Entwicklungsretardierung, mal wieder langer Text, sorry

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Frage an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Kinderarzt und Neonatologe

Frage: Entwicklungsretardierung, mal wieder langer Text, sorry

Hallo Dr. Jorch, vorab wollte ich anmerken, dass ich Ihre Antworten wirklich immer kompetent und menschlich fand, viele Arztforen bei RuB sind (bis auf Dr. Mallmann) nicht so!!! Vielen Dank für die Zeit und Mühe!!! Ich hatte Ihnen vor einiger Zeit schon einmal wegen meinem Sohn Elias geschrieben, in Kurzform, geb. 37+4 SSW wegen schwerem GDM vorz. eingeleitet (lange Wehendauer mit Wehentropf und PDA), verzögerter Ikterus (17 Tage Phototherapie), von der inneren Reife wie 35.SSW, von Anfang an entwicklungsverzögert. Er zeigte von Geburt an Wahrnehmungsstörungen im taktilen System, die sich erst anhand einer verringerten Schmerzempfindlichkeit zeigte, auch schien er nicht hören zu können, die Hörtests waren alle unauffällig, so dass auch in dem Bereich eine Wahrnehmungsstörung vermutet wird. Seit dem 4. Monat ist er in KG-Behandlung nach Vojta, er ist jetzt 9 Monate alt, kann robben und drehen. Er kann den Handstütz nicht, weil er die Hand nicht richtig öffnet, er robbt auf den Ellenbogen, aber mit Zuhilfenahme der Knie. Die KG meinte, er öffnet die Hand nicht, weil er durch die gestörte Wahrnehmung im taktilen Bereich es als sehr unangenehm empfindet, wenn etwas seine Handinnenfläche berührt, so dass wir mit versch. Gegenständen aus den unterschiedlichsten Materialen (Schwämme, Gummibälle, Tüten, Bürsten, Kunstgras etc.) eine Reizadaption erreichen können. Allerdings beginnt er nun, sich an Stühlen etc. hochzuziehen, was er auch bis in den Kniestand und manchmal auch Fußstand schafft. Nun meine Fragen: Wie - außer durch die KG - kann diese Wahrnehmungsstörung behandelt werden? Gibt es spezielle Therapien? Ist es wirklich so ungünstig, wie die KG meint, wenn er die Krabbelphase überspringt und vom Robben ins Stehen kommt? Sitzen kann er auch noch nicht, da kippt er um wie ein nasser Sack. Ich bin ja schon heilfroh, dass er sich überhaupt fortbewegt, weil er die ersten 6 Monate seines Lebens NUR in Rückenlage lag (Diagnose bei der u 4: cerebrale Bewegungsstörung, Muskelhypotonie, Rechtsseiten-Asymmetrie), desweiteren hat er nie einen Ton gesagt, nie geschrien, so dass wir wirklich in Sorge bezgl. einer cerebralen Parese waren, die sich aber nicht bestätigt hat. Inzwischen beginnt er mit Silbenverdopplungen (baba, mama), ist aber im Ganzen immer noch sehr ruhig und brüllt nie laut. Meinen Sie, dass er seinen Rückstand früher oder später aufholt? Ich vermeide schon den direkten Vergleich, sehe ich aber dann doch mal ein Baby in seinem Alter tut es mir weh zu sehen, wie weit er zurück hinkt... Vielen Dank für das Zuhören und die Antwort! Nina

Mitglied inaktiv - 08.09.2001, 22:58



Antwort auf: Entwicklungsretardierung, mal wieder langer Text, sorry

Es ist natürlich nicht so einfach für mich aus der Ferne eine Prognose abzugeben. Folgendes möchte ich Ihnen jedoch sagen: 1. Sie scheinen bei Ihrer Krankengymnastin in guten Händen zu sein, zumal sie nicht nur die Motorik sondern auch die Wahrnehmung berücksichtigt. 2. Silbendoppelungen mit 9 Monaten sind doch hervorragend! 3. Laut Münchener-Entwicklungsdiagnostik wird kurzes Sitzen (5 s) erst mit 8 Monaten, längeres Sitzen (1 min) erst mit 9 Monaten verlangt. Ein Rückstand von bis zu 2 Monaten in Einzelbereichen ist nicht dramatisch.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 09.09.2001



Antwort auf: Entwicklungsretardierung, mal wieder langer Text, sorry

Hallo, Nina, bin per Zufall auf Deinen Brief gestossen... Unser Sohn kam in der 30+1 SSW mit 940 g zur Welt - heute ist er fast 7 Jahre alt und wurde gerade eingeschult!! Er war in seiner Entwicklung immer verzögert ("lernte" z.B. mit 20 Monaten laufen), aber das ist nicht schlimm! Wichtig ist immer nur, daß es (wenn auch vielleicht langsam) weitergeht! Du machst es doch richtig! Dein Kind bekommt KG! Bleib´stets am Ball, geh mit ihm schwimmen (Baby-Gruppe), später kannst Du zu Ergotherapie wechseln, auch Hippo-Therapie wirkt sich günstig aus! Wenn Du die Gelegenheit hast, melde Dein Kind in einem Lebenshilfe Kindergarten an...hier bekommen auch von Behinderung bedrohte Kinder eine liebevolle und kompetente Förderung! Übrigens ist es wirklich nicht so klasse, wenn ein Kind die Krabbelphase überspringt! So erhält es bestimmte Reize, die für seine Entwicklung wichtig sind, nicht in ausreichendem Maße! Alles Liebe für Euch - Annette

Mitglied inaktiv - 14.09.2001, 18:48