt sich die Palette der Gerichte erweitern Grüsse Birgit Neumann

von Birgit Neumann am 15.08.2008