Sicherer Hafen?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Sicherer Hafen?

Hallo, meine Tochter ist 2 1/4 Jahre alt. Sie war schon immer nicht begeistert von anderen Kindern. In den Baby-Kursen saß sie, sobald die anderen Kinder auch krabbeln konnten auf meinem Schoß, auf dem Spielplatz zieht sie mich am Finger mit. Ich habe stets versucht bei ihr zu sein, für sie da zu sein und ihr die Sicherheit zu geben, die sie braucht. Teilweise spielte sie auch schon alleine auf dem Spielplatz in den Sandkasten. Nun, nach der Corona-Pause hat sich ihr Verhalten geändert. Wir treffen regelmäßig Kinder in ihrem Alter, Anfang des Jahres hat sie sich noch gefreut - jetzt lehnt sie alle Kontakte vor Ort ab. Allerdings unterhält sie sichspäter begeistert mit mir über diese Treffen. Auf dem Spielplatz wiederholt sie, sobald ein Kind kommt, immer wieder "der darf da nicht rutschen/schaukeln ..." und wenn ihr ein Kind zu nahe kommt (vorbeiläuft) fängt sie an panisch zu weinen. Auch den Nachbarn sagt sie "der wohnt da" und versucht sie schnell in ihr Haus zu treiben. Ich bin mir unsicher, ob sie mich als "sicheren Hafen" braucht, oder ob sie mich als alleinigen Spielgefährten haben möchte, der sie eben besser kennt/versteht als andere Menschen, mit denen sie sich auseinandersetzen müsste. Wie erkenne ich den Unterschied? Und wie unterstütze ich sie in dieser Phase? Helfen Kontakte? Vielen Dank!

von schalfan am 20.07.2020, 21:48



Antwort auf: Sicherer Hafen?

Guten Tag, ganz sicher braucht Ihre Tochter Sie noch als sicheren Hafen. Das bleiben Eltern im besten Fall ja lebenslang. Aber es ist wie mit den Schiffen. Die verlassen den Hafen auch, um sich hoher See zu bewähren. Das lernen Kleinkinder erst allmählich und interessieren sich auch unterschiedlich früh für Andere. Sie erwähnen die Corona-Pandemie. Da haben ja auch wir Erwachsenen lernen müssen, uns von Anderen fernzuhalten. Sie mussten uns als potentiell bedrohlich weil ansteckend erscheinen. Das kann Ihre Tochter sicher noch nicht verstehen, aber Sie hat bestimmt auch Ängste der sie umgebenden Erwachsenen gespürt. Dadurch erscheinen ihr möglicherweise Mitmenschen, die evtl. auch noch eine Maske tragen, als weniger interessant oder gar bedrohlich (s. Nachbarn). Sie war ja zudem in dieser langen Zeit ausschließlich auf Sie fixiert, weil andere Kontakte gar nicht möglich waren. Das hat Ihre Tochter vielleicht wieder ein Stück zurückgeworfen. Sie können Ihre Tochter unterstützen, indem Sie ihr Ihr eigenes Interesse an anderen Menschen vorleben. Das kann sich auch auf andere Kinder auf dem Spielplatz beziehen. Sie können sie auch bei ersten Kontakten begleiten. Das können Kleinkinder oft noch nicht alleine. Ansonsten gilt auch hier: Sie brauchen Geduld. Ihre Tochter braucht halt noch etwas Zeit, um den Kontakt zu Anderen reizvoll zu finden. Dazu sind behutsame Anregungen von Ihnen sicher sehr unterstützend. Ingrid Henkes

von Dr. med. Ludger Nohr am 21.07.2020