Hallo,
ich stelle eine vielleicht ungewöhnliche Frage: meine Tochter, mittlerweile 3 Jahre alt, liebt Obst und isst mit Abstand am meisten davon tagsüber. Sie war und ist abgesehen von Obst kein großer Esser.
Sie fordert das Obst aktiv ein.
Ein typischer Tag beginnt mit zB einer Nektarine - manchmal dazu ein Hörnchen oder Butterbrot -, danach isst sie sich mit Obst durch den Vormittag (Himbeeren, Erdbeeren, ein bisschen Banane etc), zu Mittag isst sie meist wenig und bevorzugt Pasta, (und auch eine süße Nachspeise ;-).und danach geht es bis am Abend weiter mit "Mama, hast du noch Melone? Mama, ich will einen Apfel usw."
An manchen Tagen komme ich auf rund einen kg Obst!
Ist das zuviel an Fruchtzucker? Mein Mann ist der Meinung, dass sie weniger Obst und mehr "richtige" Nahrung (Nudeln, Brot etc) zu sich nehmen sollte. Aber wenn es ihr so schmeckt?
Danke für Ihre Meinung und liebe Grüße
von
kathrinundclara
am 09.08.2019, 21:47
Antwort auf:
Kann ein Kind zu viel Obst essen?
Hallo kathrinundclara
solche und ähnlich monotone Essphasen durchleben viele Kinder. Solche Phasen gehen meist (schnell) vorüber, weil der Körper irgendwann genug hat und Neues bzw Anderes fordert. Man spricht hierbei von der spezifisch sensorischen Sättigung. Wie ich bei deiner Anfrage allerdings zwischen den Zeilen zu lesen glaube, verhält es sich mit dem ausgeprägten Obsthunger bei deiner Tochter anders.
Du schreibst dass deine Tochter "keine gute Esserin" sei und am liebsten süßes Obst esse.
Ich würde schon sagen, dass es definitiv zuviel Obst ist und eine Änderung der Essgewohnheiten durchaus anzustreben wäre.
Denn: Kinder essen am liebsten das was sie kennen. Und das was sie kennen, das essen sie am liebsten.
Das viele Obst schmälert doch sicher den Appetit und der Hunger für andere Speisen, für neues Essabenteuer bleibt dadurch aus. Dadurch entgeht deiner Tochter die Chance auch andere Lebensmitelgruppen zu essen bzw Neues kennenzulernen. Es fällt ihr dadurch evtl schwerer, sich in die Essgemeinschaft in gewünschter Weise einzufügen und einfach mitzuessen was alle essen, weil sie einfach keinen Hunger/keinen Appetit/keinen Essanreiz spürt. Andere Lebensmittelgruppen können im Speiseplan dadurch zu kurz kommen, die Ernährung zu einseitig werden.
Nun bin ich immer an einer differenzierten Betrachtung interessiert und um eine individuelle Antwort bemüht. Dennoch kann meine Antwort hier im Forum immer nur allgemein ausfallen und stets nur auf den mir zur Verfügung stehenden Schilderungen (anhand der in der Frage formulierten Randdaten) antworten.
Wie oben erwähnt, sind einseitige Essvorlieben bei Kindern häufig sehr verbreitet. Bei euch betrifft die bevorzugte Auswahl eine ganze Lebensmittelgruppe.
Versuche dies zu ändern.* Denn zu viel Obst, zu viel Fruchtzucker ist, um es ganz banal auszudrücken - tatsächlich ungesund.
Grüße
Birgit Neumann
P.S.
Hier folgt noch ein bisschen Allgemeines zum Thema ausgewogene Ernährung.
Kennst du die sog. Ernährungspyramide oder den Ernährungskreis?
Kreis:
Hier werden die unterschiedlichen Lebensmittelgruppen (Getreide, Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse etc) in unterschiedlich großen Segmenten gezeigt und verdeutlichen dadurch den ungefähren Anteil in der täglichen Ernährung.
Pyramide.
hier stehen die Lebensmittelgruppen zu einer Pyramide aufgetürmt.
Die mengenmäßig größte zu verzehrende Gruppe bildet die Basis. Zur Spitze hin wird der Anteil der täglich zu verzehrenden Menge kleiner. Ganz oben sind hier sichtbare Fette bzw Süßigkeiten und Knabbereien.
Ganz allgemein sieht die Empfehlung für eine ausgewogene Kost etwa so aus:
das tägliche Essen sollte bestehen aus:
Reichlich Getreideprodukten wie Brot, Nudeln, Reis etc (Basis) - macht langanhaltend satt
dazu reichlich Obst und Gemüse, etwa 5 P am Tag (1 P entspricht der Größe einer hohlen Kinderhand) - 2 P Obst + 3 P Gemüse
gefolgt von Milch- und Milchprodukten (mit 3: etwa 330-350 ml am Tag)*
Fleisch, Fisch (ca 30 -40g am Tag)
Fette und Öle
am wenigstens sollte der Anteil Süßigkeiten sein (max 10% der Tageskalorienmenge)
*Ca 15 g Schnittkäse wie Gouda, Edamer (= ca 1/2 Scheibe) oder 30 g Weichkäse (Camembert ohne Rinde), ca 30-40g Frischkäse, 100 g Joghurt ersetzen ca 100 ml Kuhmilch (Trinkmilch).
Es ist durchaus empfehlenswert, dass du dich daran orientierst bzw dich daran in etwa annäherst. Die Obstmenge kann durchaus weiterhin bei deiner Tochter bei einer noch etwas größeren Menge als vorgeschlagen liegen, wenn dein KInd weiterhin viel Bedarf hat. Du darfst aber ruhig das Speisenangebot in neue Bahnen lenken und deine Tochter mit einem vielseitigen Nahrungsangebot vertraut machen. Die Mengenangaben können auf eine Woche hochgerechnet werden. Manchmal essen Kinder an einem Tag viel und am anderen Tag wieder weniger. Im Mittelmaß bleiben die Mengen in etwa gleich.
Starke bzw sehr auffällige Abweichungen von den üblichen Empfehlungen (oben), dürfen und sollten ggf nochmals vom KiA beurteilt werden. Sie können evt Hinweise zum Entwicklungsstand bzw evtl organische Gründe liefern.
*Merke:
Du als Mama, du bestimmst das Essensangebot und dein Kind darf aus diesen Möglichkeiten (verantwortungsbewusste Auswahl) wählen und die Menge verzehren, die sie schafft.
Bei Kuchen, Keksen und anderen Süßigkeiten oder Chips darfst und solltest du die Menge vorgeben und regulieren, Ausnahmen sind ab und zu natürlich erlaubt :)
Mit 3 (möglichst) gemeinsamen Hauptmahlzeiten und 2 ZMZ kann sich ein Kind aus dem ausgewogenen, gesunden Speisenangebot ausreichend bedienen. Das Angebot sollte aus gesunden, schmackhaften, leckeren Gerichten und Basics bestehen. Keks und Co sind in kleinen Mengen, einmal am Tag in Ordnung.
Vielleicht hilft es dir, wenn du mal ein paar Tage eine Liste führst und dir genau aufschreibst, was und wann und wo deine Tochter isst und trinkt.
Weißt du, Kinder sind nämlich sehr anpassungsfähig. Sie können eine Mahlzeit bei Nichtgefallen einfach ausfallen lassen oder nur ein bisschen davon essen. Bei der nächsten Mahlzeit holen sie sich aber ihren notwendigen Kaloriennachschub, zur Not auch bei der übernächsten. Wenn ihnen das Angebot bei einer Mahlzeit nicht zusagt, schaffen sie es problemfrei bis zur nächsten Mahlzeit. Und genau hier liegt der Hund begraben. Wenn du deinem Kind statt einem Mittagessen von welchem sie nur wenig isst, stattdessen kurze Zeit später ihr selbst gewähltes Essen (Obst) gibst, dann kann sie nicht lernen das zu essen was auf den Tisch kommt. Sie wird stattdessen lernen, bei Nichtgefallen auf die nächstbessere Mahlzeit zu warten um sich daran satt zu essen.
Wenn deine Tochter sich also an Obst satt ist, fehlt ihr vermutlich der Anreiz um bei den eigentlichen Mahlzeiten gut mit zu essen.
Deine Tochter ist schlau genug und weiß inzwischen genau wie sie vorgehen muss.
Wie wäre es, wenn du ab morgen das Obst reduzierst und dieses nur zweimal täglich in einer vorgegebenen Menge anbietest?
Macht daraus eine Art Ritual, das verlässlich und jeden Tag wiederkehrt. Mit dieser Sicherheit, dem WANN es Obst gibt und der klar definierten Menge (bleibe konsequent aber ehrlich in deiner Haltung) wird deine Tochter schnell lernen umzugehen.
Deine Tochter erhält damit die Möglichkeit sich künftig im gewünschten Rahmen mit der angebotenen Nahrung bei Tisch auseinanderzusetzen und diese mögen lernen.
Essen lernen funktioniert durch die Gewöhnung daran. So banal das klingt, so einfach es tatsächlich.
Deine Tochter sollte lernen, auch andere Speisen zu mögen.
Hilft dir das weiter?
von
Birgit Neumann
am 11.08.2019