Frage: Ergotherapie - Vorgehen?

Sehr geehrte Frau Windisch, mein Sohn, 4,5 Jahre alt, ist ein sehr aktives Kerlchen. Ist ja auch schön und gut. Aber er ist irgendwie immer unter Strom. Er kann nur schwer beim Essen still sitzen, er ist irgendwie motorisch immer in Bewegung, auch wenn nur ein Fuß wippt. Selbst wenn er seine Serie im TV schauen darf bleibt er 2 Minuten Sitzen und dann tobt er über das Sofa. Kopfstand, Kusselkopf etc. Er spielt meist sehr laut . Er schläft zudem extrem unruhig, dreht und wendet sich sehr viel. Die Kinderärztin geht nicht von ADHS aus. Er kann z.b. aber Gesellschaftsspiele konzertiert speilen und da auch regeln einhalten. Das klappt aber im Fremden Umfeld besser als zu Hause. Er empfindet laute Geräusche als störend, ist aber selbst immer laut. Er hat oft Finger im Mund und kaut an den Nägeln. Er macht Dinge wie malen und basteln nicht gern. nach 5 Minuten ist meistens Schluss. Daher kann er auch noch nichts gegenständliches malen. er malt Kreise und ansatzweise eine Sonne. Sonst eher durcheinander. Die Stifthaltung ist sehr seltsam. Wir sind bereits in Ergo-Behandlung. Ich bin aber etwas verunsichert, ob er da gut therapiert wird. Es erfolgte keine offensichtliche Diagnostik, nur ein Anamnesegespräch. Ist das das Normal so? 10 Einheiten sind rum und es wurde "nur" ein Bild mit kreppkügelchen beklebt. Wohl um die Feinmotorik zu verbessert. Ich muss dazu sagen, dass mein Sohn gern mit Playmobil spielt und dort auch die kleinsten Teile selbst dranfummelt. Dann durfte er da z.b. im Bewegungsraum spielen, wobei ich kein bestimmtes Ziel erkennen konnte. Ich weiß als Sprachtherapeutin selbst, dass man spielerisch arbeitet mit den Kids, aber man hat ja doch ein Ziel vor Augen. Das schien mir da nicht so. Ich überlege die Praxis zu wechseln. Oder erwarte ich zu viel? Ich hatte irgendeine körperbezogenere Therapie erwartet, da man wohl von einer Wahrnehmungsstörung bei ihm ausgehen muss. Wie wäre Ihr Vorgehen in diesem Fall? Gäbe es eine bestimmte Diagnostik, die mein Sohn durchlaufen würde? Was empfehlen Sie uns? Herzlichen Dank und freundliche Grüße!

von petitecoure am 20.03.2021, 17:03



Antwort auf: Ergotherapie - Vorgehen?

Hallo, normalerweise wird nach dem Anamnesegespräch eine Befunderhebung mittels Beobachtung, Fragebögen (z.B.WN FBG Wahrnehmungsfragebogen) und standardisierten Tests durchgeführt und ein Therapieziel seitens der Eltern erfragt, evtl. mit COPM gearbeitet, um die Einschränkungen im Alltag sichtbar zu machen. Dafür müssen natürlich 1.das Testmaterial in der Praxis vorhanden sein und 2.die Ergotherapeutin diese Tests auch anwenden können. Im Altersbereich ihres Kindes könnte man für die Motorik das Hochleitner-Screening ansetzen und bei Auffälligkeiten den MOT-Motoriktest durchführen. Auch der Muskeltonus würde befundet werden, welcher interessant wäre, weil ein niedriger Muskeltonus durch "zappeln" und "hibbelig sein" aufrecht erhalten werden kann, damit das Kind die Muskelspannung an die Tätigkeit anpassen kann. Zudem ist ein angepasster Muskeltonus eine Voraussetzung für erfolgreiche Feinmotorik. Bei bestehenden Auffälligkeiten der einzelnen Wahrnehmungsbereiche gibt es auch jeweils Tests zur Überprüfung (visuell DTVP2, auditiv Breuer-Weuffen, Mottier, ...). Da Sie den V.a.Wahrnehmung haben, spricht das für eine Befundung im Bereich der S.I. (sensorischen Integration, z.B.mittels der Aufgaben der gezielten Beobachtungen). Mit der 10.Einheit findet das Elternauswertungsgespräch statt und die Tests und Befunde werden besprochen und ein weiteres Vorgehen und Therapieziele festgelegt. Ich würde an ihrer Stelle konkret nach Befundmethoden und Tests sowie deren Ergebnissen bei der Therapeutin nachfragen, um eine Kopie des Therapieberichtes bitten (falls der Arzt/Ärztin Bericht ja angekreuzt hat) und um eine Aussage bitten, was mit welchem Ziel zukünftig in der Therapie gemacht wird, um es für Sie transparenter zu gestalten. Aussdem ist eine Elternberatung wichtig, um einen Transfer in den Alltag bei den erkannten Problembereichen zu gewährleisten, damit die Therapie auch effektiv ist. Ansonsten kann von 1X/Woche Behandlung der Therapieerfolg länger auf sich warten lassen. Eltern sollten also immer in die Therapie mit integriert werden und für Umsetzung im Alltag beraten werden. Gleich die Praxis wechseln würde ich erst in zweiter Instanz, da es vielleicht an mangelnder Transparenz liegt und im Hintergrund vielleicht doch einiges stattfindet und die Ergotherapiepraxis dann auch nicht einen Lerneffekt davon hätte. Für den Wahrnehmungsbereich, sowie das unruhige Sitzen ist viel Ausgleich mit Bewegung an der frischen Luft und austoben lassen wichtig, da Sie anscheinend ein kleines Energiebündel haben. Zucker meiden und beobachten, ob das einen Einfluss darauf hat. Zudem viel ZUSAMMEN Malen mit Stiften, die breit sind, gut gegriffen werden können, leicht rutschen (z.B.Stabilo Wooden 3 in 1) und auch wechselndem Material (Fingerfarben,Kreide, Malen in Sand, Rasierschaum oder Sprühsahne), auf Tapetenrollen großflächig, um die Entwicklung zum gegenständlichen Malen anzuregen. Kein Ausmalen von Bildern, sondern freies Malen. Die Mensch-Zeichnung kann z.B.auch ein Bestandteil der ergotherapeutischen Befunderhebung sein. ADHS wird erst im Schulalter diagnostiziert. Vielleicht können Sie ein dynamisches Sitzen ermöglichen, z.B.mit einem Luftkissen oder mittels Keilkissen, den Schwerpunkt zur besseren Körperwahrnehmung auf die Füße verlegen, die nicht in der Luft baumeln sollten. Falls Sie doch die Praxis wechseln, würde ich mich vorher über die einzelnen Weiterbildungsbereiche im Pädiatriebereich erkundigen (stehen oft auf der Homepage aufgelistet): sinnvoll für iihr Kind wären Weiterbildungen in den Bereichen sensorische Integration, Feinmotorik und Graphomotorik, Fachergotherapeut/in für Pädiatrie, Weiterbildungen im Bereich der Pädiatrie nach Britta Winter, etc. Das sind nur Beispiele, es gibt sicher noch viele weitere sinnvolle Weiterbildungen für den Pädiatriebereich. Geräuschempfindliche Kinder sind selbst laut, da sie das die Umgebungsgeräusche besser ertragen lässt (Regulierung durch Eigenaktivität). Alles Gute Kristin Windisch

von Kristin Windisch am 21.03.2021