Frage: Überlebenschance 24. Woche

Hallo Herr Prof. Jorch, Wie hoch sind die Überlebenschancen bei einem Frühgeborenen aus der 24. Woche.(also 23+1). Wie viel % der überlebenden Kinder sind gesund und wieviele haben schwere Behinderungen? Können Kinder in einer so frühen Phase auch eine vaginale Geburt überleben oder macht man immer eine Sectio?

Mitglied inaktiv - 13.12.2002, 09:04



Antwort auf: Überlebenschance 24. Woche

Statistisch ca. 25 %. Angaben zur Rate der Behinderungen können wegen der beschränkten Erfahrungen nur spekulativ sein. Meine Schätzung: 30 % schwer behindert 40 % leicht behindert 30 % normal Deshalb rate ich bei dieser Unreife zur Einleitung bzw. Fortführung einer Intensivtherapie nur bei guten Voraussetzungen des Kindes und der behandlungseinheit.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 14.12.2002



Antwort auf: Überlebenschance 24. Woche

Hallo Apollo 23+1 ist 23 SSW und da hast Du nicht die besten Karten. Unsere Uni macht in der 23. keine Kaiserschnitte da das in keinem Verhältnis zu den Chancen des Kindes steht. Die Statistiken sieht jede Klinik anders, mehr als die Hälfte wird sicher nicht überleben so früh, je nach Vorreifung der Lungen halt und die kleinen Wochen, schau Dir die Studien über mehrere Jahre an, haben viele Folgeschäden.... Alles Gute für die Schwangerschaft weiter Nina

Mitglied inaktiv - 13.12.2002, 18:00



Antwort auf: Überlebenschance 24. Woche

Hallo Nina, meinste diesen Artikel: Frühstart mit Handicap Langzeitfolgen extremer Frühgeburt Zurück Ein Beitrag von Dr. Friedrich Porz, Leitender Oberarzt der II. Kinderklinik Augsburg. Vortrag auf dem BDH-Kongress in Dresden im Mai 2001 Die Überlebenschancen sehr kleiner Frühgeborener haben sich in den letzten 20 Jahren beträchtlich erhöht. Das Leben nach dem unfreiwilligen Frühstart ist jedoch oft beeinträchtigt durch körperliche und seelische Einschränkungen. Während 1980 noch zwei Drittel der Frühgeborenen unter 29 SSW starben, überlebten 1998 nach den Zahlen der Bayerischen Neonatalerhebung 91 Prozent der Frühgeborenen von 26 bis 27 vollendeten SSW, 72 Prozent der Frühgeborenen von 24 und 25 SSW und selbst von den Frühgeborenen unter 25 SSW noch über die Hälfte (55 Prozent). Ermöglicht wurde diese positive Entwicklung durch mehrere Faktoren: • Regionalisierung dieser Hochrisikogeburten in Perinatalzentren • Optimierung der Betreuung durch bessere Zusammenarbeit zwischen Geburtshelfer und Pädiater schon vor der Geburt • Gezielter Einsatz von Tokolyse und Lungenreifebehandlung • Besseres geburtshilfliches und neonatologisches Management • Rasante Entwicklung der Medizintechnik • Verbesserung der medikamentösen Therapiemöglichkeiten wie die Surfactanttherapie Erkauft wird dies allerdings mit einer Zunahme medizinischer Folgeschäden wie der Retinopathie der Frühgeborenen und chronischen Lungenkrankheiten sowie einer massiven psychosozialen Deprivation durch die sehr lange Intensivbehandlung, die bei sehr kleinen Frühgeborenen unter 26 SSW im Mittel 120 Tage beträgt. Umstritten ist, ob die immer besseren Überlebenschancen sehr kleiner Frühgeborener die Häufigkeit von Folgeschäden erhöhen. Eine amerikanische Studie konnte über einen Zeitraum von 15 Jahren mit einer konstanten Rate um 20 Prozent keine Zunahme schwerer Entwicklungsstörungen bei Frühgeborenen unter 800 Gramm feststellen.[15] Auch in einer englischen Studie bei Frühgeborenen zwischen 23 und 25 SSW blieb die Rate der schweren Behinderungen über zehn Jahre hinweg trotz einer deutlich besseren Überlebensrate gleich (21 versus 18 Prozent), jedoch fand sich eine deutliche Zunahme von leichteren Behinderungen und einer Erblindung durch eine Frühgeborenenretinopathie von vier auf 18 Prozent.[6] In unserer Klinik liegt die Rate schwerer Behinderungen bei den zwischen 1990 und 1996 geborenen kleinen Frühgeborenen unter 20 Prozent: Sie betrug bei den sehr kleinen Frühgeborenen von 23 bis 25 SSW 16 Prozent, bei Frühgeborenen zwischen 26 und 29 SSW elf Prozent. Für Deutschland erbrachte die weltweit größte Studie an Risikokindern, die „Bayerische Entwicklungsstudie“, erstmals relevante Daten über die Langzeitentwicklung von Frühgeborenen. Erfasst wurden 1985 und 1986 geborene Kinder in Südbayern, die in einer Längsschnittstudie bis zu 8,5 Jahre sowohl entwicklungsneurologisch als auch entwicklungspsychologisch nachuntersucht wurden.[21,31] Im Alter von vier Jahren hatten 16,6 Prozent der Frühgeborenen unter 32 SSW eine Cerebralparese, 14,3 Prozent eine leichte neurologische Störung, 2,3 Prozent waren blind. Verhaltensstörungen und Lernprobleme Die Bayerische Entwicklungsstudie fokussierte erstmals auch auf die Erfassung von kognitiven Problemen, Verhaltensproblemen, psychischen Auffälligkeiten und Schulproblemen, die eine immer größere Bedeutung in der Langzeitprognose der kleinen Frühgeborenen erlangen: Mit 8,5 Jahren hatten 24 Prozent der Frühgeborenen unter 31 SSW schwere kognitive Defizite, 28 Prozent zeigten Probleme mit der ganzheitlichen Informationsverarbeitung. Verhaltensprobleme traten bei Frühgeborenen unter 32 SSW mit vier Jahren mit 30 Prozent und mit 8,5 Jahren mit 14 Prozent doppelt so häufig auf wie in der Kontrollgruppe. Besonders häufig waren Aufmerksamkeitsstörungen und Störungen des Sozialverhaltens, sowie schlechtere Beziehungen zu Gleichaltrigen. Die Eltern-Kind-Beziehung wurde von den ehemals kleinen Frühgeborenen negativer wahrgenommen als in der Kontrollgruppe. Aber auch die Mütter waren weniger feinfühlig im Umgang mit ihren Kindern und eher kontrollierender als die Mütter der Kontrollgruppe. Mit 8,5 Jahren gingen nur 40 Prozent der Frühgeborenen unter 32 SSW in die altergemäße Klasse (in der Kontrollgruppe waren es 85 Prozent der Kinder), 22 Prozent (Kontrollgruppe sieben Prozent) besuchten die Klasse darunter, 23 Prozent versus 1,5 Prozent besuchten die Sonderschule. Zu ganz ähnlichen Zahlen kam eine holländische Untersuchung.[11] Als Hauptproblem für die Beschulung stellten sich nicht die Körperbehinderungen, sondern mittlere bis schwere Lernprobleme heraus. Für die kleinen Frühgeborenen hatten neonatale biologische Risikofaktoren den größten Einfluss auf die Entwicklung, jedoch addieren sich mit zunehmendem Alter der Kinder soziale und psychische Belastungen in der Familie zu diesen biologischen Risiken. Bei den Frühgeborenen über 31 SSW hatten nach dem zweiten Lebensjahr soziale Faktoren einen größeren Einfluss auf die Entwicklungsprognose als biologische Faktoren. Inzwischen konnten mehrere andere Studien einen deutlichen Zusammenhang zwischen psychosozialen Belastungen und der Langzeitprognose zeigen.[8,16,28,30] Eltern brauchen Hilfe Auch die Eltern sind durch die Geburt eines frühgeborenen Kindes emotional hochbelastet. Sie reagieren auf die traumatische Belastung sehr unterschiedlich – abhängig von ihren individuellen Bewältigungskräften und persönlichen Vorerfahrungen.[23,27] Aus Sicht der Bindungsforschung wird immer mehr deutlich, dass durch diese Belastung im Sinne eines traumatischen Lebensereignisses und durch die beeinträchtigte Interaktion mit dem Kind der Aufbau einer frühen Mutter-Kind-Bindung gefährdet ist.[3,9] Frühgeborene sind in ihren Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt, sie sind leicht irritierbar, stimmungslabil, zeigen häufig Ernährungs- und Schlafstörungen. Die Reaktionen der Eltern auf die Signale ihres Kindes sind häufig nicht angemessen oder nicht auf die Kommunikationsbereitschaft des Kindes abgestimmt. Da es den Eltern seltener gelingt, feinfühlig und adäquat auf ihr Kind zu reagieren, ist der Aufbau einer frühen Beziehung gefährdet. Anstrengungen zur Verbesserung der frühen Mutter-Kind-Beziehung schon in der Klinik und der Aufbau eines funktionierenden sozialen Netzwerks als kompensierende Schutzfaktoren können spätere Störungen mildern oder kompensieren.[17,25] Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für die Praxis: • Schaffung einer dem Kind angepassten Umgebung auf der Intensivstation[29] • Einführung einer entwicklungsfördernden Pflege[1], der „Basalen Stimulation“[7], der sensomotorischen Integration[10,13], der „Känguru-Technik“[26] und frühes Stillen[2,12,24] • Frühe Einbeziehung der Eltern[5,18,19] • Beziehungsfördernde Begleitung der Eltern und Feinfühligkeitsschulung schon auf der Intensivstation[4,23] • Einführung eines Nachsorgeprogramms zur besseren Verzahnung von ambulanter und stationärer Betreuung im Sinne eines „Case-Managements“[14,20] Literatur 1. Als H: Developmental care in the newborn intensive care unit. Current Opinion in Pediatrics 1998; 10: 138-142. 2. Blaymore-Bier JA et al.: Brest-feeding of very low birth weight infants. J Pediatrics 1993; 123: 773-778. 3. Brisch KH: Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Klett-Cotta, 1999. 4. Brisch KH et al.: Präventives psychotherapeutisches Interventionsprogramm für Eltern nach der Geburt eines sehr kleinen Frühgeborenen – Ulmer Modell. Monatsschr Kinderheilkd 1996; 144: 1206-1202. 5. Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ (Hrsg.): Die Begleitung der Eltern auf der Intensivstation. Verlag Verein Arbeits- und Erziehungshilfe, 1999. 6. Emsley HC et al.: Increased survival and detoriating developmental outcome in 23 to 25 weeek old gestation infants, 1990-4 compared with 1984-9. Arch Dis Child Fetal Neonatal 1998; Ed 78: F99-104. 7. Gebel-Schürenberg A: Basale Stimulation in der Pflege von Früh- und Neugeborenen. In Aßmann C: Pflegeleitfaden Alternative und komplementäre Methoden. Urban & Schwarzenberg, 1996. 8. Gross SJ et al.: Impact of family structure and stability on academic outcome in preterm children at 10 years of age. J Pediatr 2001; 138: 169-175. 9. Grossmann KE et al.: Die Bindungstheorie. Modell, entwicklungspsychologische Forschung und Ergebnisse. In: Keller H (Hrsg.): Handbuch der Kleinkind- forschung, 2. Aufl., Huber, 1997. 10. Hentschel C: 1000 g Geburtsgewicht – was bedeutet da Krankengymnastik? Kinderkrankenschwester 1995; 14: 234-238. 11. Hille ETM et al.: School performance at nine years of age in very premature and very low birth weight infants: Perinatal risk factors and predictors at five years of age. J Pediatr 1994; 125: 426-434. 12. Junge S, Sitka U: Stillen von Frühgeborenen. Sozialpädiatrie 1993; 15: 373-376. 13. Küper M, Lottmann M: Wahrnehmungsförderung unter intensivpflegerischen Bedingungen. Kinderkrankenschwester 1998; 17: 279-282. 14. 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Mitglied inaktiv - 13.12.2002, 18:20



Antwort auf: Überlebenschance 24. Woche

Hallo Nina, Leider muß ich die widersprechen: 23+1 ist = 24. Woche. Die schreibweise 23/1 wäre der erste Tag der 23. Woche.

Mitglied inaktiv - 13.12.2002, 19:07



Antwort auf: Überlebenschance 24. Woche

Bei uns ist erst eine vollendete Woche die Woche, je nach Klinik scheinbar anders, komisch oder ? Mein Gyn hatte das auch anders ausgerechnet, die Uni gleich um eines zurück, war damals auch total entsetzt. Nina

Mitglied inaktiv - 13.12.2002, 23:22