Frage: Entwicklungsverzögert

Sehr geehrte Frau Windisch, meine Tochter ist 2,5 Jahre alt, ich wende mich mit folgendem Problem an Sie: Die Erzieherin meiner Tochter wies mich im Elterngespräch darauf hin, dass meine Tochter "tapsig" laufen würde und ich dies abklären lassen sollte. Daraufhin bot man mir an, eine Ergotherapeutin in die Gruppe meiner Tochter einzuladen, damit sie sich meine Tochter anschauen kann. Die Ergotherapeutin arbeite seit längerem schon mit dem Kindergarten zusammen und man habe gute Erfahrungen gemacht.Ich habe das Angebot dankend angenommen. Letze Woche war die Ergotherapeutin da und hat sich meine Tochter 30 Minuten lang im Spiel angeschaut und schilderte, dass Sie entwicklungsverzögert sei: 1. Sie würde auf weichem Boden hinfallen, habe keine Stabilität. 2. Sie würde auf Zehenspitzen laufen. 3. Könne sich die Hose nicht anziehen 4. Sei schnell frustriert und überfordert 5. Erschreckt sich schnell 6. Muskeltonus fehlt- Handlungsplanungen schwierig 7. Keine gute Sitzdynamik- muss sich anlehnen, sonst könne sie sich nicht nach vorne beugen. 8. Mund immer leicht geöffnet 9. Der Moro-Schreck Reflex sei nicht ganz verschwunden. Hierzu schilderte sie eine Situation: Meine Tochter saß mit einem Spielzeug in der Hand auf dem Boden. Ein anderes Mädchen käme von hinten und zeigte auf den Pullover meiner Tochter, weil sie dort auf eine kleine Eule hinweisen wollte, die sie entdeckt hatte.Sie berührte meine Tochter. Daraufhin soll meine Tochter, geschrien und das Kind geschlagen haben. All das klang so knallhart , dass ich ein wenig schockiert war, das mir anscheinend so viel entgangen ist als Mutter. Meine Tocher wurde in der 37. Woche per Kaiserschnitt geholt. Ich kann mir vorstellen, dass etwas im Halswirbelsäulen Bereich nicht in Ordnung ist; obwohl ich dieses Thema zwei mal bei Kinderarzt angesprochen habe und ein Problem verneint wurde, werde ich das nocheinmal abklären lassen. Dazu hat mir die Ergotherapeutin einen privaten Kinderorthopäden vorgeschlagen, bei dem wir auch sofort einen Termin vereinbart haben. Mein Problem ist allerdings, dass ich mein Kind aus den Erklärungen der Therapeutin nicht wieder erkenne. Ich sage nicht, dass es nicht stimmt, was sie mir erzählt hat. Ich frage mich nur, ob das Verhalten meiner Tocher in der Krippe soo extrem anders sein kann, als sonst. Sie läuft zuhause nicht auf Zehenspitzen, muss sich beim sitzen auch nicht anlehnen. Ich beobachte das natürlich jetzt genauer. Ich habe auch noch nie erlebt, dass meine Tochter ein anderes Kind oder sonst jemanden geschlagen hat. Sie ist eher diejenige, die auf dem Spielplatz oder so von anderen Kindern geschlagen wird und sich nicht wehrt. Dass sie schnell frustriert ist kann ich bestätigen, sie schreit schnell, wenn etwas nicht sofort funktioniert, wie sie es sich vorgstellt hat. Ich kann auch bestätigen, dass sie sich nicht selbst an- und ausziehen kann, Dies habe ich aber bisher darauf geschoben, dass ich das von ihr bisher nicht gefordert habe. Dass sie sich schnell erschreckt, kann ich auch nicht bestätigen. Im Laufe des Gesrpäches fragte sie, ob meine Tochter nachts schon trocken sei, was ich verneinte. Daraufhin schlug sie vor, eventuell über eine Darmsanierung nachzudenken. Der Zusammenhang war mir nicht ganz klar. Sie rät uns eine Si-Moto Therapie. Ich habe das Angebot angenommen und habe auch schon einen Termin. Ich zweifele mittlerweile, ob es nicht zunächst besser wäre, eine zweite Meinung einzuholen. Zum Orthopäden werde ich sie auf jeden Fall bringen, an diesem Punkt brauche ich Gewissheit. Wie schätzen Sie das geschilderte Verhalten meiner Tochter ein? Vielen Dank für Ihre Mühe! Beste Grüße Schönfelder

von Schönfelder am 09.03.2021, 11:44



Antwort auf: Entwicklungsverzögert

Hallo, also zunächst einmal brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, dass sie bei ihrem Kind etwas verpasst oder nicht mitbekommen hätten, denn die 1:1-Situation in einem ruhigen Zuhause ist eine ganz andere als in einer lauten trubeligen Kita, die ganz andere Bedingungen hat und so kann sich ein Kind dort u.U.anders verhalten und zeigen. Das tapsige Laufen, welches ja ursprünglicher Beobachtungsgrund war, können Sie ja durch den Orthopäden nochmal mitbeurteilen lassen und auch klären, ob evtl.Blockaden vorhanden sind. Wenn der Zehenspitzengang bisher nicht aufgefallen ist, können Sie auch nochmal die Erzieher/innen der Kita um Beobachtung bitten. Eine mögliche Erklärung liegt vielleicht darin, dass dieser nur noch manchmal auftritt. Sie meinen einen niedrigen Muskeltonus: dieser passt aus ihren Schilderungen zumindest zusammen mit evtl.Zehenspitzengang, Mund immer leicht geöffnet, dem anlehnen beim Sitzen (was vielleicht erst bei längerem Sitzen stattfindet) und tritt auch gehäuft bei Kaiserschnitt-Kindern auf. Diese Kinder benötigen oft mehr Motivation für Bewegung, waren evtl.in der motorischen Entwicklung (drehen,krabbeln,laufen lernen) hinterher, haben Probl.beim langen Saugen beim Stillen, wenig Mundschluss, starkes Speicheln und Sabbern, suchen sich zusätzliche Unterstützungsfläche z.B.beim freien Stand den Halt an der Wand, Aussprache kann undeutlich sein,... Das Anziehen kann ohne Druck das Kind im Alltag (wenn etwas Zeit vorhanden ist,also nicht gerade beim Start am Morgen in den Alltag) integriert werden, also z.B.die Hose hinlegen und fragen " kannst du das schon allein anziehen?" und dann aber eine helfende Hand an den Stellen, wo nötig. Ein Kind von 2,5 Jahren darf schnell frustriert sein, es steckt gerade mitten inder Trotzphase. In diesem Alter muss das Kind nachts auch noch nicht trocken sein! Das Erschrecken tritt in der Kita mit vielen unvorhersehbaren Reizen vermutlich eher auf als zu Hause. Nun sind es ja zunächst Beobachtungen, die da stattfanden oder gab es eine Testung? Sie können diese Schilderungen an den Kinderarzt weiterübermitteln und zumindest eine ergotherapeutische Diagnostik dafür erfragen. Hier wäre z.B.für Entwicklungsverzögerungsverdacht der ET 6-6 Test möglich und auch der Muskeltonus könnte nochmal eingeschätzt werden. Ich würde auch erst erfragen, ob bei der vorgeschlagenen Therapie nochmal eine Diagnostik gemacht werden würde. Findet denn die Therapie durch dieselbe Therapeutin statt...? Leider ist mir aus der Ferne keine weitere Einschätzung möglich. Letztlich würde ich wahrscheinlich erstmal den Orthopädie-Termin wahrnehmen und dann kann man ja z.B.mit einer Verordnung (10 Termine) erstmal eine richtige Diagnostik machen, bevor eine spezielle Therapie angewendet wird. Im Hinblick auf Kaiserschnitt und Muskeltonus klingt das schon sinnvoll. Alles Gute Kristin Windisch

von Kristin Windisch am 09.03.2021



Antwort auf: Entwicklungsverzögert

Was heißt privater Kinderorthopäde? Müsst ihr den selbst bezahlen? Wenn ja und ihr seit gesetzlich versichert, würde ich da nicht hingehen. Zudem kann es sein, dass der Orthopäde gebunden ist, weil er mit der Ergotherapeutin zusammen arbeitet. Dann würde er alles bzw. zumindest Vieles bestätigen, was sie gesehen hat. Besser fände ich einen Kinderorthopäden, den ihr euch selbst sucht. Die Wartezeiten sind lang (das war es auch ohne Corona schon). Ausnahme: Zeitliche Flexibilität. Ich kenne den Fall, Termin unter 24 Stunden bekommen für morgens 9 Uhr. So schnell kann es gehen. Bei längere Wartezeit Termin geben lassen, auf zeitliche Flexibilität hinweisen und auf die Warteliste setzen lassen. Oft kommt doch spontan eher ein Termin zustande, weil jemand kurzfristig absagt (z.B. 1-2 Tage vorher). Bei mehreren Kinderorthopäden anrufen, o.g. Verfahren anwenden. Am Ende für einen Termin entscheiden und die anderen Termine absagen. Mit 2,5 Jahren muss sie nicht trocken sein und eine Darmsanierung ist nicht notwendig, außer aus medizinischen Gründen, die ich nicht rauslese. Der Punkt stoßt somit bei mir auf und ich würde mir darüber Gedanken machen, ob die Ergotherapeutin die Passende ist. Als ersten Schritt würde ich zum Kinderarzt gehen und ihm erzählen, was die Ergotherapeutin gesagt hat. Hast du das schriftlich? Wenn nein, lass es dir schriftlich geben. Zum Kinderarzt wirst du sowieso müssen wegen der Verordnung zur Ergotherapie. Außer du zahlst es privat, was nicht notwendig ist. Solltest du privat versichert sein fordern diese meist im Nachhinein auch die Verordnung wegen der Kostenrückerstattung. Mir erscheint es überstürzt.

von Ani123 am 09.03.2021, 22:09



Antwort auf: Entwicklungsverzögert

Sehr geehrte Frau Windisch, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Heute war ich bei dem von der Ergotherapeutin vorgeschlagen Praxis für Manuelle Medizin. Der Arzt hat uns ausführlich beraten und gesagt, dass wir uns absolut keine Sorgen machen brauchen. Er hat aber auch eine leichte Blockade am Halswirbel und eine Blockade am Hüftgelenk entdeckt und gelöst. Er sagte auch, dass der Muskeltonus 10 bis 20% aufgebessert werden KÖNNTE. Es sei noch kein beunruhigender Zustand, man könnte aber zu mehr Bewegung und Klettern animieren. Zu einer Therapie sieht er aktuell noch keinen Anlass. Er sagte, man könne zur Bewegung animieren und erstmal abwarten. Mit 4 Jahren könne man schauen und über eine eventuelle Therapie nachdenken. Letztlich hatte die Ergotherapeutin Recht teilweise Recht mit ihrer Diagnose und ich bin froh, dass „abgeklärt“ zu haben. Ich werde den Kinderarzt meiner Tochter konsultieren und nach einer Verordnung für eine Ergotherapie erfragen. Ihm aber auch sagen, dass eventuell noch Zeit wäre und wie er die Situation einschätzt. Bezüglich des Zehenspitzenlaufs hat der Arzt heute außerdem gesagt, dass er das nicht bestätigen kann und er ihren Gang absolut unauffällig findet. Er hat auch nochmal darauf hingewiesen, dass meine Tochter sehr groß ist und er sie für fast 4 eingeschätzt hätte; Dass sie also auch einen großen Körper koordinieren muss und das nicht so leicht ist. Meine Tochter ist tatsächlich groß, darauf wurde ich auch schon beim Kinderarzt hingewiesen.

von Schönfelder am 10.03.2021, 22:59