Hallo Birgit!
Ihr Rat hat mir in letzter Zeit sehr genützt deshalb wende ich mich an dich wieder. Unser Sohn wird heute 11 Monate. Bisher hat er immer tagsüber 700 bis 800 ml getrunken und zeigt kein besonderes Interesse an Beikost. In den letzen 4 Tagen jedoch hab ich den Eindruck, dass sein Interesse an Milch nachlässt. Zu üblichen Zeitpunkten, insbesondere am Morgen weigert er komplett die Flasche. Also wenn ich ihm die Flasche gebe dann dreht er sich weg. Milchbrei wird aber akzeptiert. Bei anderen Gelegenheiten trinkt er auch höchstens 150 bis 170 ml. Jetzt tagüber nur noch 400 bis 600ml. Wir haben dann ihm dreimal am Tag Beikost angeboten (früher was es zwei).
Meine Frage wäre, ob die Milchmenge reicht? Und da wir jetzt dreimal Beikost zubereiten bin ich auch interessiert, wie der optimale Speiseplan aussehen könnte.
Jetzt sieht es so aus:
Morgens um 8: Milchbrei (120ml Milch) mit Rührei, dazu Erdbeer oder Bananastücke zum Kauen
nach dem Morgenschlaf Milch ungefähr 130
Mittags um 12: Nudeln, Gemüse-Fleisch-Brei, dazu Gemüsestückchen zum Kauen
nachmittags Flasche Milch 150 bis 170ml nach dem Mittagsschlaf, ggf. Obst püriert
Abends Getreidebrei mit püriertem Gemüse
vor dem Schlaf eine Flasche Milch bis 150 ml
Da Sie gesagt haben dass Saugbedürfnis in gewissem Alter nachlassen wird denke ich, dass es wohl ein Zeichen ist ? Reicht die Milchmenge aus? Er kann leider noch nicht selbstständig essen und spielt höchstens mit dem Löffel, führt ihn aber selten zum Mund. Er zeigt eigentlich auch wenig Signal, wann er hungrig ist, sodass ich mir manchmal Sorge mache, dass sein Hungergefühl irgendwie gestört ist...Soll ich ihn etwa mal richtig hungern lassen bis er quengelig wird (was selten der Fall war) oder soll ich einfach weiter machen und ihm zur Mahlzeit was anbieten und ihn selbst entscheiden lassen, wieviel er isst? Würde ich ihn etwa "verwöhnen"?
Sorry für so viele Fragen!
Vielen Dank!
von
KUSCHELKATZE
am 11.05.2022, 09:05
Antwort auf:
Baby 11 Monate verweigert plötzlich Milch
Hallo KUSCHELKATZE
im Alter deines Kindes rechnet man mit etwa 400-500 ml Säuglingsmilch täglich. Der Rest sind Beikostmahlzeiten. Ihr liegt derzeit noch deutlich darüber. Es ist also völlig angemessen, dass der Bedarf deines Kindes an Milch momentan sinkt.
Da dein Kind sich zuvor noch viel mit Milch sättigen wollte oder konnte, war der Beikostanteil entsprechend kleiner und auch der Appetit, Hunger und die Neugier bescheidener.
Du hast jetzt erkannt, dass das Interesse und der Bedarf an den Milchfläschchen gesunken ist. Dein Kind hat einen Entwicklungsschritt vollzogen.
Versuche dein Kind jetzt noch viel mehr in eure üblichen Familienkostmahlzeiten mit einzubeziehen und lass ihn dabei möglichst häufig eigenständige Erfahrungen sammeln. Du könntest, bevor du fütterst, deinem Kind die Gelegenheit geben Essbares selbständig zu greifen und intensiv befühlen lassen.
Führt regelmäßige Mahlzeiten ein, welche sich rhythmisch und sinnvoll in euren üblichen Alltag einbetten lassen. Ca 3h könnte dein Kind inzwischen auch ohne Nahrung auskommen. Startet morgens mit Brotstückchchen und Obst anstatt dem Milchbrei.
Ergänzt den Mittagsbrei mit Gemüse und Nudeln und anderer geeigneter Familienkost - zum selbständigen Erkunden. Serviere auch den Brei in einer attraktiveren Weise anstatt in braunem Einerlei. Und auch nachmittags und abends kannst du Brot und andere Kleinigkeiten anbieten.
Die Pre-Milchfläschchen sollten den Appetit und Hunger deines Sohnes nicht zu stark drosseln. Er sollte aber auch nicht hungern müssen. Du könntest herausfinden, wie du hier am sinnvollsten, im Sinne deines Sohnes handeln kannst. Vielleicht wäre es eine sinnvolle Kompromisslösung, wenn du momentan noch morgens und abends ein Pre-Milchfläschchen anbietest und auch dann, wenn dein Kind dringenden Bedarf anmeldet. Tagsüber sonst keinen Milchbrei o.ä.. Du kannst aber im Rahmen der Familienkost durchaus Kuhmilch und sonstige Kuhmilchprodukte wie Milch, Käse, in Gerichte verarbeiten. Denn jetzt ist es eine Zeit, in der euer Kind ganz viel lernen will (auch Geschmack erleben), darf und auch sollte. Lasst ihn geeignete Speisen einfach mitessen. Biete deinem Kind dafür auch geeignete Familienkost.
Auch wenn er diese nicht richtig isst, sondern diese zunächst nur befühlt, wäre es genau richtig.
Dein Kind sollte immer und immer wieder die Gelegenheit erhalten, um selbständig zu essen. Dabei wird er vieles zwar greifen und vielleicht in den Mund nehmen aber vielleicht auch wieder ausspucken. Lasst euch davon nicht irritieren.
Um einfach mitzuessen braucht er eine gute und sichere, wackelfreie Sitzhaltung, um mit seinen beiden Händen nach Essen greifen zu können. So kann sich dein Sohn ganz wörtlich genommen vorwärts tasten. Dein Sohn kann so die verschiedensten Esserfahrungen sammeln. *Essen lernen kannst du ein bisschen mit dem Besuch eines Spielplatzes vergleichen. Denn auch am Esstisch kannst du dein Kind begleiten und altersentsprechend, deinem individuellen Entwicklungsstand und den motorischen Fähigkeiten entsprechend fordern, fördern ohne jedoch zu überfordern.
Auch wäre es gut, wenn euch euer Kind beim Essen gut sehen und beobachten kann.
Optimiere jetzt zunächst den Sitz-und Essplatz deines Kindes. Finde das richtige Equipment wie einen schönen Teller, kleines Tässchen, bequeme Lätzchen etc. und esst zusammen mit ganz viel Freuden. Je mehr euer Kind sieht, wie und was ihr Eltern esst, desto besser. Nutze jede Gelegenheit, um deinem Kind eine Vielfalt an Geschmackserfahrungen zu ermöglichen.
Also dann
Grüße
Birgit Neumann
*
In den Händen und Fingern befinden sich Tastrezeptoren. Das Befühlen liefert Informationen über die Speisen. Die Eindrücke über die verschiedenen sensorischen Eigenschaften liefern Impulse zum weiteren Handeln. Wenn es sich gut anfühlt, wenn gefällt, dann wird es zum Mund geführt. Wenn es nicht gefällt, dann nur vielleicht und eher nicht.
Es sind Eindrücke dieser Art: manche Speisen sind warm, manche kalt, manche hart oder krümelig, manche weich. Diese Informationen muss deine Tochter zunächst verarbeiten und kann und wird sie bei Gefallen (rein instinktiv) zum Mund führen.
P.S.
Bei der Familienkost geht es um die Gewöhnung an Geschmack und Konsistenz. Es geht auch um die selbständige Essweise, mit der dein Kind die neuen Speisenangebote vom Familientisch selbständig und zwanglos kennenlernen kann.
Es geht jetzt nicht um schnelle Lösungen, sondern um langfristige Gewöhnung an neue Speisen. Es geht auch nicht darum, dass dein Kind jetzt im Schnelldurchlauf alle möglichen Gemüsesorten o.a. durchprobieren muss, damit du sozusagen einen Haken drunter setzen kannst. Nein, es geht jetzt darum, deinem Kind die Möglichkeit zu geben, selbständig und mit Neugier bei Tisch zuzugreifen, um Gesamteindrücke der Mahlzeiten abzuspeichern. Es geht um das Hineinwachsen in die Abläufe und Prozesse, welche im Zusammenhang mit der Essenaufnahme stehen.
Einzig wichtig ist, dass alle Speisen ungefährlich für dein Kind sind. Man spricht von einem sog, verantwortungsbewusst ausgewählten Speisenangebot.
Erlaubt ist jetzt, was grundsätzlich geeignet ist - am allerwichtigsten: gut und gefahrenfrei kau-und schluckbar muss es sein.
Ein gesundes Kind zeigt normalerweise wenn es etwas will. Es sollte in diesem Wollen unterstützt werden, soweit möglich. Denn wenn man diesen Schritt blockiert, bspw aus Gewohnheit, Angst, Bequemlichkeit, Unsicherheit etc, kann das zu einem "nicht mehr wollen" beim Kind führen. Und aus dem "nicht mehr wollen" könnte sonst "ein nicht mehr können" werden. Unterstütze dein Kind darum in seiner ureigenen Entwicklung, fordere und fördere es zum richtigen Zeitpunkt, an der richtigen Stelle.
von
Birgit Neumann
am 12.05.2022