Unglücklich

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Unglücklich

Sehr geehrter Herr Dr. Nohr Nach 6 Jahre KiWu, diversen ICSI und FG, Geburt eines gesunden Mädchens, welche im Geburtshaus geplant war nach 26 h mit Not-Sectio und Kispi endete. Wochenbett war Hölle: Erkältung, Mittelohrentzündung (Antibiotika) und 2 Hämorrhoiden OP. Stillen von Beginn weg unmöglich bis schwierig, dann Postnatale Depression und längerer Spitalaufenthalt. Ich hatte Ängste dem Kind gegenüber, es könnte sterben, aus totaler Erschöpfung auch Aggressionen gegen mich und das Kind. Das ist rund 5 Monate her, es geht mir besser. Wohne bei meinen Eltern, welche mich immer noch stark entlasten. Das gemeinsame Wohnen mit meinem Mann machte mir Mühe, ich fühlte mich dort isoliert, abends kam mein Mann mürrisch nach Hause, weil er im Job Stress hatte. Für mich, die auf ihn wartete, war das doppelt schlimm. Ich taste mich nun allmählich wieder in die Normalität zurück, kann mit meiner Tochter selbstbewusster umgehen. Nun zeigt sich immer mehr ein Verhalten meines Mannes, welches vorher bereits als Tendenz da war: er reisst immer wieder Urlaubspläne an, plant Städtetrips. Halt gibt mir geregelter Alltag mit all den Ritualen: Essen, Spielen, Singen, Spazieren mit unserem Kind - Mein Mann will nun einen Vatertag. Für mich unmöglich. Wir streiten uns oft.Wie sehen Sie einen ganzen Tag dem Vater das Kind zu überlassen ? Danke

von Nora11 am 29.10.2019, 13:56



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Liebe Nora, Sie beschreiben ein komplexes Beziehungsgeschehen (Vater-Mutter-Kind-Großeltern-Großvater), welches sicher nicht mit Ratschlägen aus der Ferne lösbar ist. Die vielen wirksamen Wechselbeziehungen bedürfen genauerer Analyse, die in einem solchen Forum nicht möglich ist. Es hört sich so an, als wären die Lebenswelten von Ihnen und Ihrem Mann recht weit auseinander. Allerdings wird auch ein Interesse des Vaters an Beziehung zu Ihnen und der Tochter deutlich, was ein positiver Gesichtspunkt ist. Das Problem wird nicht darüber gelöst, ob der Vater das Kind einen Tag versorgt oder nicht. Es geht um nicht weniger als, wie können sie als Familie eine Form finden, die allen ausreichend gerecht wird und für das Kind hinreichend gut ist. Das geht am ehesten in einer gemeinsamen Beratung, weil im Zweiergespräch (des Paares) sich oft die alten Schallplatten wiederholen und jeder sich durchsetzen will. Dafür gibt es geschulte Leute, die lösungs- und nicht schuldorientiert arbeiten (Familienberatung, ProFa). Und selbst wenn Ihr Mann keinen Sinn darin sieht, könnten Sie dort Rat finden, weil die nächste Kontroverse sicher kommen wird. Ich hoffe, dass auch diese Antwort ein wenig hilfreich ist. Alles Gute. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 30.10.2019



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Liebe Nora, Ich hoffe es ist okay, wenn ich auch antworte. Du hast ja bereits bei Frau Bader nach der rechtlichen Seite gefragt und erfahren, dass der Vater grundsätzlich erstmal ein Recht auf Umgang hat. Ich verstehe nicht so ganz, wie jetzt die Situation zwischen deinem Mann und dir ist - lebt ihr nur (vorübergehend) getrennt, weil du bei deinen Eltern mehr Gesellschaft und Unterstützung hast, oder seid ihr als Paar getrennt? Wie weit wohnen deine Eltern von eurer eigentlichen Ehe-/Familienwohnung weg? Was spricht gegen einen Kompromiss wie zB zwei halbe Vater-Tochter-Tage oder dein Mann kommt einmal die Woche nach der Arbeit eure Tochter bei deinen Eltern besuchen und hat sie am Wochenende für einen halben/Zweidrittel Tag für sich? Über kurz oder lang wirst du deine Tochter etwas loslassen und „hergeben“ müssen... Den Aspekt mit den Reiseplänen deines Mannes verstehe ich auch nicht so recht. Was stresst dich daran? Will er unbedingt, dass du und Baby mitkommt, auch wenn du dich gesundheitlich/psychisch gerade nicht dazu in der Lage fühlst? Vielleicht kann er ja einen Städtetrip allein oder mit einem Freund machen, wenn er das gerade braucht, um zB mal etwas Abstand zu bekommen? Für ihn ist die Situation sicher auch nicht leicht - Vater werden, Stress auf der Arbeit, deine Krankheit, der er evtl. auch ziemlich hilflos gegenübersteht... Ich wünsche euch jedenfalls sehr, dass ihr eure Konflikte eures Kindes zuliebe lösen und Kompromisse finden könnt, die vor allem eurer Tochter zugute kommen! Alles Liebe und viel Kraft!

von Rotkehlchen am 29.10.2019, 20:32



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Hallo Rotkehlchen Danke für die nette Antwort. Mein Mann betreut 2x die Woche (nachts) noch seinen Vater, da wäre ich sowieso alleine. Sein Vater wohnt 150 km entfernt, er möchte am liebsten, dass ich dort wohne. Meine Eltern wohnen in der Gegenrichtung, 45 km entfernt. Er war ein paar Mal hier, mag aber nicht weiterhin kommen. Er möchte, dass ich entweder mit ihm beim Vater wohne oder wieder zuhause bin - dh 2 Tage die Woche alleine oder aber er nimmt unsere Tochter mit sich mit. Er war schon immer ein ‚Nomade‘ - mal hier, mal dort, viel reisen, ausgehen etc. Ich habe ein riesen Bedürfnis sesshaft zu werden, einfach an einem Ort zu sein und ich finde, die Pflege seines Vaters müsste er dem bereits gut funktionierenden Betreuungsstab überlassen. Dass er 2 x / Woche ganz dort ist und sonst noch jeden Tag über Mittag geht finde ich zuviel. Mein Mann ‚sagte‘ kürzlich zu unserer Tocher: ‚Du wirst mich sicher auch mal so pflegen wie ich meinen Vater.‘ Mir kommt es vor, dass wir nichts aufbauen können und er ständig ‚getrieben‘ ist und wir ‚herumreisen‘ sollten ob Urlaubshalber oder eben zum Vater. Das tönt vielleicht nach Luxusproblem aber mir ists nirgends wohl, ich möchte einfach Ruhe. Unser Baby schreit(e) viel, va wo ich noch nicht bei den Eltern war - der Kinderarzt meinte, eben genau das müssen wir einführen: reizarme Tage, gleiche Tagesabläufe. Und es wirkt. Sie ist ruhiger geworden. Da ich noch stille sagte er, ich hätte damit eine Machtposition und entfremde ihm sein Kind. Dazu kommt, wenn ich halbwöchentlich tagweise zu ihm gehe, wir uns streiten und er laut und böse VOR dem Kind wird. Unsere Tochter schaut mich dann lange an und ich muss manchmal weinen vor ihr. Ich kann ihm unsere Tochter nicht überlassen - er hat ausser keine Erfahrung wenig Hygiene, wenig Gefahrenbewusstsein - alles schon gesehen und miterlebt: sitzt in Cafés mit ihr und reicht sie herum/zeigt sie herum. Macht ungern Spaziergänge (lieber 5-stündige Wanderungen) oder lässt sie ungern krabbeln, weil das anstrengend zum Überwachen und langweilig sei. Er will sie im KiWa oder in der Trage dorthin mitnehmen, wo er sowieso selbst gerne hingeht. Für mich der Horror. Ich bin eine Verfechterin von attachemebt parenting, unsere Tochter schläft beispielsweise auch bei mir. Er findet, ich verwöhne sie. Wir ziehen einfach nicht am selben Strick und ich fühle mich todunglücklich.

von Nora11 am 30.10.2019, 04:52



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Ich denke, du musst unterscheiden zwischen Dingen, die DICH stressen/betreffen und den Dingen, die eure Tochter betreffen. Ein Vatertag betrifft eigentlich eure Tochter - dies vermeiden zu wollen, weil es DEINEN Tagesablauf stören würde, würde ich als unfair gegenüber der Vater-Tochter-Beziehung sehen. Bzw. Deine Probleme mit deinem Mann sollten keinen Einfluss auf einen Vater-tag haben, der eurer Tochter zu Gute kommen soll. Versuche, deinen Wunsch nach geregeltem Ablauf und auch evt. dem Wunsch, nicht von deiner Tochter getrennt zu sein, nicht die Beziehung zwischen Vater und Tochter torpedieren zu lassen. Nur, weil du nicht mehr gut mit deinem Mann auskommst heißt das ja nicht, dass er ein schlechter Vater ist. Im Gegenteil kann sein Wunsch doch auch zeigen, dass er gerne Zeit mit seiner Tochter verbringen möchte ohne das diese Zeit durch die Zwistigkeiten zwischen euch getrübt wird. Was ich ehrlich gesagt auch einen legitimen Wunsch finde. Bzgl. deiner Depressionen bzw. dem Umgang deines Mannes damit: vielleicht will er mit der Planung von Reisen, Ausflügen etc eben auch etwas Positives in eure Beziehung bringen? Evt. meint er, dich damit aus deinem Alltag mal rausreißen zu können?

von cube am 30.10.2019, 12:01



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Liebe Nora, der Kindsvater scheint einige Dinge einfach anders zu machen als du. Das ist erst mal komisch (war bei unserem ersten Kind aus so) aber letztlich ist das ein Gewinn für das Kind, wenn man sich auf Grundlegendes einigen kann. Dass der eine Elternteil etwas vorsichtiger und der andere etwas unvorsichtiger ist, kann z.B. helfen, damit das KInd keine Ängste entwickelt. Vielleicht könnt ihr euch erst mal auf einen Papa-Nachmittag einigen. Ein Tag fände ich auch zu viel, auch wegen des Stillens, aber ein paar Stunden fand ich in dem Alter immer ideal. Auch, um selbst mal eine Auszeit zu haben.

von Rattenpack am 31.10.2019, 10:58