Tochter ist immer schlecht gelaunt

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Tochter ist immer schlecht gelaunt

Lieber Dr. Nohr, meine 10jährige Tochter geht seit dem Sommer auf das Gymnasium (reine Mädchenschule). Sie klagt darüber, dass sie immer noch keine beste Freundin gefunden hat und dass sie nicht gemocht wird. Zum Beispiel beim Sport bei Partnerarbeit alleine übrig bleibt. Sie fühlt sich häufig abgelehnt. Objektiv wird sie nicht ausgegrenzt, aber sie möchte eben eine höhere soziale Position als sie im Moment hat. Allerdings konkurriert sie auch stark mit den Mitschülerinnen, möchte immer die beste Note haben, was häufig auch gelingt. Sie klagt auch, sie sei zu dick. Objektiv ist sie nicht der zarte Typ, aber keinesfalls übergewichtig. Allerdings kann ich nicht vermeiden, dass sie merkt, dass ich das nicht so toll finde. Ich selbst bin sehr schlank und zierlich. Ich glaube , ein Problem ist, dass sie eine Freundin nur für ihre Sicherheit "besitzen" möchte, aber gar nicht wirklich nett, sympathisch und interessiert an den Gefühlen anderer rüberkommt. Sie ist häufig daran interessiert etwas zu haben oder zu kaufen und nicht so sehr am Zwischenmenschlichen. Mich belastet sehr, wie verzweifelt sie manchmal ist und dass sie oft schlecht gelaunt und voller Wut ist. Das lässt sie oft an den 4 jüngeren Geschwistern aus, vor allem an der 18 Monate jüngeren Schwester. Da wird nur gestritten und konkurriert. Was kann ich für sie tun, damit sie sich gut entwickelt?

von Florentina046 am 18.05.2020, 14:34



Antwort auf: Tochter ist immer schlecht gelaunt

Hallo, was Sie beschreiben, das hört sich wie eine Selbstwertproblematik in einer Schwellensituation an. Eine neue Schule, neue LehrerInnen und Mitschüler, sind eine Herausforderung. Wenn man da Zweifel am eigenen Wert hat, überwiegen in der Wahrnehmung immer die Situationen, in denen sich das bestätigt (selektive Wahrnehmung). Die Kinder versuchen sich dann oft über verschiedene Wege zu stabilisieren (Leistung, Aussehen, Klamotten usw.), was mehr oder weniger gelingt. Erschwerend kommt hinzu, dass Sie Ihre Haltung zu ihrer Figur kennt, was eine zusätzliche Belastung des Selbstwertgefühls ist (i.S. einer Bestätigung des negativen Selbstbilds). Das lässt sich nicht mit ein paar Sätzen oder klugen Erklärungen beeinflussen. Entscheidend sind Erfahrungen von Angenommensein, so wie sie ist. Wichtig ist auch ihr Raum zu geben zu klagen, Mit-Gefühl, ohne dass man gleich "hilfreiche Tips" gibt. Es ist ein Leid sich so zu erleben und zu sehen, auch wenn es objektiv gar nicht stimmt. Ehrliche Ermutigung, Hilfen zu stärkenden Erfahrungen (was macht sie gerne und gut, z.B. Sport?), Akzeptanz des So-Seins, Geduld und Zuversicht sind die Grundlagen, die mit der Zeit eine positive Veränderung des Selbstbilds ermöglichen. Dies braucht Zeit, da sollte man eher nicht in Monaten rechnen. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 18.05.2020