Wie kann ich meinem 1. Kind nach der Geburt vom Baby helfen?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Wie kann ich meinem 1. Kind nach der Geburt vom Baby helfen?

Hallo, ich hatte Ihnen Anfang d. Jahres geschrieben, dass mein Sohn (jetzt fast 3) im Sept. großer Bruder wird. Seit gestern bin ich mit Baby zuhause. Die Geburt ging frühmorgens los. Als OmaOpa da waren, hab ich ihn geweckt (5 Uhr). Wollte nicht ohne Abschied gehen. Er hat (müde u Anspannung merkend) geweint u geklammert. Sonst sind Abschiede nie ein Problem. Hab versucht, ihm Zeit zu geben. Am Schluss ging es nur mit Ablenkung (Handy), dass ich gehen konnte. War das in Ordnung? Opa meinte, ich hätt ihn gar nicht erst wecken sollen. Die nächsten Tage war wohl alles gut, er war fröhlich. Als ich gestern nach Hause kam, war er direkt neugierig auf das Baby, mir gegenüber etwas zurückhaltend. Nach u nach taute er wieder auf. Da er noch gestillt wird, nutzt er das auch weiter. Darf er gerne. Er bemüht sich sehr, lieb zum Baby zu sein. Sagt nichts, wenn ich mich um das Baby kümmer. Aber wenn ich genau hinseh, seh ich den Schmerz in seinen Augen, er will viel kuscheln, Küsschen und Bestätigungen, dass ich ihn lieb hab u nicht mehr geh. Ich fühl mich so zerrissen, will beiden gerecht werden, ihm durch die Zeit helfen. Kann aber noch nicht wieder so wie früher (schonen wg Wochenbett) u will auch für das Baby da sein. Wir haben Unterstützung (Mann hat Urlaub, tlw. OmaOpa). Aber vieles darf nur ich machen. Wie kann ich ihm helfen? Mich optimieren? Ich will nicht, dass er leidet. LG

von Himbeerjoghurt am 07.09.2020, 14:32



Antwort auf: Wie kann ich meinem 1. Kind nach der Geburt vom Baby helfen?

Hallo, herzlichen Glückwunsch und alles Gute miteinander. Wir Menschen neigen dazu zu sehen, was wir erwarten. Die neue Situation ist nicht schlechter (auch nicht für Ihren Sohn), sondern anders. Mit dieser Grundhaltung sind die Veränderungen, auch die, die möglicherweise einschränkend erlebt werden, positiver zu beurteilen. Ihr Sohn hat fast drei Jahre Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gehabt, er hat so sicher ein gutes Vertrauensverhältnis und eine sichere Bindung entwickeln können. Jetzt kann er auf diesem Boden eine andere Rolle einnehmen. Mit dieser Annahme sind auch kurze Traurigkeiten und Zweifel leichter zu akzeptieren und/oder zu zerstreuen und die Erweiterung der Familie kann als Gewinn erlebt werden. Wenn Sie ihn als überwiegend Leidenden ansehen, wird das sein Gefühl in diese Richtung verstärken. Trauen Sie ihm zu, mit der neuen Situation zurecht zu kommen, zeigen Sie ihm, wie wichtig er ist, was er schon kann (auch ohne Sie), welche Rolle er jetzt in der Familie hat. Erleben und zeigen Sie den Gewinn der Situation, die möglicherweise jetzt in einer stärkeren Beziehung zum Vater sichtbar wird. Auch Ihre Situation hat sich verändert, Sie müssen sich um zwei Kinder kümmern und der Tag ist nicht länger geworden. Versuchen Sie erst gar nicht so zu tun, als könnten Sie alles kompensieren. Alle haben jetzt eine neue Position die es gilt, positiv zu besetzen. Viel Freude dabei. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 07.09.2020